Freitag, 16.07.2021
Es ist erstaunlich, dass der kaukasische Wein bisher keinen Kater hinterlassen hat. So konnte ich recht früh schon nach Tsinandali aufbrechen, einem bedeutenden alten Weingut. Teils lagern hier noch Flaschen aus dem 19. Jh. Das Gut ist jedoch auch literarisch interessant. Einerseits war dessen Erbauer Alexander Tschawtschawadse ein bedeutender georgischer Dichter, noch viel präsenter war mir der Ort jedoch durch Alexandre Dumas, dessen Kaukasusreisebericht ich gerade lese. Der Franzose war auch zu Gast in Tsinandali und beschreibt äußerst spannend den Überfall des kaukasischen Freiheitskämpfers Schamyl auf das Gut, bei dem er die Fürstin Tschawtschawadse entführte. Leider war ich für eine Besichtigung zu zeitig dran.
Stattdessen fahre ich weiter zum Alawerdi-Kloster, der drittgrößten Kirche Georgiens. Es ist eine schöne Anlage, v.a. mit den Kaukasusgipfeln im Hintergrund. Im aus dem 11. Jh. stammenden Dom fand gerade Gottesdienst statt. Zur Tür reinschauen durfte ich, als ich jedoch weiter ins Kirchenschiff kommen wollte, stand gleich ein Mönch bereit und frug mich nach meiner Konfession. Nur als Orthodoxer hätte ich weiterkommen dürfen.
Alawerdi
Eine religiös ebenfalls recht interessante Ecke dürfte Tuschetien sein. Die ziemlich abgelegene Region im Osten Georgiens hat sich lange Zeit der Zwangschristianisierung widersetzt und nahmen erst ca. 500 Jahre nach dem restlichen Georgien den christlichen Glauben an. Pagane Traditionen werden aber noch heute intensiv weiter gepflegt. Die Zufahrt nach Tuschetien erfolgt über den Abano-Pass, ist aber nichts für den ungeübten Fahrer. Vor allem Wetterumschwünge, Steinrutsche, Tiere und Gegenverkehr erschweren die Fahrt. Die schlechte Fahrbahn erwähne ich jetzt schon gar nicht mehr. Leider ist es in den Mietwagenbedingungen explizit verboten, nach Tuschetien zu fahren. Deshalb erlaube ich mir nur einen kurzen 20-km-Abstecher in die Berge. Anfangs klappt es recht gut, aber der Motor hat schon ganz schön zu arbeiten. Als ich dann an die ersten engen Serpentinen komme, macht sich wieder die Ölwarnlampe bemerkbar. Na wenn das mal kein Zeichen ist, jetzt lieber umzukehren. Bergab mit vielen Pausen geht die Lampe an, aus, an, aus, bis sie im Tal schließlich ganz aus bleibt. Eine kurze Kontrolle des Ölstandes sagt: noch okay.
Tuschetien. Hier bin ich dann lieber umgedreht. Wobei wenden bei diesen Straßen auch nicht gerade einfach ist.
Am Zhinvali-Stausee befindet sich Ananuri, eine hart umkämpfte Burg. Sie war Schauplatz zahlreicher Belagerungen und natürlich gibt es auch hier wieder eine Kirche zu bewundern. Vor allem der reiche Fassadenschmuck hat mir hier gefallen.
Ananuri. Im Wasser rechts sind noch Pfeiler zu sehen. Das sind Obeliske an einer Brücke der ursprünglichen Heerstraße, vor Aufstauung des Zhinvali-Stausees
Da sich jetzt doch wieder die Öllampe meldet und es ja noch weiter in die Berge hoch gehen sollte, habe ich bei einer der kleinen Werkstätten angehalten, die hier überall am Wegesrand zu finden sind. Mit Händen und Füßen konnten wir uns dann darauf verständigen, was ich wollte. Spätestens, wenn die Frage nach dem Heimatland kommt, läuft alles bestens. Deutschland hat einen guten Stand im Kaukasus.
Nun geht es also wieder in die Berge. Ich folge der alten georgischen Heerstraße, die schon seit Jahrtausenden eine der wichtigsten Handelsrouten über den Kaukasus war. Es war eine angenehme Fahrt inmitten des Hochgebirgspanoramas, zumal die Straße hier auch ausgezeichnet ausgebaut war. Kein Schotter, kaum Kühe, genug Möglichkeiten, auch mal den langsamen LKW zu überholen… und LKWs waren viele unterwegs. Es gab vielfältige Kennzeichen zu bewundern: Georgien, Russland, Armenien, Türkei, Aserbaidschan, Kasachstan, Belarus, …
Russisch-Georgisches Freundschaftsdenkmal an der Teufelsschlucht
Travertin-Kaskaden am Kreuzpass
Kurz vor 18:00 erreichte ich dann den Gudauri-Aussichtspunkt mit dem Russisch-Georgischen Freundschaftsdenkmal. Hier wird seit 1983 dem Vertrag von Georgijewsk (1783) gedacht, mit dem Georgien zum russischen Protektorat wurde. Heute kreisen hier wagemutige Touristen mit Gleitschirm über die Teufelsschlucht. Ich versagte mir dieses Vergnügen, hatte ich doch noch paar Kilometer vor mir.
Kurz vor der russischen Grenze liegt der Ort Stepanzminda. Älteren Reisenden mag es noch als Kazbegi bekannt sein, denn im 20. Jh. trug der Ort den Namen des georgischen Schriftstellers Alexander Kazbegi. Leider war der gleichnamige Gipfel bei meiner Ankunft wolkenverhangen. Erst nach Sonnenuntergang klarte es langsam auf.
Gergeti Dreifaltigkeitskirche nahe Stepanzminda