Eine Besichtigung der deutschen Münzstätten im Jahre 1905

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Bei der Literatursuche nach Quellen , die belegen oder widerlegen, wer wann wie einen Teil der Auflage des Dreimarkstückes zum Gedenken an den 400. Jahrestag der Reformation ( J 141 )nach der erfolgten Prägung eingeschmolzen hat, habe ich einen Zufallsfund gemacht, der im Prinzip genau das darstellt, was ich schon seit Jahren suche ; eine detaillierte Schilderung der Arbeitsweise der deutschen Prägeanstalten im Zeitraum 1871 bis 1918.

Vom 7. April bis 4. Mai 1905 besuchte der Muldenhüttener Hüttenmeister Theodor Choulant die deutschen Schwesterbetriebe. Seine ” Instruktionsreise nach den Münzen in München, Stuttgart, Karlsruhe, Hamburg und Berlin ” wurde 1991 von Paul Arnold zusammen mit dem Bericht einer ähnlichen, 1853 vom damaligen Dresdner Münzmeister Julius Buschick durchgeführten Reise, in der Serie ” Numismatische Studien ” des Museums für Hamburger Geschichte herausgegeben.

Auf Buschick soll hier nicht weiter eingegangen werden, da mein Hauptinteresse den Reichsmünzen gilt. Genau wie Choulant legt jedoch auch er ein systematisches Raster bei seiner Untersuchung der Arbeitsverhältnisse an, so dass es sich anbot die Fakten tabellarisch darzustellen, um so eine vergleichende Übersicht zu schaffen.

Da Muldenhütten naturgegeben nicht vorkommt, der Bericht war ja für das dortige Publikum geschrieben, habe ich die Informationen eingefügt, die der Text in Bezug auf den dortigen Betrieb hergab, wenn Choulant sie zu einem direkten Vergleich ausdrücklich heranzieht.

Bei der Ausarbeitung hatte ich immer die Eisenbahnwerkstatt in Tabora im Hinterkopf, mit der ich mich im letzten Jahr eingehend beschäftigt habe. Wenn man bedenkt, was Krenkel und Schumacher alles nicht zur Verfügung stand, mutet ihre handwerkliche Leistung umso bedeutungsvoller an. Denn, wie Gouverneur Schnee in Bezug auf die Tabora – Heller zutreffend sagte : “ Es kann sich kaum jemand vorstellen, mit welchen ungeheuren Schwierigkeiten man arbeiten musste, um diese einfachen Münzen herzustellen”.

Einige Aspekte und Besonderheiten , die aus Choulants Bericht hervorgehen, möchte ich hier ansprechen

Choulant führt, soweit erhältlich, den Schmelzverlust für die Edelmetalle an. Dubios erscheint, dass Karlsruhe scheinbar nicht das Bedürfnis verspürt, den Schmelzverlust genau zu dokumentieren und einfach behauptet, man würde die von Schlösser ermittelten Idealzahlen erreichen. Vor dem Hintergund der Tatsache, dass sämtliche andere sporadisch arbeitenden Prägeanstalten weitaus höhere Verluste vorweisen und nicht mal Berlin als der grösste und rutinierteste Betrieb in die Nähe der Schlösserschen Zahlenangaben kommt, stelle ich die Behauptung auf, dass Karlsruhe hier einen Misstand beschönigt, denn auch für Karlsruhe muss gelten, was Choulant ausdrücklich für Dresden im Vergleich mit Berlin feststellt:

” Der hiesige höhere Goldverlust liegt daran, dass hier geringere Goldmengen ausgeprägt werden und dementsprechend beim Aufarbeiten kleinere Schmelzen gemacht werden müssen, wodurch der Goldverlust steigt ”

Zusammen mit der im Jaegerkatalog dokumentierten zahlenmässig auffälligen Fülle an Stempelfehlern ( siehe ” das offene A ” ) ,verstärkt sich der Eindruck eines gewissen Laissez-faire im Badischen. Kann so bereits der ” Karsruher Münzskandal ” gut fünfzig Jahre später erklärt werden ?

Weiterhin fand ich von Interesse, dass Coulant gesondert erwähnt, Berlin habe keine Feinstaubfilter, sondern lediglich Schamottziegel in den Abzügen der Schmelzöfen installiert, wodurch pro Jahr 1 Kg Gold zurückgewonnen werden könne, was ca 2800 Mark entspricht. Bei einer Goldausmünzung von ca 36 Millionen Mark im Jahre 1892 bis hin zu 181 Millionen Mark im Jahre 1910 mutet diese Zahl bescheiden an. Wieviel mehr hätte sich durch Filter auffangen lassen ? Die im Mai 1873 neu eröffnete Kopenhagener Münze war mit einer Feinstaubfilteranlage ausgerüstet worden. Gold wurde in Kopenhagen nur sporadisch verarbeitet., zwischen 1873 und 1877 wurde für 41.778.280 Kronen Goldmünzen geprägt, das entspricht einem Verbrauch von 16.836 kg Gold. Die Rückgewinnnung von Gold aus dem Rauch der Schmelzöfen belief sich in diesem Zeitraum auf 12.630 Kronen, was 5, 089 Kg Gold entspricht und durchschnittlich pro Prägejahr ( 1873, 1874, 1876 und 1877 ) 1,272 Kg Gold ausmacht. Hier muss man allerdings noch zu Grunde legen, dass Kopenhagen , des sporadischen Betriebes wegen eher mit den kleineren deutschen Münzen zu vergleichen ist . Interessant wäre es, die entsprechenden Zahlen für andere grosse Münzen zu erfahren, beispielsweise für London oder Paris, die sich möglicherweise besser mit Berlin vergleichen lassen.

Für mich als besonderen Anhänger der Hamburger Gepräge war die beiläufige Erwähnung, ”in Hamburg werden zur Zeit Doppelkronen ausgeprägt, welche nicht das hamburgische Wappen, sondern den Kopf Sr Majästät des Kaisers mit dem Münzzeichen I führen ” sehr interessant So lässt sich die Prägung des Jahrgangs 1905 J von J 252 also auf April – Mai d. J. festlegen, was also bedeutet, dass ein gutes halbes Jahr verstrich, bevor, die Aufforderungen aus dem Allerhöchsten Erlass vom 2. September 1904 , mit Berlin zwecks Beschaffung der notwendigen Prägewerkzeuge in Verbindung zu treten, in der Prägung der Münzen resultierte. Da die Stempelherstellung laut der bei Barduleck dokumetrierten Angaben ca 3 Monate betrug, kann man hier vorsichtig den Schluss ziehen, dass der Dienstweg weitere drei Monate ausmachte.

Nur unter Hamburg ist auch folgender Passus erwähnt

“ Das Prägen versorgen hier, der geringeren Löhne wegen , Frauen und Mädchen unter Aufsicht eines Oberprägers, dem noch ein Schlosser zugeteilt ist “.

Man kann nur hoffen, dass das Kinderschutzgesetz von 1903 hier Beachtung fand. Eine 1975 erschiene Festschrift anlässlich des 100. Jubiläums der Münze geht auf diesen Umstand jedenfalls nicht ein.

Allgemein widmet Choulant den Arbeitszeiten und den gezahlten Vergütungen einen grösseren Raum, als ich es in der Tabelle wiedergeben konnte. Zu den Grundbezügen kommen in jedem Fall noch Überstundenvergütungen , in der Regel 25 Pfennig pro Stunde, sowie Sondervergütungen für einzelne Arbeitsschritte, die belastend für die Arbeiter waren, das Fahren von Schmelzen beispielsweise. In Berlin war der Sondervergütungskatalog besonders differenziert. Für das Prägen von Doppelkronen wurden 60 Pfennig pro 100 Kg ekstra vergütet, das Justieren der Platten für die Doppelkronen wurde im Akkord bezahlt, hier gab es 20 Pfennig für die maschinelle Justierung von 1 Kilo guten Platten.Bei der Justierung per Handhobel wurden 36 Pfennig gezahlt.

Die tabellarische Ausarbeitung kann gern benutzt werden. Bleibt mit abschliessend nur noch einmal auf das Buch hinzuweisen., ich nehme an, dass es nur noch antiquarisch zu bekommen ist.

Wer sich für Details dieser Art interessiert, kommt hier voll auf seine Kosten.
 

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Hallo und vielen Dank für den schönen Beitrag. :respekt:

Gruß von epareiner
 
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