Ich möchte mir aus der schier unerschöpflichen Fülle möglicher Themen zum I. Weltkrieg einmal ein kaum diskutiertes militärische Phänomen herausgreifen und einfach mit der seinerzeit im Kaiserreich herrschenden Politik davon ausgehen, dass ein Krieg unvermeidbar war. Dies kann und muss man politisch natürlich hinterfragen, hier möchte ich aber keine alternative Politik vornehmen. Deutschland war infolge falscher Bündnispolitik "eingekreist", wie man sagte, und musste für einen Zweifrontenkrieg planen. Die Planungen sind bekannt: Der Schlieffen-Plan, seit den 1890er Jahren entwickelt und ständig verfeinert, sah vor, die geballte Macht der kaiserlichen Armee, etwa knapp zwei Millionen Mann in sieben Armeen, gegen Frankreich einzusetzen und im Osten mit nur einer Armee gegen die russische "Dampfwalze" zu halten. Frankreich sollte nach 42 Tagen vernichtend im Sinne einer gewaltigen Umfassungsschlacht geschlagen werden. Sodann wäre die gesamte deutsche Armee gen Osten geworfen worden. Das Scheitern des Schlieffen-Planes ist ebenfalls bekannt, auf die Gründe kann ich hier nicht eingehen, m.E. wäre Frankreich auch ohne das "Wunder an der Marne", das keines war, nicht endgültig geschlagen gewesen.
Ich möchte mich stattdessen näher mit der Konzeption an sich befassen. Wäre es militärisch gesehen nicht aussichtsreicher gewesen, sozusagen den umgekehrten Schlieffen-Plan zu entwickeln und durchzuführen, nämlich den Ostaufmarsch? Im Sinne einer "alternativen Geschichtsschreibung" dazu folgende Anmerkungen.
Politische Betrachtung:
Wenn es Krieg gebe würde, dann würde er aus dem Osten kommen. Das war die Doktrin der deutschen Außenpolitik. Frankreich wollte zwar in Teilen eine Revanche für 1870/71 (Rache für Sedan), aber das war nicht mehrheitsfähig. Es gibt keine Beweise dafür, dass die III. Republik das Deutsche Reich per se angreifen wollte. Demgegenüber war die Situation im Osten von vornherein instabil. Balkan-Krisen und -Kriege gaben sich die Klinke in die Hand, die Donaumonarchie stand vor dem Zerfall, im Zarenreich gab es vorrevolutionäre Stimmungen. Die deutsche Politik hätte das klarer sehen müssen. Dann hätte sie auch erkannt, dass Krieg oft ein Mittel war, um von innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken und das Volk zu sammeln und zu einen. Österreich-Ungarn wollte Krieg, vermutlich auch Russland. Frankreich wollte mehrheitlich keinen Krieg, Großbritannien ebenfalls nicht.
Militärische Betrachtung:
Hätte man hieraus im deutschen Generalstab die richtigen Schlüsse gezogen, so hätte man den Schlieffen-Plan gar nicht erst entwickeln dürfen. Denn er musste durch den militärisch notwendigen Bruch der belgischen Neutralität fast unweigerlich dazu führen, das Großbritannien -wie ja auch geschehen- in den Krieg gegen das Deutsche Reich eintritt.
Der von eine Minderheit deutscher Generalstäbler entwickelte , auf Moltke (dem Älteren) beruhende Ostaufmarsch, der offiziell 1913 ad acta gelegt wurde, sah in der Tat vor, im Westen zu halten und zumindest mit der Hälfte der operativen Kräfte, wenn nicht sogar mit der Masse der Armee in einer Art Blitzkrieg das Zarenreich niederzuwerfen. Wäre dies praktikabel gewesen?
Im Westen hätte man -unterstellt, Frankreich hätte überhaupt angegriffen- bei planmäßiger Räumung der Reichslande Elsass-Lothringen und der gesamten linksrheinischen Gebiete m.E. wohl gut verteidigen können. Der Rhein war eine natürliche Barriere. Wir sind im Jahre 1914, die Fliegerei steckte in den Kinderschuhen, es gab keine Luftlandetruppen. Allerdings nicht mit einer Armee, sondern man hätte wohl schon in etwa die Hälfte der vorhandenen 2 Millionen Mann des Heeres von 1914 einsetzen müssen. Ein Scheitern durfte es nicht geben. Hätte die französische Armee das Ruhrgebiet auch nur vorübergehend besetzt, wäre der Krieg zu Ende gewesen.
Im Osten hätte das Kaiserreich damit aus dem Stand etwa 1 Million gut ausgebildeter Soldaten einsetzen können, die jede russische Armee in offener Feldschlacht geschlagen hätten. Das belegt Tannenberg, wo sogar unterlegene deutsche Kräfte einen großen Sieg errungen haben. Hierdurch wären die katastrophalen Menschen- und Materialverluste des Bündnispartners Österreich-Ungarn schon 1914 wohl nicht eingetreten. Was man angesichts der Weite des Landes und der Verkehrsinfrastruktur, die rückschrittlich war, und der mangenden Motorisierung auch der kaiserlichen Armee wohl nicht erreicht hätte, wäre die schnelle Besetzung weiter Landesteile oder gar die Eroberung Moskaus. Dies wäre m.E. aber gar nicht erforderlich gewesen, um Russland militärisch auszuschalten. Das Zarenreich wollte offensiv werden und ist ja bekanntlich auch tief nach Ostpreußen eingedrungen. Ich erinnere an die russische Medaille "Zum Einzug in Berlin" aus dem Jahre 1914. Insoweit lag die Situation anders als 1812, wo sich die russische Armee geplant ins Landesinnere zurückgezogen und auch bei Borodino kurz vor Moskau nur widerwillig gegen Napoleon gekämpft hat.
Fazit:
Der umgekehrte Schlieffen-Plan oder Ostaufmarsch wäre m.E. die bessere Wahl gewesen, um einen Zweifrontenkrieg noch 1914 zu entscheiden. Mit einer Million Mann und dem gesamten k.u.k.-Heer hätte es möglich sein müssen, die zaristische Armee weitestgehend auszuschalten. Evtl. wäre das Zarenreich politisch zusammengebrochen oder hätte gleich Frieden geschlossen. Jedenfalls wäre es nicht mehr zu offensiven Operationen in der Lage gewesen. Die freien Kräfte hätten dann gegen Frankreich eingesetzt werden können, so das überhaupt noch erforderlich gewesen wäre. Vielleicht hätte Frankreich, nachdem die zaristische Armee ausgeschaltet worden wäre, auch die Friedensfühler ausgestreckt. England wäre ja vermutlich ohne den durch Deutschland erfolgten Bruch der belgischen Neutralität seinerseits neutral geblieben. Es gibt leider kaum Quellen, warum der Ostaufmarsch, der in der Grundidee immerhin auf den "grossen" Moltke zurückgeht, nicht umgesetzt wurde. Angst, in Russland das Schicksal Napoleons zu erleiden? Angst, das Ruhrgebiet aufs Spiel zu setzen und damit den Krieg an einem Tag zu verlieren? Einseitige Fixierung auf den "Erzfeind" Frankreich? Politische Zwänge und Probleme? Die angedachte Räumung Ostpreußens wäre sicher leichter durchsetzbar gewesen als die Räumung der gesamten linksrheinischen Gebiete. Anyway, m.E. konnte der Schliefen-Plan nicht funktionieren. Mit dem Ostaufmarsch hätte aber eine realistische Chance bestanden, den Krieg 1914 siegreich zu beenden.
Ich möchte mich stattdessen näher mit der Konzeption an sich befassen. Wäre es militärisch gesehen nicht aussichtsreicher gewesen, sozusagen den umgekehrten Schlieffen-Plan zu entwickeln und durchzuführen, nämlich den Ostaufmarsch? Im Sinne einer "alternativen Geschichtsschreibung" dazu folgende Anmerkungen.
Politische Betrachtung:
Wenn es Krieg gebe würde, dann würde er aus dem Osten kommen. Das war die Doktrin der deutschen Außenpolitik. Frankreich wollte zwar in Teilen eine Revanche für 1870/71 (Rache für Sedan), aber das war nicht mehrheitsfähig. Es gibt keine Beweise dafür, dass die III. Republik das Deutsche Reich per se angreifen wollte. Demgegenüber war die Situation im Osten von vornherein instabil. Balkan-Krisen und -Kriege gaben sich die Klinke in die Hand, die Donaumonarchie stand vor dem Zerfall, im Zarenreich gab es vorrevolutionäre Stimmungen. Die deutsche Politik hätte das klarer sehen müssen. Dann hätte sie auch erkannt, dass Krieg oft ein Mittel war, um von innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken und das Volk zu sammeln und zu einen. Österreich-Ungarn wollte Krieg, vermutlich auch Russland. Frankreich wollte mehrheitlich keinen Krieg, Großbritannien ebenfalls nicht.
Militärische Betrachtung:
Hätte man hieraus im deutschen Generalstab die richtigen Schlüsse gezogen, so hätte man den Schlieffen-Plan gar nicht erst entwickeln dürfen. Denn er musste durch den militärisch notwendigen Bruch der belgischen Neutralität fast unweigerlich dazu führen, das Großbritannien -wie ja auch geschehen- in den Krieg gegen das Deutsche Reich eintritt.
Der von eine Minderheit deutscher Generalstäbler entwickelte , auf Moltke (dem Älteren) beruhende Ostaufmarsch, der offiziell 1913 ad acta gelegt wurde, sah in der Tat vor, im Westen zu halten und zumindest mit der Hälfte der operativen Kräfte, wenn nicht sogar mit der Masse der Armee in einer Art Blitzkrieg das Zarenreich niederzuwerfen. Wäre dies praktikabel gewesen?
Im Westen hätte man -unterstellt, Frankreich hätte überhaupt angegriffen- bei planmäßiger Räumung der Reichslande Elsass-Lothringen und der gesamten linksrheinischen Gebiete m.E. wohl gut verteidigen können. Der Rhein war eine natürliche Barriere. Wir sind im Jahre 1914, die Fliegerei steckte in den Kinderschuhen, es gab keine Luftlandetruppen. Allerdings nicht mit einer Armee, sondern man hätte wohl schon in etwa die Hälfte der vorhandenen 2 Millionen Mann des Heeres von 1914 einsetzen müssen. Ein Scheitern durfte es nicht geben. Hätte die französische Armee das Ruhrgebiet auch nur vorübergehend besetzt, wäre der Krieg zu Ende gewesen.
Im Osten hätte das Kaiserreich damit aus dem Stand etwa 1 Million gut ausgebildeter Soldaten einsetzen können, die jede russische Armee in offener Feldschlacht geschlagen hätten. Das belegt Tannenberg, wo sogar unterlegene deutsche Kräfte einen großen Sieg errungen haben. Hierdurch wären die katastrophalen Menschen- und Materialverluste des Bündnispartners Österreich-Ungarn schon 1914 wohl nicht eingetreten. Was man angesichts der Weite des Landes und der Verkehrsinfrastruktur, die rückschrittlich war, und der mangenden Motorisierung auch der kaiserlichen Armee wohl nicht erreicht hätte, wäre die schnelle Besetzung weiter Landesteile oder gar die Eroberung Moskaus. Dies wäre m.E. aber gar nicht erforderlich gewesen, um Russland militärisch auszuschalten. Das Zarenreich wollte offensiv werden und ist ja bekanntlich auch tief nach Ostpreußen eingedrungen. Ich erinnere an die russische Medaille "Zum Einzug in Berlin" aus dem Jahre 1914. Insoweit lag die Situation anders als 1812, wo sich die russische Armee geplant ins Landesinnere zurückgezogen und auch bei Borodino kurz vor Moskau nur widerwillig gegen Napoleon gekämpft hat.
Fazit:
Der umgekehrte Schlieffen-Plan oder Ostaufmarsch wäre m.E. die bessere Wahl gewesen, um einen Zweifrontenkrieg noch 1914 zu entscheiden. Mit einer Million Mann und dem gesamten k.u.k.-Heer hätte es möglich sein müssen, die zaristische Armee weitestgehend auszuschalten. Evtl. wäre das Zarenreich politisch zusammengebrochen oder hätte gleich Frieden geschlossen. Jedenfalls wäre es nicht mehr zu offensiven Operationen in der Lage gewesen. Die freien Kräfte hätten dann gegen Frankreich eingesetzt werden können, so das überhaupt noch erforderlich gewesen wäre. Vielleicht hätte Frankreich, nachdem die zaristische Armee ausgeschaltet worden wäre, auch die Friedensfühler ausgestreckt. England wäre ja vermutlich ohne den durch Deutschland erfolgten Bruch der belgischen Neutralität seinerseits neutral geblieben. Es gibt leider kaum Quellen, warum der Ostaufmarsch, der in der Grundidee immerhin auf den "grossen" Moltke zurückgeht, nicht umgesetzt wurde. Angst, in Russland das Schicksal Napoleons zu erleiden? Angst, das Ruhrgebiet aufs Spiel zu setzen und damit den Krieg an einem Tag zu verlieren? Einseitige Fixierung auf den "Erzfeind" Frankreich? Politische Zwänge und Probleme? Die angedachte Räumung Ostpreußens wäre sicher leichter durchsetzbar gewesen als die Räumung der gesamten linksrheinischen Gebiete. Anyway, m.E. konnte der Schliefen-Plan nicht funktionieren. Mit dem Ostaufmarsch hätte aber eine realistische Chance bestanden, den Krieg 1914 siegreich zu beenden.
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