Ein geheimnissvoller Sesterz

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Als ich mich vor einiger Zeit mit der Frage beschäftigte , welche Funde an römischen Münzen es hier oben im finstersten Barbaricum, Abteilung Norwegen,gibt, stiess ich auf einen Zeitungsartikel, in dem erwähnt wurde, dass im Gokstad- Schiff ( Gokstad-Schiff – Wikipedia ) ein Nero- Sesterz mit einem Durchmesser von 5 cm gefunden wurde. Das Gokstad- Schiff ist heute im Wikingerschiffmuseum in Oslo zu sehen. Bisher fand ich das Fram- Museum immer interessanter und habe die Wikinger links, respektive rechts ( das Wikingermuseum liegt auf der rechten Strassenseite ) liegen lassen . Nun steht jedoch ein Programmbesuch beim nächsten Besuch in der Hauptstadt fest.

Eine Anfrage an Radio Erewan, bzw. an das Münzkabinett des Kulturhistorischen Museums, ob es wahr sei, dass im Gokstadschiff ein Nerosesterz mit einem Durchmesser von 5 cm gefunden worden sei, ergab zur Antwort, dass dies im Prinzip stimme, aber erstens sei der Fund nicht im Schiff, sondern in einem der Erdhügel, die beim Freilegen des Schiffes angehäuft wurden gemacht worden, zweitens handele es sich um einen Sesterz des Claudius ( RIC 96, 112 ;Kamp 12.22) mit dem Gegenstempel NCAPR , der Nero zugeordnet wird und drittens läge der Durchmesser im Rahmen dessen, was man bei einem Sesterz des 1. Jahrhunderts erwarten dürfe. 35 mm statt 50 mm also. Im Artikel, der 2008 anlässlich der Ausstrahlung der zweiten “ Rome “ – Staffel erschienen war, ging es auch primär nicht um Numismatik, sondern um die Frage, ob “ Norweger “ in den römischen Legionen gedient haben könnten. Der Journalist hatte sich also vertan. Ein Glück, denn dadurch wurde meine Neugier geweckt.

Die Frage, wie ein römischer Sesterz aus dem 1. Jahrhundert in den Dunstkreis eines der wichtigsten Wikingergräber aus dem 9. Jahrhundert geraten ist, ist sehr interessant. Der hiesige Numismatiker Svein Gullbekk, u.a, Verfasser des sehr lesenswerten Buches zur Geschichte des Goldes ( “ Money that changed the world “ ), hatte vor en paar Jahren einen Artikel über den “ Gokstad- Sesterz “ verfasst ( Keiser Claudius i Gokstadhaugen (Emperor Claudius in the Gokstad burial mount))

Der Claudius- Sesterz aus dem Umfeld des Schiffes ist einer von nur wenigen unedlen Römermünzen, die hier oben gefunden wurden, den Löwenanteil bilden Denare aus dem 1. und 2. Jahrhundert. Barbaren sind eben Edelmetallbugs ( was im Umkehrschluss nicht bedeuten soll, dass Edemetallhorter Barbaren sind ). Doch was heisst schon Löwenanteil ? Ca 200 römische Fundmünzen sind bisher in Norwegen bekannt, in ganz Skandinavien sind es ca 15.000. Im Vergleich zu Deutschland sicher lächerliche Zahlen.

Über die Rolle, die einer Münze zukam , deren monetärer Wert beim Verlassen ihres Ausgabegebietes vermutlich auf Null fiel, gibt es , so Gullbekk, mehrere Theorien. Eine Verwendung als Gewicht ist denkbar, ebenso wie eine Anwendung als Amulett, Schmuck oder Charonspfennig.

Für die letztere Möglichkeit könnte der Fundort sprechen, das Grab eines wohlhabenden Angehörigen der Oberklasse, gut möglich, das eine fremde Münze ohne monetäre Eigenschaften in so einem Umfeld bis zu 800 Jahre überdauern kann.

Aber gibt es auch eine andere Erklärungsmöglichkeit ? Die Ausgrabung des Gokstad-Schiffes fand 1880 im Zwielicht von privater Raubgrabung und öffentlichem Engagement statt. Die Söhne des Grundbesitzers fingen einfach an zu buddeln, dann wurden die Behörden aktiv und übernahmen die Regie. Zum Glück, von privater Hand wäre so ein Fund nicht zu konservieren gewesen. Hier kann man nun wirklich von nationalem Kulturgut und dem Vorrang öffentlicher Interessen sprechen. Von einer Münze war 1880 aber gar nicht die Rede, überhaupt war der Gokstadfund sehr arm an Metallen, aller Voraussicht nach, wurde das Grab schon vor Jahrhunderten geplündert. Wurde der vielleicht als wertlos erachtete Sesterz dabei einfach weggeworfen ?

Oder gibt es noch eine Erklärung ? Als “ im Grabungsbereich des Gokstadhügels “ gefunden, wurde der Claudius- Sesterz “ 1897 vom Münzkabinett registriert. Wurde das Stück dort von einem Schaulustigen verloren ? Gullbekk bemerkt, dass es um 1880 keinen bekannten privaten Antikesammler in Norwegen gab. Wurde die Münze gar absichtlich dort plaziert. ? Gullbekk nimmt hier kurz die Söhne des Grundbesitzers ins Visier. Beide waren zur See gefahren und Seeleute bringen gern exotische Andenken von ihren Reisen mit, das beste Beispiel ist Harry Rosenberg, dessen Münzhandel aus dem Kuriositätenkabinett entstand, in dem er einst auf der Hamburger Reeperbahn alles von der Rauschemuschel bis zum ausgestopften Insulanerhintern verkauft hat. Eine alte Römermünze würde in so ein Schema durchaus passen. Doch zur See fuhr in der Gegend des Gokstadhofes damals so gut wie jeder, so dass es sinnlos ist, den Verdacht auf bestimmte Personen zu lenken. Wie diese Münze an ihren Fundort gelangte, wird immer ein Geheimnis bleiben.

Klarer Fall, dass ich natürlich nun auch so eine Münze haben wollte. Der Claudius- Sesterz von diesemTyp ist an sich ist sehr häufig. Geprägt wurde das Stück vermutlich im ersten Jahr nach Claudius Regierungsantritt, also etwa 41 bis 42. Das Revers zeigt die Inschrift “ EX S C OB CIVES SERVATOS “ , was aufzulösen ist als “ Auf Senatsbeschluss für die Errettung von Bürgern “.Umgeben ist die Inschrift von einem Kranz aus Eichenlaub, der Auszeichung für die Errettung von Zivilisten. Der Grund für eine Münzprägung dieser Art , ist eher grimm und wirft ein Licht auf die Mechanismen, die der Machtwechsel in der frühen Kaiserzeit nach sich zog. Um den persönlichen Reichtum und damit die eigene Macht zu sichern, lies ein neuer Kaiser Proskriptionen vornehmen. Unliebsame konnten so beseitigt werden, unliebsame Reiche noch viel lieber. Wer dem entkam, hatte Grund zur Dankbarkeit.

Seltener ist so ein Stück schon mit der Gegenstempelung NCAPR. Die Abkürzung ist aller Wahrscheinlichkeit mit “ Nero Caesar Augustus Probavit “( Unter Nero, Caesar und Augustus für gut befunden ) aufzulösen und stellt eine Bestätigung der verlängerten Kursgültigkeit da, jedoch gibt es auch die Deutungsmöglichkeit, wonach PR mit “ Populo Romano “ aufzulösen ist, was auf ein Geldgeschenk Neros an den Plebs hinweisen würde.

Mein “ Gokstad – Sesterz “ könnte zum Ausgangspunkt einer Römersammlung werden, die versucht, die hiesige Fundsituation nachzustellen. Das Münzkabinett hat vor, 2017 eine Übersicht aller bisher bekannten Funde zu veröffentlichen. Eine Schwierigkeit könnte möglicherweise im Zustand der Münzen liegen , schaut man sich die Galerie des Metalldetektorverbandes an (Mynter Romerske | Produktkategorier | Norges Metallsøkerforening | Museum ) , wird die Problematik ersichtlich. Interessant erscheint mir die Idee aber auf jeden Fall.
 

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Super Beitrag!
Ich bin immer wieder erstaunt über das fundiertes Wissen, über das hier einige Mitglieder verfügen.
Chapeau!
 
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