18. Januar 2021: 150 Jahre Deutsches Kaiserreich

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Werte Geschichtsinteressierte,

am 18. Januar begehen wir das 150-jährige Jubiläum der Gründung des Deutschen Kaiserreichs.
Ein bedeutsamer Tag - zumindest für uns Kaiserreichssammler ;-)

Kaiserproklamation_in_Versailles_1871_7zu5.jpg

Für alle Interessierten hier zwei Beschreibungen des Festaktes ("Proklamation") im Spiegelsaal von Schloss Versailles, einmal aus der posthumen Biografie von Wilhelm I., einmal aus der Sicht des frischgebackenen Kaisers selbst.
Viel Spaß beim Lesen!


Aus „Unser Heldenkaiser – Festschrift zum hundertjährigen Geburtstage Kaiser Wilhelms des Großen“

Als ein Gottesdienst war die Feier gedacht, und stattgefunden hat sie als ein Gottesdienst, bei welchem eine Versammlung von 5-600 Offizieren sich um den König, die Fürsten und die Prinzen scharte, als eine große andächtige Gemeinde. Der Gottesdienst begann mit dem Gesang des 66. Psalms: „Jauchzet Gott, alle Lande“, der zu den Lieblingspsalmen Luthers gehörte und den der König selbst für die Feier ausgewählt. Der Soldatensängerchor trug ihn mit Kraft und Wohllaut vor. … Während des Gesangs stand der König, den Helm in der Linken, in dem Halbrund gegenüber dem Altar, rechts der Kronprinz, links Graf Bismarck, hinter ihm die Fürsten und die Prinzen. Die Blicke hatte er zu Boden gesenkt und schlug sie auch während der ganzen folgenden Predigt nicht auf. Der Weihepredigt folgte der Choral „Nun danket alle Gott“, in den die ganze Versammlung einstimmte, den insbesondere auch der Kronprinz und Bismarck mit kräftiger Stimme mitsangen, dem Choral folgte der Segen des Geistlichen, das dreifache Amen des Chores schloß die kirchliche Handlung, und nun erst schaute der König auf. Bis dahin war er in demütige Andacht versunken gewesen … ursprünglich hatte er auch während der Handlung, die nun folgen mußte, an dem Altar stehen bleiben wollen, aber als er jetzt „seine Fahnen“ sah, da änderte er seinen Entschluß. Er verließ den Altar und Schritt auf jene Stufenbühne (haut-pas) zu. … Die Fürsten folgten ihm, er ließ sie zuerst hinauf treten, stellte sich dann mitten unter sie dicht vor seine Fahnen hin, und hier – umrauscht von den Ruhmesfahnen des siegreichsten aller Heere, umweht und umwittert von den Geistern großer Zeiten, großer Menschen und großer Taten, legte der Kaiser und König Wilhelm sein Kaisergelübde ab. Mit lauter, im entferntesten Winkel des Saales vernehmbar Stimme verlas er die Urkunde über die Verkündung der Wiederherstellung des Deutschen Reichs und die Annahme der deutschen Kaiserwürde, und ließ dann den Grafen Bismarck die Ansprache verlesen, welche er „an das deutsche Volk“ erließ und in der er sagte: „Wir übernehmen die kaiserliche Würde in dem Bewusstsein der Pflicht, in deutscher Treue die Rechte des Reichs und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren, die Unabhängigkeit Deutschlands, gestützt auf die geeinte Kraft seines Volkes, zu verteidigen. Wir nehmen sie an in der Hoffnung, daß dem deutschen Volke vergönnt sein wird, den Lohn seiner heißen und opfermutigen Kämpfe in dauerndem Frieden und innerhalb der Grenzen zu genießen, welche dem Vaterlande die seit Jahrhunderten entbehrte Sicherheit gegen erneute Angriffe Frankreichs gewähren. Uns aber und Unsern Nachfolgern an der Kaiserkrone wolle Gott verleihen, allzeit Mehrer des Deutschen Reichs zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gütern und Gaben des Friedens, auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung.“ Und dann vernahm er zum ersten Mal ein jubelndes Kaiserhoch. Der Großherzog Friedrich von Baden, selbst einer der edelsten Pioniere auf dem dornenvollen Wege zum Kaiser und zum Reich, brachte es aus in den Worten: „Seine Kaiserliche und Königliche Majestät Kaiser Wilhelm lebe hoch! hoch! hoch!“ Dreimal fiel die Versammlung jubelnd in diesen Zuruf ein. Die Helme wurden geschwenkt, die Arme wie zum Schwur erhoben, die Tränen der Rührung und der Freude glänzten in den Augen. Die Fahnen senkten sich dem Kaiser zu Häupten, „Heil dir im Siegerkranz“ schmetterte ihm die Musik entgegen und von fernher dröhnte der Kanonendonner des Mont Valérien in den Jubel herein. Unter den Klängen des Hohenfriedberger Marsches kehrte der Kaiser zur Präfektur zurück.
Proklamation_Foto2.JPG


Aus „Briefe Wilhelms des Großen an die Königin Augusta aus dem Kriegsjahre 1870/71“

Versailles, 18. 1. 71.
Eben kehre ich vom Schloß nach vollbrachtem Kaiser Akt zurück! Ich kann Dir nicht sagen, in welcher morosen Emotion ich in diesen letzten Tagen war, theils wegen der hohen Verantwortung, die ich nun zu übernehmen habe, theils und vor Allem über den Schmerz den preußischen Titel verdrängt zu sehen! In einer Conferenz gestern mit Fritz, Bismarck und Schleinitz war ich zuletzt so moros, daß ich drauf und dran war, zurückzutreten und Fritz alles zu übertragen! Erst nachdem ich in inbrünstigem Gebeth mich an Gott gewendet habe, habe ich Fassung und Kraft gewonnen! Er wolle geben, dass so viele Hoffnungen und Erwartungen durch mich in Erfüllung gehen mögen, als gewünscht wurde! An meinem redlichen Willen soll es nicht fehlen!

Die Feier ist sehr würdig vor sich gegangen. Das Wetter ist trübe aber sehr mild. Durch die vielen Ankommenden, das Einrücken der nächststehenden Fahnen und Standarten (incl. Bayern) gab es dem unbetheiligten Versailles un air de fête. Um 12 Uhr versammelten sich die Fürsten in einem der Salons vor der gallerie des glaces; in den 3 darauf folgenden stand meine Staabs Wache als Ehrenwache Posten auf dem escalier de marbre (auf dem die populace in die Gemächer der Königin M. Ant. drang!!) in der cour de marbre eine Ehrenwache von meinem 7. Regiment. In der Mitte der Galerie am Fenster war der Altar errichtet; zu beiden Seiten längs der Fenster über 150 Soldaten mit dem eisernen Kreuz; gegenüber längs den Spiegel embrasuren die Officierscorps, mehrere 100 Personen. Am Ende der Gallerie war ein hautpas gestellt, dessen Hintergrund die Fahnen einnahmen (einige 80; inclus: Bayern; Württemberg und Sachsen waren aus confusion nicht erschienen) Wir stellten uns vis-a-vis des Altars, wo Rogge eine verkürzte Lithurgie sprach und ein schönes, nicht zu langes Gebeth und Anrede sprach mit dem Schluß: Nun danket alle Gott (der liturgische Chor, von den Musikern meines Regiments wie allsonntäglich, singt sehr gut). Dann ging ich mit den Fürsten nach dem hautpas und sprach dieselben mit kurzen Worten an (abgelesen) worauf Bismarck die Proclamirung verlas und Fritz von Baden das erste Hoch! auf mich mit dem neuen Titel ausbrachte, was von der ganzen Versammlung langtönend widerhallte! Es war ein sehr ergreifender Moment!! Es folgte die Gratulation der Fürsten, worauf eine défilir Cour stattfand, und zum Schluß ging ich längs den Fahnen und eisernen Kreuz Mannschaften herunter, womit alles endigte!

Die Adreß Titulatur an mich von Dir schlage ich dahin vor: An S. Majestät den Kaiser und König, die meinige an Dich findest du analog auf dem heutigen Couvert.
Ich muß endigen, da die Post wartet.

Dein treuster Freund,
W.
Proklamation_Foto1.JPG
 
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