Gold auf der Flucht

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Das Schicksal der norwegischen Goldreserven

Am 9. April 1940, während die Wehrmacht in Oslo einrückt, nähert sich ein Lastwagen einer Tankstelle nördlich von Oslo. ”Im Radio wurde gerade durchgegeben, dass die Nationalbank besetzt ist. Die Deutschen haben nun das Gold “ , weiss der Tankwart zu berichten. “ Soso “ quittiert der Fahrer trocken und verkneift sich ein Grinsen. Was der Tankwart nicht weiss; ein Teil dieses Goldes befindet sich direkt vor seiner Nase, nur durch die Leinwand der Lastplane von ihm getrennt.

Der Lastwagen ist einer von 26, mit dem das Depot von Norges Bank, der norwegischen Zentralbank, in Sicherheit gebracht wird. Jeder Wagen ist mit zwei Bankangestellten besetzt, die für diesen Auftrag jeweils mit einem Revolver ausgestattet wurden. Ivar Borg, damals 22 beschrieb diese Anekdote nach dem Krieg in einem Buch, in dem er seine Erlebnisse in den dramatischen Apriltagen, als der Krieg nach Norwegen kam, schilderte.

Die Evakuierung der Goldreserven war bereits Ende der 30er Jahre vorbereitet worden. Auf Initiative des Notenbankdirektors wurden 50 Tonnen Goldbarren und Münzen abgewogen, verpackt und plombiert. 818 Kisten a 40 Kilo, 685 Kisten a 25 Kilo und 39 Tonnen a 80 Kilo umfasste der Bestand schliesslich. Hierbei handelte es sich lediglich um die gesetzlich vorgeschriebene Golddeckungsreserve von 120 Millionen Kronen. Nach Aufhebung der Goldeinlösepflicht 1931 war das darüberhinaus vorhandene Gold bereits in die USA ausgelagert worden.

Als am Abend des 8. April die deutschen Invasionskräfte im Kattegatt gesichtet werden und eine hastige Mobilmachung beginnt, wird der Goldschatz in einer die ganze Nacht wärenden Aktion verladen. Nach und nach verlassen die Lastwagen die norwegische Hauptstadt, der letzte Laster fährt nur eineinhalb Stunden vor dem Einmarsch der Wehrmacht aus dem Innenhof der Bank.
Die Versenkung des Kreuzers Blücher im Oslofjord verzögert den deutschen Einmarsch. Diesem Umstand ist es nicht nur zu verdanken, dass König, Parlament, Regierung und Goldrserve entweichen können. Da sich an Bord des Blüchers auch das Gestapoarchiv befindet, gelingt es Willy Brandt , in seiner Verkleidung als norwegischer Soldat der Identifizierung als gesuchter Flüchtling zu entgehen.
Das gemünzte Gold des Transportes besteht überwiegend aus norwegischen, schwedischen und dänischen Münzen zu 5, 10 und 20 Kronen der Jahre 1873 – 1917. Diese Nominale machten die Hauptmünzen der skandinavischen Währungsunion aus. Erst seit dem ” Gesetz über die Ausbringung von Sonderscheidemünzen ” von 1924 kann man von einer norwegischen, dänischen und schwedischen Krone sprechen. Zudem umfasst der Bestand finnische 10 – und 20 Markstücken aus der Zeit von 1878 - 1913 , 100 und 200 Markstücke von 1926, nebst einen kleinen Posten ungarischer 20 Kronenstücke.

Das Gold wird zunächst nach Lillehammer gebracht und in der dortigen Notenbankfiliale zwischengelagert, jedoch, da sich die Kampfhandlungen schnell ausbreiteten, weiter nach Norden an die Küste bei Åndalsnes und Molde gebracht. Hier wartet schon ein britischer Kreuzer, die HMS Galatea. Er ware in der Lage , den gesamten Schatz aufzunehmen, doch besteht die norwegische Regierung auf einer Verteilung auf drei Schiffe. Ein Teil des Goldes wird an Bord gebracht, dann geht es per lastwagen weiter ins 60 Kilometer entlegene Molde, wo man geradewegs in einen Bomenangriff gerät. Ein weiterer Teil wird hier auf die HMS Glasgow verladen, doch muss diese den Hafen hastig verlassen, da neue Bomenangriffe beginnen.

Der restliche Anteil wird nun auf Fischkuttern und Binnenfähren bis nach Nordnorwegen gefrachtet. Dort, in Tromsø ,verlässt er endlich an Bord der HMS Enterprise am 24. Mai Norwegen mit Kurs auf England. An Bord befindet sich auch König Haakon VII. Er wird Norwegen erst am 7. Juni 1945 wieder betreten, auf den Tag genau 40 Jahre nachdem er als frisch gewählter König des jungen Königreiches zuerst seinen Fuss in seine neue Heimat setzte.

Am 29. Mai 1940 erreicht der Goldtransport Grossbritannien, von wo es nach Kanada und in die USA gebracht wird.

Obwohl sowohl Åndalsnes und Molde in einem Versuch der norwegischen Staatsorgane habhaft zu werden, durch Bombenangriffe in Schutt und Asche gelegt und die britischen Schiffe, die Gold, König und Regierung in Sicherheit bringen, mehrfachen Luftangriffen ausgesetzt sind, kommt fast der gesamte Bestand an,lediglich die 296 ungarischen Münzen gehen verloren, ” als eine Tonne an Bord eines der englischen Schiffe auf den Boden schlug ”, wie es so schön in der einschlägigen Literatur steht.

Die Evakuierung des Goldreserven ermöglicht es der norwegischen Regierung von England und Kanada aus ihre Geschäfte im Exil wahrzunehmen. Hierfür und für den Einstand Norwegens in den Internationalen Währungsfond im Jahre 1951 werden ein Teil der Münzen verwendet,nicht etwa das Barrengold, was einem Numismatiker nur weh tun kann.

Was geschieht nun mit dem Gold nach Kriegsende ? Während 25 Tonnen Goldbarren noch bis 2004 in Amerika lageren, gelangen neun Tonnen der Münzen 1988 in einer spektakulären Aktion unter Vermittlung der Londoner Münzhandlung Spink wieder nach Europa. 100.000 Münzen , fast 700 Kg mit einem Materialwert von 35 Millionen DM ( 1988 ) werden von einem Osloer Münzhandel aufgekauft, diese Aktion hält damals ins Guiness Buch der Rekorde Einzug.

Die Goldbarren werden 2004 verkauft, lediglich sieben Stück gelangen zurück nach Norwegen. Sie befinden sich heute wieder in den Tresoren der Zentralbank . Auch 3,5 Tonnen der Münzen lagern wieder dort.Es gibt Pläne , sie der Öffentlichkeit in einer permanenten Ausstellung, gemeinsam mit den Barren, zugänglich zu machen.

Die Münzen aus dem Goldtransport sind ein interessantes Stück Kriegsgeschichte und Numismatik. Fast mutet es ironisch an, dass die skandinavischen Goldmünzen, die, im Gegensatz zu ihren deutschen Vettern zu den Zeiten ihrer Kursgültigkeit kaum in Umlauf waren, zweimal die Reise über den Atlantik unternommen haben.

Die Rückführung des Goldschatzes von Norges Bank führt 1988 zu einem Kaufrausch bei sowohl Münzsammlern, als auch bei der Allgemeinheit. Heute erfreuen sich die einheimischen Goldmünzen bei norwegischen Sammlern keiner überschwänglichen Beliebtheit. Man schätzt eher die Skillinge und Speciedaler aus der Zeit vor der Goldwährung, ein Umstand, der sich auch bis nach China rumgesprochen hat.

Da es auch in Norwegen ein dubioses Münzvertreibungsunternehmen gibt, das durch überflüssige Requisiten den Preis für eine Münze masslos aufbläst und durch rührselige Histörchen numismatisch weniger Bewanderten viel Geld aus der Tasche zieht, gelten sie ausserdem als überteuert, da die Preise im seriösen Handel in die Höhe getrieben werden.

Norwegische Goldmünzen sind jedoch ein verhältnismässig sicheres Sammelgebiet. Mitte der 70er Jahre gab es eine Charge von meisterlich gefälschten Zwanzigern der Jahrgänge 1874 und 1875, die von einem schwedischen Gebrauchtwagenhändler und einem dänischen Pornohersteller auf den Markt gebracht wurden. Herkunftländer waren der Libanon – und , man lasse es sch auf der Zunge zergehen; Deutschland.

Ein deutscher Zahnarzt soll, einem hiesigen Münzhändler zufolge , die ungekennzeichneten Prägefälschungen gen Norden verkauft haben. Leider ist es mir bisher noch nicht gelungen, in Erfahrung zu bringen, ob es sich bei dem Zahnarzt um den Augenarzt, den wir alle kennen, handelt oder ob Zaine auswalzen bei Medizinern allgemein beliebt ist. Es soll sich um ein paar hundert Münzen handeln, die man anhand der Randriffelung, einiger Blasen auf der Oberfläche und geringer Stempelfehler ausmachen kann. Man sagt jedoch, dass die meissten zu Beginn der 80er Jahre eingeschmolzen wurden.

Ungeklärt ist noch immer, wo der Jahrgang 1883 des norwegischen Zwanzigkronenstückes geblieben ist, dessen Auflage von 35.900 Exemplaren bis auf wenige Stücke nie ausgegeben wurde. Etwa 25 – 50 Exemplare sollen sich auf dem Markt befinden. Hat man mit diesen Münzen womöglich die Kriegsführung finanziert ? Wurden sie dem IWF übergeben ? Lagern sie wieder im Depot der Notenbank ein ? Das Lot von 700 Kg, das ab 1988 auf den Markt kam, enthielt keinen einzigen 1883er, so dass der Preis für diese seltenste Goldmünze aus der Zeit der gemeinsamen skandinavischen Kronenwährung wohl weiterhin von Auktion zu Auktion in die Höhe schnellen wird.

Bilder


( Verwendete Literatur : Autorenkollektiv : Nordisk gull , 1989 ; Noroforum : Norges mynter 1814 – 2009. Prisliste , 2010 Refsnes . Skattejegeren, 1990 ;Skaare: Norges mynthistorie, 1997;Øksendal : Den dramatiske gulltransporten, 1980 ;div. Quellen im Internett )<O:p></O:p>
 
Danke für diesen sehr informativen Beitrag.:respekt:
 
Danke für diesen Beitrag. Ich lese so etwas sehr gerne. Münzen und Geschichte ist eine sehr spannende Rubrik.
 
Ein echt sehr guter Beitrag hier im Forum! Klasse! Ich versuche ja möglichst von allen Ländern einen Goldie zu sammeln, jetzt ist denke ich Norwegen dran...:cool:
 
Auch von mir ein recht herzlichen Dank für diese sehr informative Geschichte.
Grüße Matthias
 
Danke! Ich deinen Artikel verschlungen :)
 
Freut mich, dass Euch der Beitrag gefallen hat. Ich lese solche Münzgeschichten auch immer ganz besonders gern.

In den nächsten Tagen werde ich noch ein paar Bilder einstellen, ich habe noch nicht von allen Antwort bekommen, der Rechte wegen.
 
Super und Gratulation! Ein sehr interessanter Beitrag. Mache weiter so!

Gruß von epareiner
 
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