also doch D-Exit?
"Während nicht nur an den Finanzmärkten zum Thema Griechenland mittlerweile nur noch Kopfschütteln herrscht, versuchen die Verantwortlichen immer noch den Eindruck zu erwecken, als ob sie von irgendetwas einen Plan hätten. Haben sie aber nicht. Und hatten sie auch noch nicht. Blicken wir einmal auf die interessantesten Punkte des Desasters:
Griechenland hat sich, gut (oder auch nicht) beraten durch
Goldman Sachs, den Weg in den
Euro mit gefälschten Daten erschlichen. Womit es nicht das einzige Land war. Gewusst haben das damals alle, die es wissen wollten. Aber beseelt von blindwütigem Expansionsstreben nahm man sozusagen alles, was anklopfte. Das war Fehler Nr. 2. Fehler Nr. 1 war, in den Verträgen von Lissabon und dann Maastricht keine Ausstiegsklausel für gescheiterte Euro-Kandidaten hineingeschrieben zu haben. Formal geht es weder, dass sich ein Land aus dem Euro verabschiedet noch dass es von den anderen vor die Tür gesetzt wird.
Fehler 3 war, nach Erkennen von Fehler 1 nicht etwa nachzubessern, sondern stattdessen gegen die bestehenden Verträge zu verstoßen und ein ausdrücklich untersagtes Bail out-Programm in Gang zu setzen und immer bombastischere Rettungsschirme aus dem Hut zu zaubern, die den Euroraum spätestens ab der Einführung einer Bankenunion explizit zu einer Haftungsunion werden lassen wird. Von den Verträgen von Maastricht ist dann de facto nicht mehr viel übrig. Nicht dass man ihn geändert hätte, man hat ihn einfach ignoriert und ungestraft darüber hinweggesetzt.
Fehler Nummer 4 war, sowohl in Geber- als auch Nehmerländern den Eindruck zu erwecken, dass es beim rechtswidrigen Bailout um so etwas wie eine humanitäre Hilfsaktion ginge, mit der den Not leidenden Griechen zur Seite gesprungen werde. Wer wirklich "gerettet" wurde, ließ sich allerdings nicht unter der Decke halten. Zur Beliebtheit des Euro trug das ganz und gar nicht bei.
Fehler Nummer 5 schließlich ist der entscheidende: Während gegenüber Griechenland auf die Verträge gepocht und eine erwiesenermaßen wirtschaftsschädliche Fortsetzung der Austeritätspolitik verlangt wird, geht es den "Institutionen" nur noch darum, das eigene Versagen zu kaschieren und auf ein Wunder zu hoffen, von dem man weiß, dass es nicht kommen wird. Sieht man sich die Ergebnisse der bisherigen Rettungsstrategie für Griechenland an, tut sich ein Abgrund der Absurditäten auf: Die griechische Wirtschaft wurde unangespitzt in den Boden gestampft, während die dem Land geradezu aufgezwungenen Schulden immer weiter stiegen. Die Schuldentragfähigkeit einer im Abschwung befindlichen Volkswirtschaft sinkt jedoch anstatt zu steigen. Was einzig die Dijsselblooms, Junckers, Draghis und Merkels dieser Welt nicht zu verstehen scheinen.
Groß ist in Brüssel momentan die Empörung darüber, dass Athen am Sonntag als ultima ratio den Weg der Demokratie beschreiten will. Der Schweiz sieht man so etwas wohlwollend nach, sie hat ja auch nicht den Euro. Aber Demokratie hin oder her: Es hat mehr als einen bitteren Beigeschmack, wenn die aktuelle griechische Regierung am Sonntag quasi darüber abstimmen lassen will, ob sie mit den bis jetzt gemachten Schulden einverstanden sind oder nicht. Und auch der späte Zeitpunkt der Volksbefragung hat wenig Charme.
Das bürokratische Monster, dass Brüssel in Zusammenarbeit mit dem IWF um den Euro errichtet hat, spottet jeder Beschreibung. Und führt zu sonderbaren Ergebnissen: Kaum hatte EU-Kommissionspräsident Juncker Griechenland gestern ein letztes (unannehmbares) Angebot unterbreitet, kritisierte Berlin, dass er dazu überhaupt kein Mandat habe.
Wie der griechische Finanzminister Varoufakis gestern gegenüber dem britischen "Daily Telegraph" kundtat, will Athen ggf. gegen einen Rauswurf Griechenlands aus dem Euro klagen, den er als "nicht verhandelbar" bezeichnete. Der EuGH dürfte sich schwer tun, eine solche Klage abschlägig zu bescheiden. Und dann? Dann müsste Griechenland wieder die ungeliebten Reformen durchführen und sich noch tiefer in die Grütze reiten lassen, während auf die Steuerzahler der Geberländer noch höhere Haftungsrisiken zukämen. Sie sehen:
Die Fehlkonstruktion des Euro und die fortgesetzten Vertragsverstöße der EU und der EZB haben eine Situation heraufbeschworen, die den Verantwortlichen das Heft des Handelns längst aus der Hand geschlagen hat und sie zu immer irrationalerem Aktionismus zwingt. Dem "gemeinen Volk" ist das nicht verborgen geblieben. Und europaweit sprießen Bestrebungen aus dem Boden, die von ihren Regierungen nicht nur den Austritt aus dem Euro, sondern auch aus der EU und der NATO fordern. Besonders Österreich sollten Sie da im Auge behalten. Dort läuft morgen das einwöchige EU-Austritts-Volksbegehren ab. Und erreichen die Initiatoren mehr als 100.000 Stimmen, gilt das Volksbegehren als Gesetzesantrag des Volkes. Die von der Bundeskanzlerin eingefädelte, keineswegs stichhaltige Schicksalsverknüpfung von Euro und Europa könnte bald nach hinten losgehen."
Quelle: Axel Retz (den ich sehr schätze für seine klare Sicht der Dinge) in Börse-Online
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