Gefährliche Reise durch den wilden Kaukasus

Sonntag, 17.10.2021

Nach dem Frühstück gibt es erst einmal noch einen kleinen Spaziergang durchs Zentrum, bevor ich weiter nach Süden aufbreche. Das Ziel ist Göygöl (Aserbaidschaner lieben Umlaute). Ich hatte schon in Georgien einen kleinen Ausflug in die deutsche Geschichte Unternommen – hier wird er nun fortgesetzt. In den napoleonischen Kriegen und dem Jahr ohne Sommer, 1816, ging es vielen Europäern nicht so besonders gut. Insbesondere im Schwäbischen sind daraufhin einige pietistische Strömungen entstanden, die eine neue Heimat gesucht haben. Da kam die Einladung des russischen Zaren gerade Recht, der die neuerworbenen Kaukasusregionen besiedeln wollte. Kommen durfte jedoch nicht jeder, man musste ein paar Voraussetzungen erfüllen, wie etwa ein Handwerk, insbesondere den Weinbau, zu beherrschen, sowie über ein Startkapital von 300 Gulden verfügen. Es war also der klassische Mittelstand, der in den Kaukasus ausgewandert ist. Nahe Jelisawetapols, dem heutigen Ganja, wurde Helenendorf gegründet. Die Namenspatronin war Elena Petrowna, Tochter des Zaren und seiner Frau, die ebenfalls aus Württemberg stammte.

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Ganja

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Shah Abbas Moschee und türkisches Bad in Ganja

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Die deutschen Siedlungen haben ziemlich prosperiert, besonders ihr Wein und Cognac waren begehrt. Mit dem ersten Weltkrieg und verstärkt der Gründung der Sowjetunion brachen schwere Zeiten für die als Kulaken gebrandmarkten feindlichen Subjekte an. Schon in den 1930er Jahren gab es landesweite Deportationen, doch spätestens 1941 wurden der Großteil der letzten verbliebenen Deutschen nach Kasachstan umgesiedelt. 2007 starb der letzte Deutsche im Ort.

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Das deutsche Erbe wird mittlerweile wieder für den Tourismus vermarket und es gibt zahlreiche Hinweistafeln im Ort. Die Häuser unterscheiden sich deutlich vom üblichen aserbaidschanischen Ortsbild, entsprechen aber nicht mehr dem Originalzustand. Da wurde viel kaputtsaniert, um ein vermeintlich hübsches Ortsbild zu schaffen.

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In der lutherischen Kirche ist ein kleines Museum eingerichtet. Als ich es besuchen wollte, stand ich vor verschlossener Tür. Doch als ich schon kehrt machte, knarrte ein Schlüssel im Schloss und ein junger Uniformierter öffnete erfreut. Mit minimalsten Brocken Englisch führte er mich an den paar Vitrinen vorbei. Wahrscheinlich bin ich der erste Besucher seit Ewigkeiten – und dann noch ein deutscher. Das schreit schon fast nach Dorffest!

Nachdem ich dann die Straßen noch einmal auf und ab gegangen bin, ging es auch schon weiter. Den idyllischen Göygöl-Bergsee lasse ich links liegen, denn für den Abend hatte ich noch eine Verabredung und musste schnell weiter. Nur für einen kurzen Zwischenstopp in Bərdə reicht die Zeit noch. Die Stadt hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Gegründet vor 1.500 Jahren von den Sassaniden, später ein Zentrum Albaniens und schließlich sogar vom Kiewer Rus erobert, verlor sie nach und nach an Bedeutung. Allerdings hat ein wirklich schönes Mausoleum aus dem 14. Jh. die Zeit überdauert. Es kommt architektonisch schon sehr an die Schönheit der Mausoleen in Nakhichevan, dem von einem albanischen Korridor getrennten autonomen Teil Aserbaidschans. U. a. das Grab Noahs soll sich dort befinden. Für wen das Grab in Bərdə errichtet wurde, ist jedoch leider nicht mehr bekannt.

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Bərdə Türbesi

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Freitagsmoschee, Bərdə

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Schließlich geht es weiter quer durchs Land bis zum kaspischen Meer. Einen Schlenker zur iranischen Grenze versage ich mir, auch wenn es sicher spannend gewesen wäre, das dortige brennende Wasser zu sehen, eine Quelle, die stark mit Methan versetzt ist.

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Keine Sorge, das ist einfach nur der Gegenzug :lachtot:

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Ölplattformen am kaspischen Meer. Vor der Küste gibt es regelrechte Städte auf dem Wasser, ab 1948 die weltweit ersten Offshore-Bohrinseln. Ganze Wohnblocks, Kultureinrichtungen, Kraftwerke und Parks wurden auf Stelzen errichtet und mit 300 km Straße verbunden. Neft Daşları, die Erdölfelsen, sind die größte Bohrinsel der Welt. Leider konnte ich sie nicht besuchen.

Stattdessen wühle ich mich durch den Bakuer Berufsverkehr und suche das Büro der Autovermietung. Rückgabe erfolgt Problemlos, ebenso die Abholung durch meinen Guide Said, der mich zum Hotel in der Altstadt bringt. Ich bin ganz froh, dass ich mich für diese Variante entschieden habe, denn der Verkehr ist heftig.

Für den Abend habe ich mir einen besonderen Höhepunkt ausgesucht, bzw. aussuchen lassen. Mein Guide meinte, ich solle unbedingt das Aserbaidschanische Staatliche Akademische Opern- und Balletthaus besuchen. Zuerst war ich ein wenig skeptisch, ob ich meine kostbare Zeit in Baku dafür opfern sollte. Doch es hat sich eindeutig gelohnt. Zwar war die Jugendstilfassade gerade eingerüstet, doch der opulente Saal war definitiv sehenswert. Vom Ballett selbst ganz zu schweigen. Es war mein erster Ballettbesuch überhaupt und es hat mir gefallen. Gespielt wurde „Min bir gecə“ – 1001 Nacht, ein Ballett von 1979. Inhalt war die Rahmengeschichte von Sheherazade und Shahrirar, sowie Sindbad, Aladin und Ali Baba. Wenn man die Geschichte nicht kennt, ist es sicher nicht so einfach dem Inhalt zu folgen, aber glücklicherweise habe ich gerade im letzten Schuljahr genau dieses Thema im Unterricht behandelt. Es waren wirklich schöne Bilder und wahrlich beeindruckend, was für eine Körperspannung, Kraft und Leichtigkeit die Tänzer hatten!

Interessant war aber auch, wie hier alles von der deutschen Regelungsmanie abwich – während der Vorstellung wurde munter darauf los fotografiert und gefilmt.

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Nach der Vorstellung ging es dann zu Fuß vorbei an den Palästen des Ölbooms zurück zur Altstadt, lecker Abendessen und ab ins Bett… der morgige Tag wird lang!

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Dolma - gefüllte Weinblätter

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Zeitreise - ich bin nicht der erste aus meiner Familie, der Baku besucht. Bereits meine Eltern waren 1984 mit dem Rucksack unterwegs. Sie waren in Mittelasien (Buchara, Samarkand, ...) und sind mit dem Schiff über das kaspische Meer nach Baku gekommen. Seit dem hat sich einiges verändert.
 
Montag, 18.10.2021

Heute vor 30 Jahren hat der Oberste Sowjet von Aserbaidschan seine Unabhängigkeit erklärt. In normalen Zeiten wäre das sicher ein Anlass für große Feierlichkeiten und Paraden, doch Corona behindert auch hier. Zumindest habe ich nichts weiter mitbekommen. Flaggen hängen ohnehin überall, die zählen also nicht.

Es wird ein langer Tag, bis zum Abend werde ich 34.000 Schritte gelaufen sein. Baku bietet viel zu sehen und ist wahnsinnig abwechslungsreich – altes Gemäuer, Ölboompaläste, hypermoderne Wolkenkratzer. Mittlerweile wird es auch schon als Dubai am Kaspischen Meer bezeichnet.

Ich beginne meine Tour jedoch ganz gemächlich in İçərişəhər, der Altstadt von Baku. Liegt nahe, schließlich ist hier ja auch mein Hotel. Doch kaum verlasse ich die Schwelle lasse ich mich doch vom Teppichhändler einfangen. Seis drum, warum auch nicht. Wenn schon ein Souvenir, warum dann nicht ein ganz klassisch aserbaidschanischer Teppich? Ich beschränke mich jedoch auf das Minimodell. Für alles Zimmerfüllende benötigt man eine Ausfuhrgenehmigung. Und bei den Fluggeschwindigkeiten eines Teppichs wäre ich jetzt wahrscheinlich immer noch unterwegs.

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Weiter geht es durch die Altstadt. Ein paar alte Karawansereien gibt es noch, leider wird die Tourismusarme Zeit gerade für Sanierungen genutzt, sodass ich keinen Blick hineinwerfen konnte. Stattdessen besteige ich den Jungfrauenturm, das Wahrzeichen Bakus. Wie alt das Gemäuer genau ist, lässt sich nicht ermitteln. Genauso unklar ist auch der ursprüngliche Zweck. Neben der Verteidigung liegt auch die Nutzung als Feuertempel oder Leuchtturm nahe. Der Name rührt möglicherweise daher, dass er nie zerstört wurde, daher aus religiöser Sicht nie berührt, bzw. entweiht wurde und nach wie vor jungfräulich ist. Aber natürlich gibt es auch die Legende, dass sich eine hübsche Prinzessin von ihm aus in die Fluten gestürzt haben soll, nachdem ihr der potenzielle Ehemann (in manchen Erzählungen gar der eigene Vater) nicht genehm wahr. Zumindest hat man heutzutage eine tolle Sicht auf Baku! Bemerkenswert ist aber auch die hohe Museumswärterdichte. Im Turm sind acht Geschosse, auf jedem Geschoss 1-2 Personen. Und dazu ist mir noch den ganzen Weg von unten bis oben eine Dame gefolgt. In Anbetracht dessen, dass ich der einzige Besucher war, fühlte ich mich ob dieses Zahlenverhältnisses leicht beobachtet. Dabei bestand aufgrund einer hohen Glaswand nicht einmal die Gefahr, dass ich mich in die Fluten stürze. Aber da hätte ich auch weit hüpfen müssen, denn das Meer hat sich schon ein ganzes Stück zurück gezogen in den letzten Jahrhunderten.

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Genauso einsam wie der Jungfrauenturm lag auch der Palast des Schirwanshahs da. Es ist ein Glück, dass dieses kleine Juwel die Zeit überdauert hat. Bei all den Arkaden und Muqarnas sieht man jetzt wirklich fast Sheherazade ihre Geschichten erzählen.

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Palast der Schirwanschahs


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Einschlusslöcher von den Massakern des Märzpogroms 1918

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Aserbaidschaner legen Wert auf hübsche Bärte - deshalb trug man nachts einen Bartschoner.

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Weiter ging es zur Standseilbahn. Dummerweise ist Montag Ruhetag, also musste ich mich wohl oder übel zu Fuß auf den Weg zur Allee der Märtyrer machen. Vorbei geht es an den ikonischen Flame Towers, die seit 2013 die Skyline von Baku zieren. Besonders nachts sind sie aufgrund ihrer Lichteffekte ein Spektakel!

Wo früher die steinernen Augen Kirovs über einen Vergnügungspark blickten steht heute eine ewige Flamme und erinnert neben der Allee der Märtyrer an die Gefallenen des ersten Bergkarabachkrieges 1988-94. Bezeichnenderweise war vor dem Vergnügungspark schon einmal ein Friedhof an dieser Stelle. Im März 1918 kam es zu heftigen Konflikten zwischen Bolschewiken, Armeniern und Aserbeidschanern. Die Quellenlage ist nicht immer ganz eindeutig, wer mit wem gegen wen, denn hier wird auf allen Seiten viel abgestritten. Die Aserbeischanischen Opfer wurden jedenfalls hier bestattet. Im September darauf kam es dann zu Massakern an der armenischen Bevölkerung. Es ist eine Spirale, die sich immer weiter dreht und der Stein, der als erstes geworfen wurde, ist schon seit Ewigkeiten verschollen.

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Zeitreise 1984 - 2021
Auf der Landzunge rechts vom Riesenrad steht übrigens die Arena, in der 2012 der ESC stattfand. Und ein paar Meter rechts davon stand 2010-11 die größte Flagge der Welt. Mast: 162m, Flagge: 70x35m. Leider wurde der Mast 2019 schon wieder abgebaut, da es Probleme mit dem Wind gab. Baku wird übrigens auch "Stadt der Winde" genannt, von persisch بادکوبه (Bādkube) - wehende Winde


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Nun geht es wieder den Berg hinab und zwei Stationen mit der Metro bis zum Hauptbahnhof. Die Stationen sind nichts besonders, nicht vergleichbar mit den Palästen des Moskauer Pendants. Was aber immer wieder etwas besonderes ist, sind die Markthallen. Nahe des Bahnhofs befindet sich der Yaşıl Bazar, der Grüne Basar. Berge frischer Lebensmittel türmen sich hier auf, Obst, Gemüse, Kräuter, Gewürze, Süßigkeiten… Da kann auch ich nicht an mich halten und kaufe kräftig Pistazien und Süßigkeiten, nicht daran denkend, dass ich das ja alles noch mit mir rum schleppen muss… und mit Sicherheit habe ich auch viel zu viel bezahlt, aber handeln liegt mir überhaupt nicht.

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Man beachte das Getränk: Das ist Kompot, ein herrliches Fruchtwassergetränk, ähnlich unserem Kompott.

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Und wenn man denkt, die Sünde Bakhlava kann man nicht mehr steigern, kommt ein Azeri daher und füllt es mit Eis.

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Bahnhof Baku

Nach dem Basar kommt die Architektur. In Baku steht eines der schönsten modernen Gebäude, das ich kenne: das Heydar-Aliyev-Zentrum. Es stammt aus der Feder der irakisch-britischen Architektin Zaha Hadid. Heute bestaune ich erst einmal nur von außen und lasse mich von den fließenden Formen mitreißen.

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Weiterhin zu Fuß geht es nun zurück zum Meer, vorbei am War Trophies Park. Hier sind die Beutestücke aus dem jüngsten Konflikt um Bergkarabach zur Schau gestellt. Panzer vor Hochhäusern – der Anblick ist schaurig. Weitere Kommentare versage ich mir dazu. Stattdessen spaziere ich über den „Bulvar“ wieder 5 km Richtung Altstadt. Inzwischen beginnt es zu dämmern und die Flame Towers zeigen in der Ferne ihr Spektakel. Heute gibt es aber leider keine Flammen, stattdessen schwenken gigantische Riesen anlässlich des Unabhängigkeitstages ihre Flaggen.

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Nach dem Abendessen sitze ich noch eine ganze Weile zu Füßen des Jungfrauenturms auf dem Dach des Hamam, genieße einen Samowar und hole das ganze Postkartenschreiben nach.

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Dienstag, 19.10.2021

Der letzte Tag im Lande des Feuers bricht an und der wird noch einmal intensiv in alle Richtungen. Der Ursprüngliche Plan sah noch einen Ausflug zu den Schlammvulkanen vor, von denen es in Aserbaidschan die Hälfte der weltweit bekannten Exemplare gibt. Im Sommer musste ich durch meine Panne in Georgien ja leider auf den Besuch der dortigen Vulkane verzichten. Doch leider spielt heute das Wetter nicht mit. Es regnet. Und da ist es selbst für die alten Lada-Geländewagen ein gewagtes Unterfangen, sich durch den Schlamm zu wühlen.

Eigentlich war der Vulkanbesuch auch der Grund, weswegen ich mir einen Guide für den letzten Tag zugelegt habe, um allen Komplikationen, wie Steckenbleiben und Auto putzen, aus dem Weg zu gehen. Aber so muss ich leider auf den Besuch verzichten.

Dafür bleibt mehr Zeit, um in der Geschichte weit, weit, weit zurück zu reisen. Im Qobustan-Nationalpark, knapp 50 km südwestlich von Baku, befinden sich knapp 6.000 Felszeichnungen, die teils bis zu 20.000 Jahre alt sind. Ein gut aufbereitetes kleines Museum gibt eine Einführung, bevor man selbst durch die heute unwirtliche Felslandschaft steigt. Damals war hier noch alles fruchtbar grün, doch die Zeiten ändern sich. Höchst faszinierend, was es alles zu sehen gibt: Tiere, Jagdszenen, Boote, tanzende Menschen – wunderbar, dass das die Jahrtausende überdauert hat.

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Die Zeichnungen sind zwischen 15-20.000 Jahre alt.

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Als spätes Frühstück gibt es Qutab - eine Art Fladenbrot/Eierkuchen, den man mit verschiedenen Dingen füllt.


Auf dem Rückweg nach Baku machten wir einen Zwischenstopp an der Bibi-Heybat-Moschee. Das heutige Gebäude stammt von 1997, da der Ursprungsbau aus dem 13. Jh. dem militanten Atheismus Stalins in den 1930er Jahren zum Opfer fiel. Damals wurden zahlreiche religiöse Bauten – Kirchen, wie auch Moscheen – gesprengt. Hier soll Ukeyma Khanum, eine Nachfahrin Mohammeds und Verwandte diverser Imame begraben sein. Auch Alexandre Dumas besuchte die Moschee in den 1850er Jahren und berichtete, dass besonders unfruchtbare Frauen hier her pilgerten, um in Jahresfrist dann doch ein Kind zu gebären.

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Zurück in Baku besuche ich das Teppichmuseum. Mag im ersten Moment öde klingen, ist es aber ganz und gar nicht. Die Bandbreite der ausgestellten Teppiche ist faszinierend. Viele tolle Muster, sowohl bei den alten, aber auch bei den modernen Modellen. Allgemein kennt man ja eher den Begriff „Perserteppich“, aber auch in Aserbaidschan hat das Teppichweben eine lange Tradition. Sogar auf Werken europäischer Renaissancekünstler (z.B. Hans Holbein) sind aserbaidschanische Teppiche zu sehen. Dass das Teppichmuseum selbst nun auch in einem riesigen Teppich untergebracht ist, ist das i-Tüpfelchen.

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Sehr interessant fand ich auch die modernen Motive.

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Anschließend quälen wir uns durch den zähen Stadtverkehr. Mit dem Auto in Baku unterwegs zu sein, fordert Nerven. Aber schließlich erreichen wir doch noch das Heydar-Aliyev-Zentrum, welches ich mir heute von innen anschaue. Ein bisschen fühle ich mich jetzt wieder nach Nordkorea versetzt. Dem ehemaligen Präsidenten ist mit dem Museum über sein Leben und seine Errungenschaften ein Denkmal gesetzt worden. Multimedial ist die Ausstellung gut aufbereitet, steht aber natürlich ganz im Zeichen des Personenkultes.

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Mini-Aserbaidschan. Rechts im Bild: Eine Schulklasse, alle im militärischen Flecktarn, Staatsflaggen schwenkend.

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Neben einem Automuseum und einem Museum für aserbaidschanische Musikinstrumente, gab es auch ein Puppenmuseum, das ganz hübsch war.

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Der Sitz der aserbaidschanischen Wasserwirtschaft (wer hätte das gedacht).

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Des nachmittags besuchte ich eine ganz besondere Stätte. Aserbaidschan gilt aufgrund seines seit Urzeiten genutzten Erdöls ja als Land des Feuers. Da liegt es nahe, dass hier auch religiöse Verknüpfungen entstehen. Nahe Baku liegt der Atəşgah, ein Feuertempel. In den letzten Jahrhunderten kamen viele indische Pilger und Zoroastrier hierher, um gemeinsam zu beten. Der Zoroastrismus zählt zu den ältesten noch praktizierten Religionen und hat deutlich Judentum, Christentum und Islam beeinflusst, vor allem durch seinen Dualismus von Gut und Böse. Der Schöpfergott ist Ahura Mazda, der „weise Herr“, sein Widersacher ist Ahriman, der „böse Geist“. Der Mensch muss sich zwischen beiden entscheiden und ein Leben der guten Gedanken, guten Worte und guten Taten führen. Ahura Mazda war übrigens auch einmal Papst. Im 6. Jh. trug der Papst Hormisdas dessen Namen. Heute gibt es in Aserbaidschan keine Zoroastrier mehr, mit der Ausbreitung des Islam schrumpfte die einstige Weltreligion auf etwa 150.000 Anhänger, hauptsächlich im Iran, Tadschikistan, Pakistan und Indien (hier Parsen genannt). Ich habe ja auch einmal versucht, mich durch Nietzsches Zarathustra zu quälen, hab dann aber aufgegeben.

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Im Tempel gibt es zahlreiche indische Inschriften.

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Faravahar, ein Symbol des Zoroastrismus. Der menschliche Geist muss sich zwischen dem bösen Weg (unten links) und dem guten Weg (unten rechts) entscheiden.


Eine weitere flammende Sehenswürdigkeit ist Yanar Dağ, der brennende Berg. Hier strömt Erdgas aus der Erde und lässt den Hügel seit dem Altertum brennen. Schon Marco Polo hat davon berichtet. Es ist an sich relativ überschaubar und viele Besucher wären enttäuscht, ob der kleinen Größe von nur etwa 10 m. Ich fand es aber faszinierend.

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Als letztes Abschiedsessen gab es noch einmal typisch aserbaidschanisch. Plov ist eine im Orient weit verbreitete Reisspeise, die Regional viele Namen und Zubereitungsvarianten kennt, sei es als Plov, Pilaw, Paella oder Palau. Allein die aserbaidschanische Küche kennt über 40 verschiedene Rezepte. Mir wird heute der Shah Plov serviert, gefüllt mit Lamm, Trockenobst und Kastanien.

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Nach dem reichhaltigen Mahl geht es zu Fuß noch einmal zu den Flame Towers, die heute auch tatsächlich als Flammen leuchten und zu Richard Sorge. Dies war ein in Baku geborener deutscher Kommunist, der 1941 die Sowjetunion detailliert vor dem bevorstehenden deutschen Angriff warnte. Allerdings tat Stalin dies als Feindpropaganda ab. Sorges Großonkel war übrigens ein Weggefährte von Karl Marx. Sorge arbeitete auch weiterhin als Spion, wurde jedoch in Tokio enttarnt und 1944 gehängt.

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Richard Sorge Denkmal

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Mittwoch, 20.10.2021

Und das war es auch schon mit dem kurzen Trip. Said fährt mich noch zum Flughafen und dann warte ich die halbe Nacht, bis 04:20 mein Flug nach Frankfurt startet. Ich muss auch hier noch einmal betonen, dass der Bakuer Flughafen dem BER einiges voraus hat, was Bequemlichkeit angeht. Große, breite, weiche Sessel, die das warten angenehm machen.

Der Flug selbst war dann wenig spektakulär. Die meiste Zeit habe ich verschlafen. Der Umstieg in Frankfurt lief problemlos und sogar die Ankunft in Berlin ging diesmal schneller als im Sommer.

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danke für's mitnehmen - ich will da schon ewig mal hin (Osten) - aber alleine und mit meinen bescheidenen Russischkentnissen ist das wohl schwer
 
Ich spreche überhaupt kein Russisch. Von daher... :)

An sich war Aserbaidschan ein sehr einfach zu bereisendes Land. Die Menschen sind mir gegenüber sehr aufgeschlossen und offen gewesen. Viele sprechen englisch, einige wenige sogar deutsch. Viele erzählen, dass sie Verwandte in Deutschland haben, oder selbst eine Weile hier waren.

Mit dem Mietwagen kommt man gut durchs Land. Alles ist gut beschildert und mit Google Maps hatte ich keine Probleme. Für den Mietwagen bin ich über Autoeurope.eu gegangen. Das war ein bisschen günstiger als die Klassiker Hertz und Avis. Das ist natürlich nur ein Vermittler zum lokalen Anbieter AZ Rent. Mit der Abwicklung war ich zufrieden. Alles lief korrekt ab. Gezahlt habe ich knapp 47€/Tag für SUV, inkl. aller Versicherungen.
Wobei auf der Strecke, die ich genommen habe, ein normaler Kleinwagen auch okay wäre. Wie es dann im richtig großen Kaukasus aussieht, kann ich nicht einschätzen.

Für eine Mietdauer bis 30 Tage reicht der normale deutsche Führerschein, für alles darüber benötigt man den internationalen Führerschein. Ist aber bei dem kleinen Land wahrscheinlich eher unnötig.

Gezahlt wird mit Manat. Wechselkurs ist rund 1€=2M.

Hotels gibt es in einer großen Bandbreite, vom 2€-Hostelzimmer bis zur 6.000€-Suite ist alles drin. Ich habe zwischen 20-40€ die Nacht gezahlt. Das teurere war dann auch etwas besonderes in der Karawanserei. Vom Standard her war ich durchweg zufrieden. Buchung unkompliziert über booking, aber auch die spontane Hotelsuche vor Ort ist gut möglich.

Abendessen gibts von 5-15 € ganz gut. Tagsüber etwas auf die Hand gibts auch für 2 € zum Sattwerden.

Eintritt in die Museen war zwischen 5-10€. Montags ist bei vielen Ruhetag. Einige, wie das Schirwanschahpalast haben trotzdem auf.

Bezüglich Corona wird sehr auf Abstand geachtet. Die Grenzen waren ja auch knapp anderthalb Jahre komplett dicht. Für Restaurants, Kulturveranstaltungen, Museen und Hotels braucht man einen Impfnachweis. In den den meisten Fällen wurde auch kontrolliert.

Zur Einreise muss man ein E-Visum beantragen. Das geht unkompliziert und schnell. Dazu wird - auch bei geimpften - ein PCR-Test verlangt.


Meinen Guide Said Seyidov habe ich über Tripadvisor gefunden (das englische Forum. Den deutschen Bereich kann man bei vielen Ländern eigentlich vergessen). Said Seyidov / Baku guide | @guideservicebaku | Profil auf Tripadvisor

Sollte die Werbung unerwünscht sein, bitte ich um Hinweis. Aber da es nicht um Numismatik geht, dachte ich, es wäre okay

Er unterstützt während der Planung per Mail und Whatsapp. Hauptsächlich ist er in Baku, hat aber auch Kontakte in die anderen Regionen. Er hat ein Auto, und übernimmt auch Flughafenshuttle.
 
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Danke für die schönen Bilder und die interessanten Hintergrundinfos!

Bezüglich der Währung übrigens finde ich die Münzen sehr interessant. Diese haben doch ziemlich große Ähnlichkeit mit den Euromünzen. Habe ein paar wenige davon in meinem Weltmünzenbestand, die sieht man ja auch nicht alle Tage:
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Interessant ist besonders die Form der 10 Qəpik (Wie spricht man das aus?). Diese ähnelt stark unserer 20 Cent Münze. Die 5 Qəpik haben einen Wellenrand wie unsere 10 und 50 Cent Stücke.
Statt 2 Cent gibt es 3 Qəpik, aber ebenso mit einer Rille im Rand.
Der Rand des 20ers ist dem unseres 1€ Stückes ählich.
1 und 50 Qəpik habe ich leider nicht. Was auch interessant ist, die Münzen tragen keine Jahreszahl, wurden aber wohl 2006 in Österreich geprägt.
 
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Es war schwierig einen Satz im Land zusammen zu bekommen. Man nutzt nicht gern Münzen, sondern läuft lieber mit einem dicken Geldscheinbündel rum. An den Satz aus den 90ern bin ich leider gar nicht ran gekommen.

Das Q geht eher Richtung G als K. Und das e ist eigentlich ein ə. Das wird in den moderneren Übersetzungen meist als ä dargestellt. Also etwa Gäpik
Es kommt von der Kopeke. Und aus diesem Grunde hat man wahrscheinlich auch den 3er beibehalten.
 
Danke für die Erläuterung, wieder was gelernt:)

Ja, das umgedrehte "e" habe ich nur der Einfachheit halber als normales "e" geschrieben. Hätte ja auch mal nach dem Sonderzeichen suchen können. Naja, ich ändere es in meinem Beitrag mal.

Gäpik - Kopeke, ja das ist naheliegend. Und 3er Münzwerte gab es früher in Osteuropa ja öfters. 3 Kopeken in der UdSSR (und 3 Rubel Scheine), 3 Lei in Rumänien, 3 Kronen in der Tschechoslowakei... die fallen mir spontan ein. Gibt bestimmt noch mehr.
 
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