Gedanken zu Erhaltungsgraden

B555andi

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Hallo Zusammen,

ich habe mir zum Thema Erhaltung ein paar Gedanken gemacht, zu denen mich Eure Meinung interessieren würde.

Basis meiner Überlegungen sind die Erhaltungsangaben, wie sie im Jaeger definiert und für die meisten Sammler verbindlich sind.

Vorausschicken muss ich zudem, dass es sich um rein hypothetische Gedanken handelt. Es ist mir klar, dass Münzen in Natura betrachtet werden müssen, um eine individuelle Einschätzung treffen zu können.

Doch genug der langen Vorrede:

Es geht um Münzen, die nicht im Umlauf waren.

Mal abgesehen von denjenigen Münzen, die mit einem besonderen Herstellungsverfahren hergestellt wurden (PP und SP) beschreibt Jaeger drei Kategorien:

Zunächst die Erstabschläge, bei denen alle Feinheiten des Münzbildes ausgeprägt sind.

Dann folgen Münzen mit Stempelglanz und Prägefrisch/Unzirkuliert/Bankfrisch. Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden sind die Kratzer, die sie bei der maschinellen Herstellung mitbekommen haben. Wobei man sich im Einzelfall trefflich darüber streiten kann, ob Kratzer deutlich mit bloßem Auge zu erkennen sind (Prägefrisch) oder eben nicht (Stempelglanz).

Mir fehlt hier eine (für mich) wichtige und entscheidende qualitative Komponente, die ansonsten in allen anderen Kategorien enthalten ist, nämlich, wie detailliert das Münzbild ausgeprägt ist.

Zur Verdeutlichung:

Bei PP wird beschrieben, dass ausgesuchte Ronden und polierte Stempel verwendet werden. Jaeger weist darauf hin, dass bisweilen Stempel zu stark poliert und damit Feinheiten des Prägebildes nicht sichtbar sein können.

Bei Erstabschlägen ist die scharfe Ausprägung des Münzbildes geradezu die Definition für diese Kategorie.

Und kommt die Münze letztendlich in den Umlauf, ist die Frage, wie stark die Konturen abgerieben sind, das Unterscheidungsmerkmal, ob die Münze in vz, ss oder s vorliegt.

Lediglich bei st oder prfr kommt es allein auf ein paar Kratzer im Münzbild an. Was mich persönlich mehr stört als ein paar kleine Kratzer oder Randschäden, ist, wenn eine Münze mit einem „müden“ abgenutzten Stempel geprägt wurde oder die Ronde einen Schaden hatte. Diese Münzen haben zwar einen originalen Prägeglanz - zumindest partiell ist das Prägebild jedoch tw. mit einer stark umgelaufenen Münze vergleichbar.

Gestern habe ich eine solche Münze (Kaiserreich, Jaeger 49) wieder zum Händler zurückgeschickt, weil sie auf der Adlerseite in Teilen so schwach ausgeprägt war, dass manche Münze in ss noch ein besseres Prägebild bietet. Da pfeife ich ehrlich gesagt auf den Prägeglanz (um es salopp auszudrücken).

Manche wenige (reelle?) Händler weisen auf solche Dinge hin: Prägeschwäche, müder Stempel, Rondenfehler usw.

Irgendwie würde ich mir eine Unterteilung von normal geprägten Münzen, die einen Stempelglanz aufweisen, nach einfachen Merkmalen wünschen, zum Beispiel: schwach, normal und gut ausgeprägt (mit der Spitzenqualität EA). Dazu dann noch eine Angabe, inwieweit das maschinelle Herstellungsverfahren seine Spuren hinterlassen hat. Mir ist klar, dass eine solche Einteilung natürlich ebenfalls wieder zu Diskussionen führt. Aber gerade bei Händlern mit unbebildeter Lagerliste (Die gibt es noch ;)) würde ich mir so etwas wünschen.

Also: Stempelglanz vorhanden, schwach ausgeprägt ohne sichtbare Kratzer

anstatt einfach nur: Stempelglanz

Oder: Stempelglanz vorhanden, besonders gut ausgeprägt, wenige sichtbare Kratzer

anstatt einfach nur: Prägefrisch

In meinem Beispiel würde ich (ohne die Münze in Natura zu sehen) nach bisheriger Beschreibung die Erste, ansonsten die Zweite wählen.

So, genug getextet. Jetzt interessiert mich Eure Meinung.
 
Interessante Gedanken. Also ein paar Gedanken von mir zur Erhaltung "Stempelglanz".

Kaum eine Münze ist perfekt, so wie es die Definition verlangt. Bei älteren Münzen war es aufgrund der Herstellungsverfahren sowieso unmöglich perfekte Exemplare herzustellen. Die meisten Münzen vielen in irgendwelche Behältnisse und wurden anschließend transportiert, so dass auch hier feine Kratzer entstanden sind.

Meiner Meinung nach sollte man die Erhaltungsangabe "Stempelglanz" auch für Stücke mit prägebedingten schwachen Ausprägungen benutzen dürfen. Optional ist es nachtürlich für den Sammler von Vorteil, wenn zusätzlich mit angegeben wird, dass das Stück mit einem gebrauchten Stempel geprägt worden ist.

Ich habe in meiner Sammlung Stücke, die nahezu perfekt sind mit bloßem Auge. Nur unter besonderen Gegebenheiten, z.B. starker Lichteinfall, künstliches Licht, erkennt man durch das Hin- und Herschwenken der Münze die feinsten Kratzer. Werden besagte Stücke mit dem Scanner hochauflösend eingescannt, so ergibt sich regelrecht eine Kraterlandschaft. Für mich ist es daher Stempelglanz, da man es unter normalen Umständen mit bloßem Auge nicht sehen kann.

Ich finde die Einteilung der Amerikaner bisher am besten. Durch die unterschiedlichen Einteilungen der Erhaltung "Mint State (MS)" ist es möglich "Stempelglanz" zu differenzieren.

Alle eventuellen Oberflächenproblematiken die durch Prägung, Fallen in den Behälter, Transprot etc. auf den Münzen entstehen können, sind m.M.n. durch die unterschiedlich gegliederten MS-Angaben nachvollziehbar. Je besser die Oberflächenbeschaffenheit desto höher das Grading.

Nach meiner Meinung beginnen die wirklich guten Stücke, die wir als f.stgl - stgl einstufen bei einem Grading von MS64 - MS65.

mfg
 
Genau dafür plädiere ich auch - eine differenziertere Beschreibung des Begriffes Stempelglanz.

Grundsätzlich fallen Münzen, die nicht im Umlauf waren, in die Kategorie Stempelglanz. Ergänzend dazu müssten qualitative Merkmale die Prägung (Stempel) und die maschinelle Verarbeitung (Kratzer etc) betreffend in einer Beschreibung aufgeführt werden.

Insoweit ist das amerikanische System (ohne es im Einzelnen zu kennen) vermutlich für den Sammler hilfreicher.

Letztendlich gibt es für mich zwei Hauptkategorien:

1. Nicht umgelaufene Münzen

2. Umgelaufene Münzen

Für die Ersteren gibt es weitere Beschreibungsmerkmale, wie

a. Prägeglanz vorhanden
b. Prägebild (vom EA zum müden Stempel)
c. Prägeverfahren (PP, SP)
d. Beeinträchtigungen durch maschinelle Verarbeitung
e. Beeinträchtigungen durch spätere Bearbeitungen (Reinigen o.ä.)

Wir sehen, es gibt viele Faktoren, die die Qualität einer Münze bestimmen. Die Schwierigkeit ist, dies alles in den Jaegerschen Einteilungen unterzukriegen.

Man muss sich aber davor hüten, einen Bewertungsfetischismus zu betreiben. Die Schönheit (und Bewertung) liegt immer im Auge des Betrachters. Nur: hilfreich wären diese Merkmale schon, wenn sie beschrieben wären.
 
Hallo Andreas,

eigentlich prima Gedanken, die Frage stellt sich aber, wer denn die Münze einstufen soll. Das gleicht dann einer Expertise und wird entsprechend Geld kosten.

Wenn es wiederum jedem Privatmann überlassen ist, dann ist es ähnlich subjektiv wie ein "stgl" in der Bucht.

Gruß, jjjaaade
 
Hallo jjjaaade,

mir geht es weniger um eine Einstufung als vielmehr um eine bessere Beschreibung.

Das ist doch gerade das Problem bei diesen Kategorisierungen/Einstufungen. Es geht eine Menge an (wichtigen) Informationen verloren.

Die Münze bekommt eine Einstufung verpasst, aber Niemand weiß so recht, was darunter zu verstehen ist. Die Einstufung als st beinhaltet keinerlei Aussage zur Qualität der Ausprägung, die aber für viele Sammler (wie auch mich) ein entscheidendes Kaufkriterium ist.
 
Das mit der Einstufung wäre eigentlich ganz einfach:

Es gäbe nur noch die Einstufung als "Umgelaufen" oder "Nicht-Umgelaufen". Dazu dann notwendigerweise eine kurze Aussage zu ein paar weiteren Kriterien.

Natürlich hat man da Beurteilungsspielraum (den hat man jetzt noch mehr). Aber es sind ein paar relativ konkrete Fakten genannt und nicht solche dehnbaren Begriffe wie jetzt z.B. vz/st.

Aber ganz ausgeklügelt ist mein Gedanke natürlich nicht. ;) Ich hatte mich nur über die gestern erhaltene Münze geärgert und dann ein wenig "herumphantasiert".
 
Hallo B555andi!

Über die hier angesprochene Problematik bei der Auslegung der unterschiedlichen Begrifflichkeiten von Erhaltungsstufen habe ich mich in einem anderen Thread schon geäußert (#75). Kurzum: es müsste international klassifiziert, standardisiert und zitierfähig sein.

Was in (allen) Katalogen bisher Verwendung findet ist die Erhaltung einer Münze. Wenn diese einzelne Münze durch den Umlauf mehr und mehr abgenutzt wird, findet sich das auch im Bewertungsteil der Kataloge wieder.

Es gibt aber noch ein zweites Bewertungssystem, das in Katalogen nur in Ausnahmefällen in Erscheinung tritt (nämlich den Erstabschlag). Dieses berücksichtigt die Erhaltung des Prägestempels. Ein Prägestempel nutzt sich im Laufe der Prägungen erheblich ab, bis die Münzen, die bei einem fast verbrauchten Stempel nur noch ganz verschwommene Münzbilder liefert. Ein dann ersetzter, neu eingesetzter Stempel prägt wieder Münzen mit scharfen Konturen (Erstabschläge).

Im Buch von Alan Herbert, "Offical Price Guide to Mint Errors", 6th *******, wurden die Stempelstadien von Del Romines klassifiziert und beschrieben:

1. Sehr frühes Stempelstadium (ca. 150-550 Münzen): Details extrem scharf, keine metal movement lines, manchmal Design mit oberflächlichen, winzige Rissen (entspricht "unserem" EA).
2. Frühes Stempelstadium (15-20.000): Details sehr scharf, feinste Linien starten vom höchsten Punkten des Reliefs, verlaufen zum Randstab.
3. Mittleres Stempelstadium (30-50.000): Movement lines stark ausgeprägt; Design mit runde Kanten.
4. Spätes Stempelstadium (100-125.000): Schärfe von Münzen, die mit Stempeln des späten Stadiums geprägt worden sind, gänzlich verloren. Metall-Fließlinien am Design, Schrift und Jahreszahl erkennbar; Umschrift am Randstab verschwommen.
5. Sehr spätes Stempelstadium (ab 200.000): Sehr starker Metallfluss, Umschrift sehr häufig mit Metallflusslinen an Randstab verbunden.

Die Grenzen der Stempelstadien sind natürlich auch vom Rondenmetall abhängig; bei weicheren Metallen (Au, Ag, Cu) halten die Stempel länger. Die hier verwendeten Zahlen beziehen sich auf Nickelmünzen. Unerwähnt bleibt, ob es sich bei den Zahlen um hartverchromte Stempel handelte (die Zahlen deuten auf unverchromte Stempel).

Was heißt das jetzt in der Praxis? Wir haben hier Zwei Bewertungssyteme, von denen das zweite (Stempelerhaltung) nur dann erwähnt wird, wenn es preissteigernde Wirkung hat. In der Theorie gibt es alle möglichen Kombinationen, die sich in der Praxis jedoch nicht alle voneinander unterscheiden lassen. Zwei Extrembeispiele möchte ich anführen:

1. Einen Erstabschlag von einer schönen bis gering erhaltenen Münze:
Diese Münze wurde von einem neu eingesetzten Stempel geprägt, und aus der Prägemaschine kam eine "perfekte" Münze in (feinstem) Stempelglanz, die jedoch bereits beschädigt wurde, als sie in den Sammelbehälter fiel. Im Umlauf wurde dieser Münze Beschädigungen aller Art (Kratzer, Macken etc.) zugeführt. Nach jahrelange Verwendung im Umlauf, wurde so viel Metall abgetragen, dass das originale Münzbild schon sehr abgeschliffen ist. Details sind nicht mehr zu erkennen. Im Laufe dieser Zeit ist diese Münze dennoch immer ein Erstabschlag gewesen. Da man dies jedoch irgendwann nicht mehr zuordnen kann (nach meiner Einschätzung ab "sehr schön"), ist es für eine Bewertung in der Praxis irrelevant geworden.

2. Eine Münze in Stempelglanz von einem Stempel, der kurz vor der Auswechslung steht:
Nachdem ein neu eingesetzter (und hartverchromter) Stempel am Ende einer Arbeitsschicht 750.000 Münzen geprägt hat, wird hier unsere 750.001ste Münze geprägt. Diese wird direkt entnommen, noch bevor sie beschädigt werden kann. Diese Münze zeigt (feinsten) Stempelglanz, doch die Details an dieser Münze sind so verschwommen und die Metallflusslinien so ausgeprägt, dass sie keinen schönen Anblick bietet. Eine solche Münze jedoch kann getrost und ohne schlechtes Gewissen (bisher) als "Stempelglanz" verkauft werden. Wenn sie dabei in dieser Erhaltung ihre Jahre überdauert hat und die Nachfrage dementsprechend ist, sind die Katalogpreise entsprechend hoch!

Gestern habe ich eine solche Münze (Kaiserreich, Jaeger 49) wieder zum Händler zurückgeschickt, weil sie auf der Adlerseite in Teilen so schwach ausgeprägt war, dass manche Münze in ss noch ein besseres Prägebild bietet. Da pfeife ich ehrlich gesagt auf den Prägeglanz (um es salopp auszudrücken).
Da muss ich Andreas meiner Ansicht nach voll zustimmen! Aber da komme ich zurück zur eingangs erwähnten Normierungsidee. Die Frage ist nur: WER - WANN - WO?

Schöne Grüße,
JPN
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Problem ist, dass die Händler und Auktionshäuser hier gar kein Interesse daran haben.
Denn anders als in USA hält man eine genaue Einordnung hier wohl für schlecht fürs Geschäft,
oder die Händler, die mit älteren Münzen handeln, sind alle von der Sorte "Ewig-Gestrige".

Die Abstufungen g-sg-s-ss-vz-st sind aus Kundensicht jedoch schon lange nicht mehr zeitgemäss.

Mich wundert es eigentlich, warum es in Europa so gut wie keine Händler gibt, die hochwertige Stücke
mit umfassenden und exakten Erhaltungsbeschreibungen anbieten. Das könnte echt eine lukrative Marktlücke sein.

Slabs machen Fernabsatz einfacher, der Händler hat auch die Sicherheit, dass die Münze nicht beim Kunden unsachgemäss behandelt wurde,
sollte eine Rückabwicklung oder ein Umtausch vorliegen. In der Sammlung möchte ich jedoch keine in Plastik eingesargten Münzen haben.

Gruss,
jeggy
 
Na, da scheine ich ja mit meinem Wunsch nach einer optimierten Beschreibung von Münzen nicht ganz alleine zu sein.

Interessant finde ich insbesondere im Post von nevada51 die Ausführungen zur Klassifizierung von Stempelstadien. 5 Stadien müssten es nicht unbedingt sein. Mir würde eine Einteilung in "frisch - normal - müde :gaehn:" oder so ähnlich schon reichen.

Klar, dass die Verkäufer diese Merkmale in der Regel nur beschreiben, wenn man sie als verkaufsförderndes Argument einsetzen kann.

Als Kunden müssen wir eh ständig auf der Hut sein. Vorsicht bei kleinen oder unscharfen Fotos bzw. solchen, die "geschönt" erscheinen. Ich schreibe den Händler an, und bitte um einen größeren Scan bzw. frage nach, ob er mir die Münze zur Ansicht zusendet. Wer sich nicht meldet, hat eben Pech gehabt.
 
Gehen wir mal von den Münzen der " 1. Sorte ", wie Jaeger schreibt " zur nächsten Erhaltungsstufe, dem wie er so abfällig formuliert " dem in den Sammlungen vorherschenden vorzüglich ".

Hier ergibt sich die Situation, dass die beiden führenden deutschsprachigen Kataloge einander widersprüchliche Definitionen verwenden.

- Jaeger schliesst selbst kleinste Fehler im Relief aus und gesteht höchstens feine Kratzer im Feld zu

- Schön erwähnt ausdrücklich einen leichten Abrieb an den höchsten Punkten des Reliefs.

Daraus folgt, dass eine bei schön als vz eingestufte Münze bei Jaeger bereits ein ss wäre.
 
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