Gedanken zu Erhaltungsgraden

Gehen wir mal von den Münzen der " 1. Sorte ", wie Jaeger schreibt " zur nächsten Erhaltungsstufe, dem wie er so abfällig formuliert " dem in den Sammlungen vorherschenden vorzüglich ".

Hier ergibt sich die Situation, dass die beiden führenden deutschsprachigen Kataloge einander widersprüchliche Definitionen verwenden.

- Jaeger schliesst selbst kleinste Fehler im Relief aus und gesteht höchstens feine Kratzer im Feld zu

- Schön erwähnt ausdrücklich einen leichten Abrieb an den höchsten Punkten des Reliefs.

Daraus folgt, dass eine bei schön als vz eingestufte Münze bei Jaeger bereits ein ss wäre.
Und damit ist es wieder da unser Problem. Es gibt halt keine einheitliche Definition. Man könnte sich eigentlich das Graden bei den Amis abschauen. Aber das nächste Problem, wer will hier Münzen im Plastik-Sarg. Für den Kauf wäre es eindeutiger, für den Verkauf auch. Aber dazwischen?
Das ist wie beim Wein. Die Amis können Weine machen einfach toll. Nur haben diese Weine teilweise nichts mehr mit Wein zu tun. Die werden erst auseinander genommen und dann beliebig wieder zusammengesetz. Schmecken prima, sind aber eigentlich nach meinem Verständnis kein Wein mehr.
Das ist bei den Plastiksärgen ähnlich, die Münze ist zwar noch eine Münze, aber auch nicht anderst, als irgendwo hinter Glas. Als Sammler möchte ich dem Teil auch mal richtig nah sein, sei es bei PP auch nur mit der Lupe, aber außer der Lupe sollte nix mehr zwischen dem Stück und mir sein.
Einheitliche Bewertungen werden wir hier nicht bekommen, leider, jeggy hat es gut beschrieben. Der Vorteil ist aber auch das dieses Forum davon lebt, und man sich vortrefflich über Erhaltungen streiten kann.
 
Eine einheitliche Definition kann es eigentlich kaum geben, da eben zu viele individuelle Meinungen und vielleicht noch mehr individuelle Interessen beim Klassifizieren einer Münze mit einfließen.

Ich denke die ursprüngliche Jaeger-Methode stellt schon mal ein gutes grobes Raster dar. Nicht schlecht erscheint mir auch die Bepunktung in den Preislisten von Franquinet. Das ist recht verständlich und auch entsprechend gut erläutert.

Anzumerken ist sicher auch noch, daß Jaeger die Begutachtung der Münzen ohne Vergrößerungsmedien sieht. Zu Jaegers Zeiten waren die Sammler sicher auch schon mit Lupen zu Gange, einen PC mit dem man die Münze oder Ausschnitte daraus auf ein hundertfaches aufblähen kann, gab es nicht.

Das System der Amis nähert sich schon einer Standardisierung, man muß nur den "Gradern" dann auch das nötige Vertrauen schenken. Und um diesen Status Quo der kleinen Differenzierungen festzuhalten, ist es dann unvermeidlich die Münzen einzudosen. Die einen akzeptieren das, andere lehnen es total ab. Auch eine Ansichtssache. Dazu kommt dabei noch die Problematik des Echtheitsnachweises, man kommt ja nicht mehr ran, an das gute Stück.

Ich habe eine Expertis auf der vermerkt ist. "Die Münze befindet sich derzeit! in einem außergewöhlich guten Zustand. Derzeit...vielleicht denkt der Gutachter ich benutze die Münze als Doppler beim Schafkopf.

Man kann die Problematik aber schon erkennen. Deshalb sind wir ja auch hier und tauschen uns aus. Um in letzter Konsequenz kein geputztes ss-vz als Bankfrisch aufs Auge gedrückt zu bekommen.

Ich war vor zwei Wochen auf der Münzbörse in Würzburg und hab an einem Stand zwei 1 Neuguinea-Mark Stücke angesehen. Beide recht ansprechend.
Der Händler meinte, beide Bankfrisch, aber eine davon Luxus. Da dachte ich mir, Luxus....wieder eine neue Erhaltungsangabe.

Aber so ist es eben, die Händler wollen verkaufen....ob Luxus oder sehr schön. Und die Sammler wollen sehr schön bezahlen und Luxus bekommen.
Und so sind immer wieder "Konflikte" vorprogrammiert im weiten Feld der Erhaltungen.
 
Und damit ist es wieder da unser Problem. Es gibt halt keine einheitliche Definition. Man könnte sich eigentlich das Graden bei den Amis abschauen. Aber das nächste Problem, wer will hier Münzen im Plastik-Sarg. Für den Kauf wäre es eindeutiger, für den Verkauf auch. Aber dazwischen?

Die Amis sehen sowas ganz praktisch. Wenn man eine gegradete Münze gekauft hat hindert einem ja niemand daran die aus ihrem Gefängnis zu befreien. Und wenn man sie dann wieder verkaufen will, dann überlegt man sich halt ob man die "raw" (also ungegradet) verkäuft oder ob es sinnvoller ist sie vorher einfach wieder neu graden zu lassen. Da muß man dann halt vorher kalkulieren ob sich der Obolus für PCGS und Konsorten lohnen wird.
 
Und die Sammler wollen sehr schön bezahlen und Luxus bekommen.
Klar, aber es gibt durchaus auch in Europa einen Markt, wo Sammler bereit sind, für aussergewöhnlich gute Erhaltungen ("Kabinettstücke") deutlich mehr als Katalogpreis zu bezahlen. Nur lassen sich solche Stücke anhand der Möglichkeiten des europäischen Erhaltungssystems nicht adäquat/standesgemäss verkaufen. Wen wundert's dass solche Stücke dann oft auf dem amerikanischen Markt landen? (um dann z.T. von dort wieder nach Europa verkauft zu werden)
 
Letztendlich kann es für jeden Sammler nur einen einzigen Maßstab geben: nämlich sich selbst.

Im Idealfall habe ich die Möglichkeit, mir die Münze in aller Ruhe genau anzuschauen und kann mir überlegen, ob sie in mein "Sammelraster" fällt oder eben nicht.

Des Weiteren muss ich wissen, wieviel Geld ich für den Erwerb investieren will. Und dann ist es relativ egal, mit welchen Superlativen der Verkäufer seine Ware an den Mann bringen will. Ist der Preis zu hoch, kommt kein Geschäft zustande. Wie sagt ein Sammlerkollege so schön: die kommen alle wieder, nur Geduld. ;)

Aber leider haben wir nicht immer diese idealen Verhältnisse. Wir kaufen im Internet bei Händlern, die mehr oder wenig gute Bilder einstellen und recht kreativ mit Beschreibungen umzugehen wissen, oder aber Lagerlisten ohne Bilder verschicken.

Und je grober die Raster für die Einteilung der Erhaltungsgrade sind, desto mehr Infos gehen verloren. Ich plädiere ja nicht für eine trennscharfe, eindeutige Einteilung der Münzen in die oder die Kategorie. Das kann von vorneherein schon nicht funktionieren, weil die Merkmale für die Einteilung selbst auch nicht eindeutig sind.

Ich will einfach mehr Informationen, um mir ein besseres (Vorab)Bild machen zu können (gerade bei Lagerlisten ohne Bilder). Und das Merkmal "Stempelstadium" hat wesentlich mehr damit zu tun, ob mir eine Münze gefällt, als diese ganze "Kabinett / Pracht / Luxus" oder sonstwie Beweihräucherung der eigenen Ware.

Es bleiben Ansichtssendungen, zurückgeschickte Ware, Rückabwicklungen und Diskussionen mit dem Verkäufer. Jeder wird sich mit der Zeit seine eigene Black-List aufbauen.
 
Bei den Kollegen von der Philatelie gibt es ja ein eingespieltes System von Prüfern, die vom Verband für die Prüfung einzelner Sammelbereiche zugelassen sind. Und je nach dem, wo der Stempel des Prüfers auf der Rückseite angebracht wird (z.B. tiefst geprüft Schlegel) ist die Erhaltung einzuschätzen.

Wir haben in der Numismatik leider nichts Vergleichbares aufgebaut. In den USA existiert ein privates System mit Gradingfirmen, die sich ja mittlerweile auch auf den europäischen Raum ausbreiten.

Ich sehe das so: für den Erwerb eine gute Sache; aufbewahren würde ich sie allerdings nicht in den Slabs.
 
Ja, aber das ist halt ein Armutszeugnis für die Händlerschaft.

Münzhändler erscheinen z.T. als erstaunlich einfach gestrickte Leute, die sich anscheinend keinerlei Gedanken darüber machen,
wie sie neue Absatzmärkte erschliessen oder transparente Verkaufsstrategien zugunsten der Kundenfreundlichkeit gewährleisten könnten.
Kann auch durchaus sein, dass es in der Summe als weniger lukrativ betrachtet wird (Massenware bleibt dann eher liegen, wenn man sich
zu hoher Transparenz verpflichtet, und der meiste Umsatz wird wohl über Massenware gemacht)

Ausnahmen gibt es da natürlich auch, siehe z.B. Herr Honscha mit Marketingmethoden wie dieses Forum hier und den guten Fotos in seinem Shop.
Oder der genannte Herr Franquinet, mit seinem erweiterten System (Punktesystem in der Artikelnummer).

Gruss,
jeggy
 
Sinn macht eine solche Einstufung ja erst, wenn die Kosten für eine solche Einstufung den Wert der Münze rechtfretigen.

Damit grenzt sich die Anwendung schon einmal sehr ein auf seltenere, ältere Stücke.

Und selbst dann bleiben nicht genannte Merkmale über, die mich als Sammler stören können. Ich habe z.B. bei Herrn Franquinet mal ein recht teures Stück bestellt und persönlich abgeholt. Münzbild, Erhaltungsgrad - alles wie beschrieben. Aber Grünspan auf der Münze, unter der Lupe für mich subjektiv absolut störend. Auf eine Reinigung wurde natürlich verzichtet - aber ich wollte diese Münze so nicht. Das gleiche gilt für Patina - von manchem geliebt und als unverzichtbar oder gar Echtheitsmerkmal benannt ab Alter X, von mir nicht sehr geschätzt, zumindest nicht in jeder vorkommenden Form. Mich stört aber auch eine Oberflächenänderung durch Reinigung - auch das sollte dann vermerkt sein.

Ich denke, praktisch ist das gar nicht zu machen - da fahr ich lieber hin und schaue mir die Münze an, die ich kaufen will.
Die Beurteilung einer Münze setzt sich immer aus objektiven Merkmalen aber auch subjektiven zusammen.

Herr Franquinet hat es treffend formuliert: "Wenn Sie kein gutes Gefühl haben beim Anblick der Münze, dann lassen Sie es lieber"

Gruß, jjjaaade
 
Sinn macht eine solche Einstufung ja erst, wenn die Kosten für eine solche Einstufung den Wert der Münze rechtfretigen.

Damit grenzt sich die Anwendung schon einmal sehr ein auf seltenere, ältere Stücke.

Und selbst dann bleiben nicht genannte Merkmale über, die mich als Sammler stören können. Ich habe z.B. bei Herrn Franquinet mal ein recht teures Stück bestellt und persönlich abgeholt. Münzbild, Erhaltungsgrad - alles wie beschrieben. Aber Grünspan auf der Münze, unter der Lupe für mich subjektiv absolut störend. Auf eine Reinigung wurde natürlich verzichtet - aber ich wollte diese Münze so nicht. Das gleiche gilt für Patina - von manchem geliebt und als unverzichtbar oder gar Echtheitsmerkmal benannt ab Alter X, von mir nicht sehr geschätzt, zumindest nicht in jeder vorkommenden Form. Mich stört aber auch eine Oberflächenänderung durch Reinigung - auch das sollte dann vermerkt sein.

Ich denke, praktisch ist das gar nicht zu machen - da fahr ich lieber hin und schaue mir die Münze an, die ich kaufen will.
Die Beurteilung einer Münze setzt sich immer aus objektiven Merkmalen aber auch subjektiven zusammen.

Herr Franquinet hat es treffend formuliert: "Wenn Sie kein gutes Gefühl haben beim Anblick der Münze, dann lassen Sie es lieber"

Gruß, jjjaaade

Eben, da es um eine Liebhaberei geht, bei der man für ein Ideal zahlt, gibt es abgesehen von den technischen Bewertungen noch das einfache 1 - 0 System:
1 = gefällt mir
0 = gefällt mir nicht
 
......Ich denke, praktisch ist das gar nicht zu machen - da fahr ich lieber hin und schaue mir die Münze an, die ich kaufen will.
Die Beurteilung einer Münze setzt sich immer aus objektiven Merkmalen aber auch subjektiven zusammen.

Herr Franquinet hat es treffend formuliert: "Wenn Sie kein gutes Gefühl haben beim Anblick der Münze, dann lassen Sie es lieber"

Gruß, jjjaaade

Das bringt es im Grunde genommen auf den Punkt. Man muss ein Stück sehen und das Stück muss ohne Wenn und Aber gefallen. Dann kann und sollte man, wenn auch noch der Preis und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit stimmen kaufen. Weil es Freude macht. Alles andere kann man vergessen, weil es nichts bringt.

Ältere Stücke bzw. mit altertümlichen Methoden hergestellte Stücke vergleicht man am besten untereinander, um ein Gefühl für deren Zustand und Qualität zu erhalten. Erhaltungsgradangaben sind hier wirklich nur sehr grobe Orientierungshilfen und nur so brauchbar, wie erfahren, sorgfältig und ehrlich derjenige ist, der diese Beurteilung abgegeben hat.....

Die hier angehängte, vierfache DUPLONE ist besser als vz erhalten, was Abrieb und Zirkulationsspuren angeht. Sie ist sogar von absolut frischen Stempeln geprägt, weil sie in den Vertiefungen eine fast spiegelglanzähnliche Brillianz aufweist. Das Stück wiegt exakt 27,04 Gramm und weist Justierspuren (evtl. welche der Ronde noch vor dem Prägen) auf. Weiterhin wurde der Stempel durch Abdrücken von einem bereits sehr stark verschlissenen Urwerkzeug erzeugt, sodass der Gesamteindruck der Münze für "Normalsammler" je nach Kenntnisstand irgendwo zwischen s-ss und ss-vz angesiedelt werden würde. Tatsächlich aber ist es vom Abnutzungsgrad und von der Oberflächenbeschaffenheit (nicht durch Reinigung abgestumpft, leichte Goldparina) und der Ausprägung das am besten erhalteste Stück, dass ich in den letzten Jahren auf der Münzenbörs ein Moers gesehen habe....
 

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