Wenn man das Thema dieser für dieses Jahr angekündigten neuen 2-€-Gedenkmünze aus Belgien liest, kommen einem (so erging es zumindest mir) Assoziationen zu den europa- aber auch weltweiten Studentenbewegungen der 60er Jahre hoch. Die Generation der
68er befasste sich kurz zusammengefasst mit angestrebten gesellschaftlichen Veränderung und war geprägt von Stichworten wie Bürgerrechtsbewegungen (in Amerika), Vietnamkrieg (auch in Europa), Schahprotesten und "Weg mit dem Establishment" und "Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren", um es auf diese Punkte runterzubrechen, und wurde überwiegend von politisch links ausgerichteten Gesellschaftskreisen gefördert .
Dieses Ansinnen hat das von Belgien gewählte Thema der Münze meiner Ansicht nach nicht.
Hier geht es vielmehr um den über 100 Jahre alten
Sprachenstreit in Belgien, der im Jahre 1968 in einer Studentenrevolte rund um die Universität von Löwen (
Leuven Vlaams / Louvain-la-Neuve) gipfelte, wie bereits
minted oben erläuterte.
Daher hier diese
Hintergrundinformationen
Flämisch-wallonischer Konflikt
Als flämisch-wallonischer Konflikt wird der seit dem 19. Jahrhundert andauernde Streit zwischen den niederländisch- und den französischsprachigen Einwohnern des Königreichs Belgien bezeichnet. Die niederländischsprachigen Belgier konzentrieren sich weitestgehend auf Flandern und werden als Flamen bezeichnet, auch wenn sich die relativ wenigen in der offiziell zweisprachigen Region Brüssel-Hauptstadt lebenden Niederländischsprachigen nur zum Teil als Flamen ansehen. Mehr als drei Viertel der französischsprachigen Belgier, die auch als Frankophone bezeichnet werden, wohnen in der Wallonischen Region (nur diese werden als Wallonen bezeichnet), sie stellen aber auch in der zweisprachigen Region Brüssel-Hauptstadt die große Mehrheit und überwiegen zudem nach starkem Zuzug ins Brüsseler Umland in den vergangenen Jahrzehnten in sechs Gemeinden, die an die Region Brüssel grenzen und zu Flandern gehören.
[...]
Die Anfänge
Es gab zahlreiche politisch motivierte Versuche, ein „flämisches“ oder „wallonisches“ Volk in der früheren Geschichte auszumachen. Ein Beispiel eines solchen politischen Mythos ist die Goldene-Sporen-Schlacht: Ein flämisches Infanterieheer von Bauern und Zunftmitgliedern schlug 1302 ein französisches Ritterheer, was in flämisch-nationalen Kreisen oft als früher Beleg eines Sprachen- und Kulturkonfliktes gedeutet wird. Dabei wird übersehen, dass das Herzogtum Brabant, weitgehend niederdeutschsprachig, auf Seiten des französischen Königs stand, und die Grafschaft Namur, deren Soldaten französischsprachig waren, auf Seiten des flämischen Bauernheeres kämpfte. Im Prinzip ist der flämisch-wallonische Konflikt nicht älter als der belgische Staat und spitzte sich vor allem im 20. Jahrhundert zu.
[...]
Universität – Leuven Vlaams / Louvain-la-Neuve
Die Universität in Löwen, das im flämischen Gebiet liegt, hatte eine französisch- und eine niederländischsprachige Abteilung. Die Flamen forderten eine einsprachige (niederländischsprachige) Universität. Während der Studentenrevolten im Mai 1968 eskalierte dieser flämisch-wallonische Konflikt. Er wurde damit beendet, dass die französischsprachige Abteilung der Universität Löwen (Université catholique de Louvain (UCL)) 1971 nach Wallonien verlegt wurde – in eine hierfür neu gegründete Retortenstadt: Louvain-la-Neuve oder auf Deutsch „Neu-Löwen“, die erste Stadtgründung in Belgien seit jener von Charleroi 1666.
[...]
Entwicklung seit 2007
Die politischen Parteien in den beiden Landesteilen sprechen nur ihre jeweils eigene Sprachbevölkerung an. Es gibt zwar eine Zusammenarbeit mit der „ideologischen Schwesterpartei“ aus der jeweils anderen Landeshälfte, aber in den letzten Jahrzehnten sind die politischen Meinungsunterschiede größer geworden.
Die meisten politischen Debatten in Belgien erhalten bereits kurz nach ihrem Entstehen einen sprachpolitischen Aspekt (frz. aspect communautaire oder ndl. communautair aspect). Ein aktuelles Beispiel hierfür war der Streit über die Lärmbelastung in der Umgebung des Brüsseler Flughafens, in dem sich die belgischen Gemeinschaften gegenseitig beschuldigten, ihre jeweilige Bevölkerungsgruppe zu Lasten der anderen Einwohner schützen zu wollen. Im Laufe der Jahre entstand so ein hochkomplexes Dossier über Abflugstrecken und Schallpegel, inklusive Gerichtsurteilen und Gesetzestexten.
[...]
Die Belgier leben zwar in einem gemeinsamen Staat, aber es werden – anders als früher – nur die Medien der jeweils eigenen Landeshälfte in der jeweiligen Sprache genutzt. Die Namen der öffentlichen Sender haben sich ebenfalls geändert: VRT (Vlaamse Radio en Televisie), RTBF (Radio-Télévision Belge de la communauté Française). Der Nachteil dieser Aufspaltung ist, dass zahlreiche öffentliche Debatten nur in einer Landeshälfte geführt werden.
[...]
Quelle und mehr: Flämisch-wallonischer Konflikt – Wikipedia
Mir persönlich ist nicht klar, was die belgischen Verantwortlichen mit der Ausgabe dieser Münze mit dieser Thematik bezwecken wollen. Soll hier nur eines gesellschaftpolitischen Ereignisses gedacht werden (>> "Gedenkmünze") oder stecken andere Überlegungen dahinter?
Wie man den oben zitierten Informationen entnehmen kann, ist die Gesamtthematik durchaus heikel und birgt mitten in Europa gerade auch heute Sprengstoff für Konflikte.