Frage zur deutschen Münzgeschichte 19. Jhdt.

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Guten Tag Forum,


wenn man die Gedanken treiben läßt, kommen einem oft interessante Fragen...

Heutzutage ist ja die Ausgabe der Sonder- und Gedenkmünzen eine ziemlich professionell durchorganisierte Angelegenheit zum Wohle des Sammlers und zum Wehe von dessen Geldbörse.
Bei besagtem Grübeln kam ich auf die Frage, wie man sich die Münzausgabe im 19. Jahrhundert vorstellen kann; sowohl zu Taler-Zeiten als auch später zu Mark-Zeiten gab es ja schon Münzen zu besonderen Anlässen, Jahrestagen und dergleichen.
Sind die - ähnlich wie heute - über die Banken und Händler den Sammlern "zugespielt" worden und deshalb kaum in Umlauf gekommen?
Ab wann gab es überhaupt eine nennenswerte Sammlerszene?
Oder sind die Gedenktaler und Gedenkmark von den damaligen Königreichen, Fürstentümern, (Groß-)Herzogtümern und freien Städten ganz normal in den Umlauf gebracht und erst dann von den besagten Sammlern schnell wieder aus dem Verkehr gezogen worden?

Denn beim Vergleich von Preisen und Erhaltungsgraden der schönen alten Stücke fällt ja auf, dass Top-Erhaltungen bei Kursmünzen tendenziell deutlich höher bewertet sind (trotz i.d.R. vielfach höherer Auflagen) als die Sonder- und Gedenkprägungen. Also müssen ja jene auch damals schon mit Masse schnell aus dem Umlauf gekommen oder nie richtig hinein gekommen sein.

Vielleicht hat ja auch jemand eine passende Internet-Seite konkret zu dem Thema; ich bin da nicht wirklich fündig geworden.

Vielen Dank und Grüße aus Hamburg,
mjolnirhh
 
Natürlich haben die "Sonderprägungen" zu bestimmten Anlässen eine sehr lange Tradition. Aber man darf bei dieser Frage die wirtschaftliche Situation zu den jeweiligen Zeiten nicht außer Acht lassen.
Mit Beginn der Talerprägung am Anfang des 16. Jahrhunderts war gerade diese Münze, der Taler, für den Durchschnittsbürger sehr wertvoll und an ein Aufbewahren oder Sammeln in unserem Sinne war nicht zu denken. Von den Landesfürsten verausgabte Sonderprägungen, also Doppeltaler, Drei,- ja Vier- und Fünffachtaler zu besonderen Anlässen kamen so gut wie nie in den Umlauf. Sie wurden an verdiente Höflinge, Beamte, Würdenträger, aber auch an Staatstragende aus anderen Ländern verteilt, die man sich mit solchen wertvollen Geschenken gewogen machen wollte. Auch diese Stücke kamen normalerweise niemals in den Umlauf, haben sich aus diesem Grund, wenn sie nicht verloren gagengen sind, bis heute in meist sehr gutem Zustand erhalten und sind daher entsprechend teuer.
Auch noch im 18. Jahrhundert war das Sammeln von Münzen oder gar Sonderprägungen dem "normalen Volk" absolut unmöglich. Ein Handwerksmeister verdiente in der Mitte des 18. Jahrhunderts gerade mal 200-600 Taler im Jahr. Das reichte nur für ein sehr bescheidenes Leben.
Was bekam man für einen Taler zu jener Zeit? Zum Beispiel 6 kg Fleisch oder 12 kg Brot, aber nur ½ Pfund Tee oder 1 kg Tabak oder 2 Flaschen Champagner. Für zwei möblierte Zimmer und Kost musste man jährlich 100-120 Taler rechnen. Nur elf Bewohner von Weimar hatten ein Jahreseinkommen, das über 2000 Taler lag.
Auch die heute sehr gesuchten Zwei-, Drei und Fünf-Markskstücke der deutschen Kleinstaaten waren im Großen und Ganzen nur Sonderprägungen. Die Masse des Geldumlaufs wurde im Reich durch die großen Staaten, allen voran Preußen mit seinem gewaltigen Münzausstoß gedeckt. Die kleinen Fürstentümer hingegen sahen die Ausgabe ihrer eigenen Münzen in kleinen Auflagen eher als sehr gute Einnahmequelle. Die nach der Reichsgründung aufstrebende deutsche Wirtschaft hatte eine recht betuchte Unternehmerschicht hervorgenracht, die es sich leisten konnte, diese "Sonderprägungen" zu kaufen und zu sammeln. Aber auch damals konnte sich der sogenannte "Kleine Mann" solche Eskapaden nicht leisten. Das Münzensammeln, so wie es heute verbreitet ist, war damals völlig undeenkbar.
Gruß
corrado26
 
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