Hallo Sammler- und Primitivgeld Freunde.
In den nächsten Tagen werden wir hier den
vierzigtausendsten, vermutlich sprachlosen Besucher (Klicker) begrüßen können. Zu seiner Ehre gibt es wieder mal einen Beitrag, der etwas von der üblichen Vorstellung von Primitivgeld abweicht, aber genau in dieses Thema passt.
Nochmal für die neu hinzu gekommenen: Primitiv bedeutet hier nicht etwa -> einfach, minderwertig oder etwa billig. Der Begriff ist abgeleitet von ursprünglich, am Anfang stehend. Er wird leider immer wieder missverständlich verwendet.
Der folgende Artikel stammt von einem Kenner der Materie, Herrn Bernhard Rabus, Mitglied der EUCOPRIMO.
Diese Art "Ersatzwährung" war auch im Umlauf, zusammen mit "richtigem" Geld, das es in Amerika zu dieser Zeit schon gab.
„Made Beaver“ Was ist denn das?
In meiner Ausstellung über Vormünzliche Zahlungsmittel in Speyer vor ein paar Jahren hatte ich auch eine Vitrine mit amerikanischen VZ-Artikeln, mit indianischen Pferdedecken, Tabak und Alkohol, Waffen und Werkzeugen und den seltenen Dentalium Schnecken - u.A. von dem Mitbegründer der EUCOPRIMO, dem verstorbenen Herrn Bernhard Götte, der in diesem Thema das auch nicht alles so eng sah. Wenn 1945 ein Hamsterer beim Bauern einen handgeknüpften Teppich gegen zwei Gänse tauschte, waren das für ihn auch Zahlungsmittel.
In der letzten halbjahres Mitteilung des EUCOPRIMO, „Der Primitivgeldsammler“ (was das ist, kann man durch Google erfahren. Neugierige seien gewarnt, das macht süchtig wie sondeln gehen oder Euros sammeln) - hat das aktive Mitglied Bernhard Rabus einen Artikel über die Funktion der Biberfelle in Nordamerika als Zahlungsmittel geschrieben, den ich hier auszugsweise mit einstellen durfte
(siehe auch meinen aller ersten Beitrag in dieser Serie).
Bernhard Rabus beschäftigt sich ausgiebig mit dem Vorkommen Vormünzlicher Zahlungsmittel in Nord Amerika und hat da sehr viel zu berichten.
Das Thema im Primitivgeld im Allgemeinen umfasst also nicht nur Afrika, Pazifik und den gesamten asiatischen Raum, sondern auch ….
Aber sehen Sie selbst ->
AMERIKA
Das Biberfell - Wertmaßstab und Zahlungsmittel in Nordamerika
Bernhard Rabus
Das Fell des nordamerikanischen Bibers (Castor canadensis) spielte paradoxerweise in der europäischen Mode eine große Rolle.
Hier wurde es nicht etwa zu Pelzmänteln verarbeitet, sondern zur Herstellung von Filzhüten verwendet.
(aus den alten Westernfilmen sind mir solche Zylinderhüte irgendwie geläufig)
Dazu entfernte man die längeren Außenhaare und schabte das darunter liegende fettige Fell ab und machte daraus einen feinen, nahezu wasserdichten Filz, aus dem dann Herrenhüte für alle möglichen Zwecke gefertigt wurden, z. B. Zylinder, aber auch andere Formen. Die Nachfrage regte sich schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts und dauerte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts an, als man begann, Seide für die Hutherstellung zu verwenden. Das war zwar das Ende des Biberfilzes, aber ein Segen für den Biber, der auf dem nordamerikanischen Kontinent nahezu ausgerottet worden war.
Abgesehen von der katastrophalen Folge erlangte das Biberfell durch diese europäische Hutmode auf dem nordamerikanischen Kontinent zeitweise die Geldfunktionen des Tausch- und Zahlungsmittels sowie des Wertmessers und der Recheneinheit.
Das begann im zweiten Quartal des 17. Jahrhunderts in der ersten englischen Kolonie Virginia und der holländischen Kolonie Nieuw Nederland (mit dem Zentrum Neu Amsterdam, heute New York) und setzte sich durch die englische Gründung der Hudson's Bay Company (HBC) 1670 im heutigen Kanada und quer über den Kontinent bis zum Pazifik fort.
Karte Neu Amsterdam (heute New York)
Wise (1911:300) berichtet von Virginia „beaver pelts were in use from the first as currency among the settlers“. Er geht davon aus, dass es hier keine Biber gegeben hat und der große Wert der Felle darauf zurückzuführen sei.
Nach Emmons (1911:7 und 1991:55) wollte ein Häuptling der Tahltan Indianer unbedingt ein Schiff der HBC sehen, das an der Mündung des Stikine Flusses (Alaska) im Meer ankerte. Um sicheres Geleit durch das Stikine Gebiet zu erhalten, musste er einem Häuptling 500 Biber Felle zahlen.
Kolonie Nieuw Nederland (Neu Holland)
Nach Henry Hudsons Erkundung kamen 1624 die ersten holländischen Siedler in die Kolonie, in der sich rasch Neu Amsterdam, oder New York wie es ab 1664 heißt, als Zentrum entwickelte (siehe Plan auf Tafel XVIII oben). Auf den Seiten 109 - 111 beschreibt er die jährlichen Ausfuhren an Biberpelzen nach Amsterdam. Die Felle wurden durch die Fländler der holländischen West Indien Companie (WIC) von den Indianern meist gegen
wampum eingetauscht (siehe dazu auch Rabus, 2003).
Mit Biberfellen konnten Steuern und Löhne bezahlt werden. Aus diesem Grund setzte die WIC den Tauschwert des Biberfells fest. 1656 betrug er 6 Gulden pro Fell (Jacobs 2009:108).
Delage (1993:280) schreibt, dass Lehrer der Kolonie häufig mit einer Mischung aus Geld, Biberfellen und Weizen bezahlt wurden. Shorto (2005:271) zitiert eine Kolonialquelle, nach der eine Art Bürgerrecht in Neu Amsterdam gegen „twenty guilders in beavers“ erworben werden konnte. Jordan gibt schließlich weitere Hinweise auf die Geldfunktion des Biberfells in der Kolonie Neu Holland.
So konnte 1656 die 4%ige Exportsteuer mit Biberfellen zu je 8 Gulden bezahlt werden. Dabei wurde beklagt, dass hauptsächlich Pelze schlechter Qualität verwendet worden seien.
1659 senkten die Direktoren der WIC den Geldwert auf 7 Gulden pro Pelz. 1662 wurde der gleiche Wert für alle Zahlungen der Gesellschaft unterlegt. Jordan zitiert einen Vertrag aus dem Jahr 1661 in dem jemand verspricht, „ninety two good, whole beavers reckoned at eight guilders a piece“ zu zahlen. Er hält es für bemerkenswert, dass der Vertrag ausschließlich auf die Biberfelle abstellt, die rechnerisch ausmachenden 736 Gulden sind expressis verbis nicht darin erwähnt.
Bei Jordan heißt es weiter: „Some contracts allowed for partial payment in beaver and the remaining payment in wampum or wheat or some other commodity money at the beaver rate. The beaver rate seems to have been the one stable element in the commodity exchanges“.
Aus dem Jahr 1682, schon nach der englischen Übernahme der Kolonie, stammt eine gerichtliche Auseinandersetzung, die ein Hilfspfarrer aus Holland angestrengt hatte, weil sein Vertrag für vier Jahre ein Gehalt von 800 Gulden pro Jahr, zahlbar in Biberfellen zu einem rechnerischen Kurs von 8 Gulden pro Stück, vorsah, der Marktpreis der Felle dann aber nur noch knapp fünf Gulden betrug.
So hätte er in der Realität viel weniger bekommen als der Vertragssumme entsprach.
Wenn auch nicht in diesem Umfang, so trat dieses Problem durch die Regulierung des Geldwerts der Biberfelle durch die WIC immer wieder auf.
The Hudson 's Bay Company
Die Gesellschaft wurde 1670 gegründet. Der englische König garantierte ihr das Monopol im Handel mit den Indianern in allen Gebieten, die von in die Hudson Bay mündenden Flüssen entwässert wurden.
Die genauen Grenzen kannte damals niemand, aber es waren Ländereien im Ausmaß etwa eines Drittels des heutigen Kanada (siehe Karte auf Tafel XVIII unten), die bis in den mittleren Westen der heutigen USA reichten. Nach der Fusion mit der North West Company 1821 erstreckte sich das Territorium bis an den Pazifik. Die Säule des Handels mit den Indianern war natürlich der mit Pelzen, insbesondere des Bibers, den es in den wasserreichen Gegenden massenhaft gab. Mit europäischem Geld hätten die Indianer nichts anfangen können, sie wollten ihre Felle gegen europäische Waren tauschen.
Um einen Maßstab für den Tauschwert zu schaffen führte die HBC die „Biber Währung“ ein. Ab 1748 bildeten Biberfelle den anerkannten „Standard of trade“. Alle Waren und ebenso alle anderen Pelze wurden im Verhältnis zu 1 Biberfell bewertet.
Preisliste der gängigsten Waren in Stück Biberfell
Diese Preise galten für alle Tradingposts der HBC gleichermaßen. „Hudson's Bay Company used the Made beaver as a unit of curreny that could be traded at their posts for various European trade goods. A prime beaver pelt was called a „made beaver“ - a pelt which had already been wom for at least one season and from which most of the long outer hair had wom off.
Gleiches schreibt der 1829 geborene Pelzhändler Joseph McKay: „No coin was necessary in dealing with the Indians. The unit of value was equal to that of a prime beaver skin weighing one pund. This unit was technically called a „made beaver“. The value of other skins was regulated accordingly, each beeing either so many „made beaver“, or so many aliquot parts of a „made beaver“. The value of each article of merchandise given for the furs was regulated on the same principle, each article representing so many „made beavers“, or so many fractions of a „made beaver“.
Moberly, selbst Mitarbeiter der HBC, bezeichnet in den 1850er Jahren „made beaver“ als „the currency of the country“, von Dollars, Cents oder Pfund, Shilling und Pence wußte niemand was.
Er macht dazu ein paar Preisangaben:
Ein Pferd kostete 20 „made beaver“, ein Bündel seed beads oder
ein Messer 1 mb.
10 Gewehrkugeln oder ein
Viertelpfund Schießpulver waren für 1 „made beaver“ zu haben. Andere Pelze wurden ebenfalls gegen „made beaver“ gerechnet. Ein Wolfsfell war ¼ , ein Rotfuchs 1 und ein Silberfuchs 5 Biber wert. Um das noch zu verdeutlichen sind auf Tafeln XX und XXI Preislisten von 1795 aus dem Notebook des Peter Fidler beigegeben.
Etwa 1867 erließ die HBC eine Vorschrift, wonach künftig in Pfund, Shilling und Pence zu rechnen sei. Das führte zu großen Irritationen. Ein langjähriger Angestellter der HBC, Mr. Isaac Cowie, schrieb: Whoever was the Hudson Bay official, who superseded the simple „skin way“ for the „money way“ of trading with Indians, he certainly gave us no end of torment and trouble“.
Zusammenfassung
Ab Mitte des 17. Jahrhunderts bildete das Biberfell über mehr als 200 Jahre hinweg auf dem nordamerikanischen Kontinent ein Tauschmittel mit festem und bekanntem Wert, das zu Zahlungen verwendet wurde.
Im Bereich der Hudson's Bay Company erlangte es zudem als „made beaver“ die Rolle des alleinigen Wertmessers mit dem die Preise aller Waren und auch anderer Pelzsorten ausgedrückt wurden. Die HBC selbst bezeichnet den „made beaver“ als „unit of currency“.
Die 1670 gegründete Hudson's Bay Company betrieb von Anfang an intensiv den Pelzhandel in Kanada (Motto: „pro pelle cutem = Wir riskieren unsere Haut für Pelze“). Aufgrund der immensen Nachfrage in Europa war das ein höchst lukratives Geschäft.
Nach der Fusion mit der Northwest Company dehnte sie ihr Einzugsgebiet bis an die Westküste aus. In den überall verstreuten trading posts der Gesellschaft konnten Indianer und Trapper Tierfelle gegen Waren wie z.B. Gewehre, Munition, Äxte, Kessel etc. tauschen. Um eine möglichst große Einheitlichkeit zu erreichen und zu verhindern, dass die Kunden von einem post zum anderen liefen um zu sehen wo sie die günstigsten Preise bekamen, führte die „Bay“ Biberfelle, die bei weitem den größten Anteil hatten, als Wertmaßstab ein. Die Preise aller Waren, welche die trading posts anboten wie auch andere Fellarten wurden in „made beaver“ ausgedrückt.
Als „made beaver“ galt das gestreckte, getrocknete Fell (siehe oben) eines erstklassigen (prime) ausgewachsenen Bibers. Das musste nach den Angaben der HBC schon eine Saison lang abgenutzt sein und die langen äußeren Haare verloren haben. In Europa schabte man dann die fettige feine „Wolle“ von der Haut und machte daraus den feinsten Filz für Hüte! Sie waren die große Mode.
Im Archiv der HBC findet sich die Preisliste von Fort Albany von 1733. Demnach waren beispielhaft für ein solches Standardfell alternativ zu haben:
1 1/2 (engl.) Pfund Schießpulver, 2 Pfund Zucker, 1 Gallone Brandy, 20 Angelhaken, 12 Nadeln oder 2 Hemden. Für ein Gewehr wurden 10-12, und für eine Pistole 4 Biberfelle verlangt.
Da die Biberfelle jederzeit zu bekannten Werten in Waren „gewechselt“ werden konnten, dienten sie den Indianern verschiedener Stämme auch unter einander als Tauschmittel, also eine echte konvertierbare Währung.
Gut ist ein Zylinderhut, wenn man ihn besitzen tut,
Doch von ganz besondrer Güte sind stets zwei Zylinderhüte ....... (notfalls aus Biberhaar)
Es grüßt freundlichst diwidat