€urActiv.de berichtet:
Tsipras wirft Bundesregierung "Ammenmärchen" vor
Griechenlands Oppositionsführer Alexis Tsipras wirft der Bundesregierung Stimmungsmache gegen seine linke Syriza-Partei vor. Sie erzähle "Ammenmärchen" über einen Euro-Austritt nach einem möglichen Sieg der Syriza bei der Parlamentswahl in Athen in drei Wochen.
In einem Beitrag für die "Huffington Post"
bekannte sich Alexis Tsipras, derzeit aussichtsreichster Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten,
am Dienstag zum Euro. Zugleich forderte er aber einen umfassenden Schuldenerlass zu Lasten der Euro-Partner, den die Bundesregierung ablehnt. Ob sich ein solcher Forderungsverzicht überhaupt abwenden lässt, bleibt umstritten.
Syriza sei "keine große Bedrohung für Europa, sondern die Stimme der Vernunft", schrieb Tsipras. Dies werde aber nicht von allen wahrgenommen: "Eine kleine Minderheit, versammelt um die konservative Führung der deutschen Regierung und ein Teil der populistischen Presse besteht darauf, die Ammenmärchen und Geschichten vom Austritt Griechenlands weiterzuerzählen." Syriza wolle nicht den Zusammenbruch, sondern die Rettung des Euro. Die Gemeinschaftswährung zu retten sei aber für die Mitgliedsstaaten unmöglich, wenn die öffentlichen Schulden außer Kontrolle seien.
In Griechenland wird am 25. Januar gewählt. Das Land steht mit 320 Milliarden Euro bei seinen Gläubigern in der Kreide. Namentlich griff Tsipras Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble an. "Auf der einen Seite haben wir die Sicht, die von Herrn Schäuble angeführt wird: Die Gesetze und Prinzipien, auf die man sich geeinigt hat, werden weiter durchgesetzt, egal ob sie funktionieren." Auf der anderen Seite gebe es die Strategie von EZB-Chef Mario Draghi, was immer nötig sei zu tun, um den Euro zu retten. Diese zweite Sichtweise werde sich durchsetzen.
Syriza wollte, dass der größte Teil des nominalen Werts der öffentlichen Schulden Griechenlands abgeschrieben werde. "Wir fordern Bedingungen für die Rückzahlung, die nicht dazu führen, ein Land in der Rezession zu ersticken und die die Menschen nicht in die Verzweiflung und Armut treiben", schrieb Tsipras.
Schäuble und andere Vertreter der großen Koalition lehnen einen Verzicht auf die Rückzahlung der Schulden strikt ab und fordern die Einhaltung der Reformzusagen. Der deutsche Staat bürgt für gut 50 Milliarden Euro der Hilfskredite an das Mittelmeerland. Am Wochenende hatte der "Spiegel" berichtet, ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro werde in der Bundesregierung mittlerweile als verkraftbar bewertet. Dies hatte im deutschen Regierungsbündnis eine Debatte ausgelöst. So sagte der SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs dem "Handelsblatt": "Hier wird ohne Not mit dem Euro-Austritt gezündelt." Ein Ausscheiden Griechenlands würde die deutschen Steuerzahler einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag kosten.
Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, hält eine Staatspleite Griechenlands dagegen nur noch für abwendbar, wenn das Land den Euro aufgibt. Tsipras sei einer der wenigen griechischen Politiker, "die die Natur des Problems verstanden haben und deshalb bereit sind, Wagnisse einzugehen". Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, warnte demgegenüber in der "Bild-Zeitung", ein Schuldenschnitt hätte verheerende Folgen für Griechenland.
Der frühere Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, nannte Tsipras Forderung nach einem Schuldenerlass und einem Ende der schmerzhaften Reformen im TV-Sender "Europe 1" bedenklich.
Es sei aber beruhigend, dass Syriza die Euro-Zone nicht verlassen wolle, was sehr dramatisch für das Land wäre.
Nach Einschätzung des Präsidenten des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), ist mehr als fraglich, ob Tsipras seine Vorstellungen überhaupt umsetzen könnte. "Natürlich hat er eine radikale Rhetorik, aber er wird nicht alleine regieren können und für das, was er dort verspricht, sehe ich nicht, wie er eine Mehrheit im Parlament bekommen kann", sagte er im ZDF. Außerdem sei auch Tsipras klar, dass es einen Unterschied zwischen Wahlkampfrhetorik und einem Regierungsprogramm gebe.
Quelle, Hervorhebungen durch mich