Besuch Münzstätte Karlsruhe

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Vor ein paar Tagen war der BNN (= Badische Neueste Nachrichten - die sind wirklich aktuell!) Reporter Dirk Neubauer in der Münzstätte Karlsruhe und hat uns von seinen Erfahrungen in seinem Artikel berichtet:


In der Münze wird mit Plastikgeld bezahlt

Von unserem Redaktionsmitglied Dirk Neubauer
Die schwere Eisentür quietscht. Dahinter verbirgt sich ein wunderschöner Innenhof. Die schweren Sandsteinmauern blocken den Verkehrslärm der Karl- und Stephanienstrasse ab. Die Büste Friedrich Weinbrenners leuchtet im milden Morgensonnenlicht. Er war der Architekt dieser historischen Fabrik, deren Grund¬stein 1826 gelegt wurde.
Schon an der Pforte wird klar, dass hier etwas Wertvolles entsteht: Die Panzerglasscheibe am Eingang der Staatlichen Münze ist dick; überall leuchten rechteckige Kontrolllämpchen. Am Computer nimmt ein Mitarbeiter die Personalien des Besuchers auf. „Bitte geben Sie noch ihren Geldbeutel ab." Die 29 Mitarbeiter der Münze kennen diese Prozedur. Auch ihre Portemonnaies kommen in Schließfächer. Drinnen, wo millionenfach Münzen und Medaillen herumliegen, bezahlen sie ihren Kaffee oder Imbiss mit schnödem farbigen Plastikgeld. Das sieht aus wie die Chips für den Einkaufswagen im Supermarkt.
Noch klimpert aber kein Metall. Stattdessen knarren die sehr schmalen Stufen einer alten Holztreppe - zu Weinbrenners Zeit hatten die Menschen noch kürzere Beine. Oben, im Dachgeschoss, warten Gerd Engel und Peter Huber. Der eine ist der Chef der Staatlichen Münzen Baden-Württemberg, der andere sein Stellvertreter. Beide sind die Herren der Münzen.

Sie erzählen vom „G" auf den Münzen, das seit der Reichsgründung 1871 für die Prägestätte Karlsruhe steht. Sie erklären den Unterschied zwischen Münze und Medaille. Beide werden in Karlsruhe hergestellt; letztere ist aber kein Zahlungsmittel. Huber und Engel haben keine Sorge, dass den Münzstätten im Land die Arbeit aus-geht. „Die Einführung von Plastikgeld hat nicht einen Abwärtstrend beim Münzgeld bewirkt."
Die Theorie ist spannend; aber natürlich will der Besucher jetzt das Geld sehen. Wieder knarrt die Holztreppe. Ein Etage tiefer klackern die Schuhabsätze auf den Stufen einer Stahltreppe. Hier riecht es immerhin nach Maschinenöl. Geld liegt hier aber immer noch nicht herum, obwohl die vielen Holzkisten mit Hinweisen -von ein Cent bis zwei Euro - beschriftet sind.
Münze-KA-Engel.jpg
„Hier kommen die fertigen Rohlinge an", erklärt Engel, der seit über 30 Jahren in der Staatlichen Münze arbeitet. Per Lastenaufzug - jede Kiste wiegt immerhin 600 Kilogramm -geht's abwärts in den Keller. Dort zwickt ein Arbeiter mit der Beißzange die Plomben ab und zieht Proben.
Engel packt derweilen beherzt zu: Sieben Tonnen wiegt die rote Stahltür, die den Tresor verschließt. „Selbst die Deutsche Bundesbank in Frankfurt hat kleinere Einflügeltüren", sagt Engel stolz.
Der Tresor befindet sich unter dem Innenhof, dort, wo die Büste des weltbekannten Architekten des Klassizismus steht. „Der Weinbrenner bewacht unseren Tresor", schmunzelt Engel. Rohlinge lagern darin in Holzkisten, fertiges Geld in Stahlcontainern. Grell ist das Neonlicht; doch auch hier blitzt kein Metall.

Im Prägesaal, dem Herzen der Fabrik, ist es endlich zu sehen: Geld, Geld, Geld. Engel greift in einen Stahlcontainer und fischt ein
blitzblankes neues Ein-Cent-Stück heraus. Es ist sogar noch etwas warm.
745 Stück prägt der Stempel gerade pro Minute. Das Auge kommt da nicht mehr mit und sieht nur noch die Vibrationen des Werkzeugs. Mit 50 Tonnen schlägt der Prägestempel aufs Metall; bei den Zwei-Euro-Münzen sind es sogar 110 Tonnen. Wegen der Erschütterungen stehen unter dem
Saal etliche Stützen, damit erst gar keine Probleme mit der Statik entstehen.
Die Maschine arbeitet überraschend leise. Sie surrt eher und verursacht nicht mehr einen Radau wie die Prägetechnik aus dem vorigen Jahrhundert. Wie von Geisterhand setzt sich ein Förderband in Bewegung und transportiert einige der 250 000 Rohlinge, die in einem Bunker lagern, nach oben. In einem Trichter fahren
die Münzen Karussell - so gerät immer nur ein Rohling unter den Prägestempel. Die Fabrikation von Ein- und Zwei-Euro-Münzen ist komplizierter, weil es dort zwei Rohlinge gibt: ei¬nen goldfarbenen Ring und einen silberfarbenen Kern oder umgekehrt. Die Maschine bringt beide zusammen. Erst bei der Prägung werden beide Komponenten zu einer zweifarbigen Münze gepresst. Mitarbeiter wie Gerhard Seidl kontrollieren mit Lupe und Schiebelehre die Qualität des vielen Geldes. „Mit der Zeit ist es wie eine Ware. Es muss halt in Ordnung sein", sagt Seidl und zuckt mit den Schultern. Seit 39 Jahren arbeitet er in der Staatlichen Münze und kennt das Geld-Geschäft aus dem Effeff.

Es ist eine nette Mär, wonach bei den kleinen Münzen das Material mehr kostet als der Nennwert beträgt. Nur bei der 100-Euro-Goldmünze ist dies der Fall - die wird für Sammler aber auch teurer verkauft. Den „Gewinn" streicht bei allen Münzen der Bundesfinanzminister ein. Ein Staatshaushalt lässt sich so freilich nicht sanieren, denn die Deutsche Bundesbank legt den Bedarf fest.
Von den fünf deutschen Münzstätten - München, Stuttgart, Karlsruhe, Hamburg und Berlin - hat Karlsruhe einen Produktionsanteil von 14 Prozent bei den Münzen und 20 Prozent bei den Sammlermünzen. „In diesem Jahr werden in Karlsruhe annähernd 300 Millionen Stück hergestellt", schätzt Huber. Allein 2,4 Milliarden Münzen wurden im Vorfeld der Euro-Einführung in Karlsruhe geprägt.

Von der Fächerstadt aus werden Süddeutschland, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mit Hartgeld versorgt. Zuvor wird es wie eine Ware verpackt. Huber und Engel führen auch in diesen Maschinenraum. Der Geruch von verbranntem Kunststoff reizt die Nase. Geld rasselt in die Maschine der Bruchsaler Firma Reis und füllt einen Trichter. Flugs zählt die Maschine das Material, wickelt Papier darum. Fertig ist eine Rolle mit 25 Ein-Euro-Stücken. Der Apparat ist so flink, dass eine Rolle nach der anderen auf dem Förderband landet. Zur Kontrolle sausen sie über eine Waage.
Ein Tintenstrahldrucker sprüht das Herstellungsdatum auf, dann packt die Maschine mit einem Klacken mehrere Rollen zu einem Päckchen zusammen. Folie drum herum - schon ist das Geld eingeschweißt, wie die Tiefkühlkost der Hausfrau. Ein Roboter mit Saugarm schnappt sich die Päckchen und legt sie akkurat in einen Container. Ab damit in den Tresor, bis der Geldtransporter anfährt. Formal werden die Münzen erst zu Geld, wenn sie bei der Deutschen Bundesbank waren.

Am Ausgang gibt's das Portemonnaie mit dem eigenen Geld zurück. Zuvor tastet der Mitarbeiter mit einem Metalldetektor, wie am Flughafen, den Besucher ab. Kein Alarm. Die Tür wird geöffnet. Die Büste Friedrich Weinbrenners strahlt noch immer im Sonnenlicht. Und unter ihm lagern Millionen Münzen.


Historie der Münze

Am 9. Februar 1827 feierte Ludwig von Baden Geburtstag. Die Karlsruher Münze ging in Betrieb, und als Geburtstagsgeschenk gab's Fünf-Gulden-Goldmünzen mit dem Portrait des Monarchen.
Eine größere Münzproduktion war nötig geworden, nachdem Baden 1806 zum Großherzogtum wurde. Die letzten großherzoglichen Münzen wurden 1913 geprägt.
Ende 1949 stellten die Karlsruher aus Versehen 50-Pfennig-Münzen mit der Schrift „Bank Deutscher Länder" und der Jahreszahl 1950 her. Allerdings wäre laut Münzgesetz für diesen Jahrgang der Hinweis „Bundesrepublik Deutschland" korrekt gewesen -so entstanden wertvolle Sammlerstücke.
Seit 1998 firmieren die beiden Münzstätten Karlsruhe und Stuttgart als „Staatliche Münzen Baden-Württemberg". Die Prägeautomaten sind computergesteuert; anders als bei den anderen Münzstätten ist die Karlsruher Münze in einem historischen Gebäude untergebracht. nbr

-mit freundlicher Genehmigung der Redaktion Badische Neueste Nachrichten (BNN)-
 
745 Stück prägt der Stempel gerade pro Minute. Das Auge kommt da nicht mehr mit und sieht nur noch die Vibrationen des Werkzeugs. Mit 50 Tonnen schlägt der Prägestempel aufs Metall; bei den Zwei-Euro-Münzen sind es sogar 110 Tonnen.

Hallo Diwidat,

Ich war bisher noch nie bei einer Prägeanstalt, deshalb beeindrucken mich diese Informationen umso mehr, vor allem aber die Leistung der Maschinen: das ist ja Wahnsinn pur :eek: ! Zwar habe ich beruflich mit Werkzeugen und Maschinen für Metallbearbeitung zu tun; trotzdem kann ich es mir nur schwer vorstellen, was für ein Monster so ein Prägeatomat doch sein muss... bin einfach nur sprachlos...

Vielen Dank für diesen interessanten Bericht!

Gruß
Santik
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Hauch von Romantik weht durch die Zeilen :) Was war der Verfasser von Beruf?

Wenn man solche Beiträge liest, dann juckt es einem schon an so einer Führung teilzunehmen. Unsereins muss schon ein Visum beantragen, um eine Prägestätte zu erreichen.
 
Wenn man solche Beiträge liest, dann juckt es einem schon an so einer Führung teilzunehmen. Unsereins muss schon ein Visum beantragen, um eine Prägestätte zu erreichen.
Ein Glücklicher, der Münzen sammelt und bei einer Prägestätte arbeitet- Beruf und Hobby vereint :)

Gruß
Santik
 
@ Santik, genau mit Deiner Begeisterung für diese Maschinen (ich habe sie auch selbst gesehen) betrachte ich mir den Fred - "Fehlprägungen", bei dem die Sammler mit 60facher Vergrößerung nach minimalsten Abweichungen auf ihren Geprägen suchen und meterlange Abhandlungen darüber schreiben - auch darüber bin ich begeistert :schaem: manchmal.

@ Raphael, der Autor ist Journalist und sieht die Welt um sich mit anderen Augen als wir. Eine simple Münze bringt noch kein Leuchten in seine Augen.
Der Besuch der Münzstätte hat ihn aber sehr beeindruckt.
Er war sicherlich auch nicht dabei, als ein 2-Euro Stück mit echt goldener Pille mit Tempo 745/min geprägt wurde, :rolleyes: schade - er könnte uns darüber berichten.

Derjenige, der Münzen sammelte UND in eine Prägestätte arbeitete, hat später dann auch einige Zeit gesiebte Luft geatmet. Der muss da etwas verwechselt haben.
 
... Wenn man solche Beiträge liest, dann juckt es einem schon an so einer Führung teilzunehmen. Unsereins muss schon ein Visum beantragen, um eine Prägestätte zu erreichen.

Ein paar Forumsmitglieder (ich inklusive) waren erst letztes Jahr im November dort. Was hat Dich daran gehindert mitzukommen?

Ein Glücklicher, der Münzen sammelt und bei einer Prägestätte arbeitet- Beruf und Hobby vereint :)

Ich stelle mir das äußerst deprimierend vor, all die schönen Münzen (vor allem die fehlgeprägten) zu sehen und keine einzige davon in meine Sammlung hinzufügen zu dürfen. Dieser Umstand war schon schlimm genug bei der Führung letztes Jahr - würde ich dort arbeiten und die Münzen tagtäglich sehen, dann wäre das vermutlich so deprimierend, dass ich wohl aufhören würde Münzen zu sammeln.

... Derjenige, der Münzen sammelte UND in eine Prägestätte arbeitete, hat später dann auch einige Zeit gesiebte Luft geatmet. Der muss da etwas verwechselt haben.

Da verwechselst Du wohl etwas: Diejenigen, die später gesiebte Luft atmen durften, waren keine Sammler, sondern solche, die sich an Sammlern bereichern wollten.
 
Da verwechselst Du wohl etwas: Diejenigen, die später gesiebte Luft atmen durften, waren keine Sammler, sondern solche, die sich an Sammlern bereichern wollten.
Ein Bisschen hast Du recht, aber nicht ganz.
Die gesamte Story, von der ersten Anklage bis zum zweiten Urteil ist bei mir dokumentiert, da brauche ich nicht zu raten oder zu spekulieren.
Meine obige Aussage war bewusst allgemein gehalten.
 
Derjenige, der Münzen sammelte UND in eine Prägestätte arbeitete, hat später dann auch einige Zeit gesiebte Luft geatmet. Der muss da etwas verwechselt haben.
Ne, SO habe ich es gar nicht gemeint- DEN beneide ich auch nicht :D. Dafür aber um so mehr jemanden, der den ganzen Herstellungprocess einer Münze direkt vor Ort erleben darf: von den ersten Entwürfen auf Papier über Gipsmodelle, technische Ausrüstung und, und, und ... bis zu den ersten Probeprägungen, von einem einfachen Metallklumpen bis zu einem glänzenden Geldstück- all das, was man sonst nie erlebt, auch als Besucher nicht. Praktische Kenntnisse und eigene Erfahrungen sind für mich einfach wesentlich reizender als (nur) Theorie :)

Gruß
Santik
 
Ich stelle mir das äußerst deprimierend vor, all die schönen Münzen (vor allem die fehlgeprägten) zu sehen und keine einzige davon in meine Sammlung hinzufügen zu dürfen. Dieser Umstand war schon schlimm genug bei der Führung letztes Jahr - würde ich dort arbeiten und die Münzen tagtäglich sehen, dann wäre das vermutlich so deprimierend, dass ich wohl aufhören würde Münzen zu sammeln.

Oh ja das wäre echt schlimm :heul:. Ich würde zwar nicht aufhören Münzen zu sammeln, aber jeden Tag schweren Herzens von der Arbeit nach Hause gehen.
 
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