Zu Punkt 1 bis 3: Ungeteilte Zustimmung.Ich verstehe deinen Argumentationsstrang, ich kann ihm aber nur teilweise etwas abgewinnen.
Aus diesen Gründen:
Dein
Punkt 1. ist wohl so, wie du sagst.
Punkt 2. ist ja quasi wie Punkt 1.
Punkt 3. trifft sicherlich auf einige Firmen zu, aber längst nicht auf alle.
Punkt 4. ist ja gerade der längst überfällige Versuch der EZB, die Inflation wieder einzufangen.
Punkt 5. ist momentan wohl auch (noch) so, schauen wir mal, wie lange die Arbeitnehmerverbände sich das noch gefallen lassen. Ich habe da ja auch keine große Hoffnung.
Aber: Du behauptest im Anschluss folgendes mit Blick auf den Goldpreis: Durch die o.g. Punkte fehlt den Unternehmen und Privatpersonen Liquidität, welche sie mit Goldverkäufen versuchen zu decken. Du machst hier aber mehrere Annahmen, denen ich nicht sofort folgen würde:
1. (Weitaus) nicht alle Unternehmen und Privatpersonen (insbesondere die kleineren, für die jetzt die Energiepreise existenzbedrohend sind) haben einfach mal so Gold rumliegen, welches bei drohenden Kreditausfällen zur Verfügung steht. Und ich glaube auch nicht, dass, wie du sagst, alle Menschen dann an diesen Entscheidungen festhalten würden.
Außerdem müsste dies ja ein weltweites Phänomen sein, dass die Leute zu genau diesem Zeitpunkt durch eine Zinswende oder anstehende Anschlussfinanzierungen, die nicht mehr zu stemmen sind, genau jetzt an den Tresor müssen.
Wird es dieses Phänomen, das du schilderst, geben? Sicherlich, aber aus meiner Sicht nicht in einem Umfang, um den Goldpreis in dieser Form weltweit zu bewegen. Teilweise kann ich mir auch einfach vorstellen, dass sich momentan einige Institutionen nur Liquidität beschaffen, um dann schnell auf Außeneinflüsse reagieren zu können.
2. Wer Aktien auf Kredit oder mit leverage kauft, ist sehr dumm, oder sehr risikobereit. Ich glaube, dass dies nur von sehr sehr wenigen Leuten gemacht wird, die ausgesprochen gierig sind. "Normale" Privatpersonen oder Firmenchefs sichern so nicht ihre Finanzen ab. Diejenigen, die so ein Risiko eingehen, haben dann vermutlich auch von vorneherein kein Gold, um sich abzusichern.
Außerdem:
Um einen margin call zu kriegen, und wie du sagst, dann mit Geld aus Goldverkäufen nachzuschießen, müssen aber kurz vorher die Aktien (relativ stark) gefallen sein. Das ist zur Zeit nicht der Fall. Es gab seit dem Crash Anfang 2020 eine schnelle Erholung, und seitdem eine ziemliche Seitwärtsbewegung. Für den Einzelnen ist das sicherlich immer möglich, aber zur Zeit sehe ich das nicht auf breiter Front.
Ich sehe es eher so:
Die Tiefststände an den Aktienmärkten wurden gesehen (zumindest denken das einige - keine Ahnung ob das auch so ist). Dadurch wird umgeschichtet, und im Zuge einer weiter steigenden Inflation wird versucht, in Sachwerte zu investieren, die das Potenzial haben, mit dieser mitzuhalten, oder sie zu übertreffen.
Andere Länder, insb. die USA, die ja weiterhin einen Großteil der Unternehmenswerte in Aktien ausmachen, etc., schaffen es ja schließlich auch, ihre Unternehmen mit günstiger Energie zu beliefern, da sie keine ideologie- und parteigetriebenen Weltenretter als Wirtschaftsminister haben.
Auf privater Ebene in Deutschland wird es sicherlich sehr schmerzhaft, wenn man sich Immobilien gekauft hat, die jetzt eine Anschlussfinanzierung benötigen. Aber das ist dann auch keine Momentaufnahme, sondern wird sich eher auch laufend in den nächsten Jahren zeigen.
Zu Punkt 4: Es ist ja nicht so, als wären die Zentralbanken von Geldmengensteigerungen und Teuerung überascht worden: die Geldmengen haben sie selbst gesteigert und damit die Teuerung ausgelöst. Und das übrigens schon lange vor dem Ukraine-Krieg.
Zu Punkt 5: Sobald die Arbeitslosenzahlen steigen, sobald die Branchen, die in den letzten Jahren geboomt haben zurückfahren müssen ist erst mal ein Umfeld für Lohnsteigerungen geschaffen worden, das ungünstiger kaum sein kann.
Die Gewerkschaften sind schwach. Das hat gute Gründe. Ein Blick auf die Lohnzuwächse der "fetten" Jahre lässt die Gründe zumindest der Höhe nach erkennen. Wer also noch glaubt, dass Gewerkschaftsbosse was für Arbeitnehmer tun, der kann auch genau so gut glauben, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Wenige Ausnahmen, so wie in der Vergangenheit (Beispiel: Lockführer) werden genau das auch weiterhin bestätigen.
Auch klar, dass irgendwann die gesamtgesellschaftliche Stimmung derart aufgeheizt sein wird, dass wilde Arbeitsniederlegungen und Streiks in der Luft liegen werden und die Menschen vor lauter Wut Schaum vorm Mund haben. Auch klar, dass die, die auf die Straße gehen keine typischen / klassischen Goldkäufer sind.
Einen Punkt sehe ich 100 % anders, als Du:
Aktien: die realen Tiefststände an den Aktienmärkten wurden noch nicht einmal ansatzweise gesehen. Die Währung kann man ja, wie in Zimbabwe, bis ins unendliche entwerten und so Aktienindices auf nahezu jeden beliebigen Stand bringen (ich schreibe bewusst von Aktienindices, weil Aktien bankrott gegangener Firmen werden ja aus den Indices genommen und durch andere ersetzt und die Nonvaleurs beliben auch bei beliebiger Inflationierung auf dem Kurs von Null komma Null.
Von der Größenordnung her wird folgendes geschehen: der DOW wird im Bereich seines Tiefpunkts etwa bei einer Unze Gold notieren. Es können, was den DOW angeht, auch 0,5 Unzen oder 2 Unzen sein. Irgendwo in dieser Region wird ein Boden liegen, der dann auch hält.
Wer bei 3 Unzen einsteigt, wird, wenn er 30 Jahre durchhält, immer noch das Geschäft seines Lebens machen, wer bei Gelegenheit noch billiger kauft und durchhält, kann und wird das toppen.
Nun zu den Goldkäufern:
klar, da werden auch "kleine Leute" dabei sein: selbst der Arbeiter, der jetzt noch jeden Monat einen Fuffi sparen kann aber schon ein paar tausend auf der hohen Kante hat (aber davon kaufen nur sehr, sehr wenige, obgleich Gold das einzige sein wird, was deren Ersparnisse retten und sie flüssig bleiben lassen kann), kleine und mittlere Angestellte, Leute mit 2.000 bis 5.000 netto (davon schon durchaus ein gewisser Prozentsatz, aber was die Anzahl der Unzen angeht, immer noch viel, viel weniger als 5 %). Und dann halt der Rest der "Einkommenspyramide": leitende Angestellte, Unternehmer mittlerer und gehobener Größenordnung. Wenn die den Banken und Versicherungen den Stuhl vor die Türe stellen und, nachdem sie bereits 3/4 ihrer realen Geldwert-Vermögenssubstanz eingebüßt haben, endlich ihre bequemen Hintern in Bewegung setzen - dann sind die ersten 10 bis 20 Prozent voll. Den Rest holt sich das Großkapital. Leute ohne Schulden und mit mehreren hundert Millionen Euro Geldwertvermögen. Auch die wollen, obgleich sie wohl Netto-Milliardäre sind, auch den Wert ihrer Geldvermögen retten. Gerade die laufen ungern sehenden Auges in ein Messer. Die zahlen daher nahezu jeden Preis, kaufen jeden, der sich über den Preis zum Verkaufen verlocken lässt, aus. Dadurch sehen wir, wenn der Gesetzgeber keine Riegel vorschiebt, Kurse, bei denen selbst ich noch das Staunen lerne. Und bei der letzten Gruppe müssen es sehr viele Riegel sein und die Regierungen müssen, um die an der Kapitalflucht zu hindern, international zusammenarbeiten, weil diese Leute traditionell global denken, also in sehr vielen Ländern Guthaben und Vermögenswerte besitzen.
Was größere, kreditfinanzierte Anschaffungen im Immobiliensektor angeht: 100 % Zustimmung. Da wird es für viele Schuldner sehr, sehr eng werden. Inflationszeiten sind, so paradox das klingen mag, immer dadurch gekennzeichnet, dass trotz hoher Preissteigerungen Geld knapp wird. Eben weil Löhne in wirtschaftlich schlechten Zeiten meist weniger steigen, als Preise für Dinge, die man ganz einfach kaufen muss, um weiter leben und arbeiten zu können. Aber wie gesagt: wer Schulden hat, wird nicht zu den Leuten gehören, die durch Käufe dafür sorgen, dass der Goldpreis steigt. Und dennoch werden die Schuldner den finalen Goldpreisanstieg auslösen. Und zwar dadurch, dass immer mehr ihre Zinsen und Tilgungen (=Schuldendienst) nicht leisten können. Das Großkapital merkt das bereits, bevor die meisten Angestellten und Unternehmer das als eine ernste Gefahr für ihre Sparguthaben erkennen. Neben deren Finanzkraft ein weiterer Grund dafür, dass sich genau dort das Gold konzentrieren wird.
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