Hamburg brennt !

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Ausgangspunkt für diesen Beitrag ist keine Münze, sondern eine Medaille. Eigentlich sammele ich Medaillen nicht, aber nachdem ich mir dieses Stück immer wieder im vergangenen Jahr angeguckt hatte , beschloss ich kurz vor Ostern einfach, es mir zu kaufen. Wir Ihr sehen werdet, passt diese Medaille hervorragend in eine Sammlung deutscher Reichsmünzen mit Schwerpunkt Norddeutschland.<O:p</O:p
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Es handelt sich bei dieser Medaille um ein Stück von Loos ( Gaedechen 2075 ) zur Erinnerung an den grossen Stadtbrand von 1842.<O:p</O:p
In den Tagen vom 5 bis zum 8 Mai wurden durch eine Feuersbrunst 20 % der Bebauung Hamburgs zerstört. Eine ausführliche Darstellung der Ereignisse steht in diesem Artikel :http://de.wikipedia.org/wiki/Hamburger_Brand .<O:p</O:p
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Heinrich Heine schildert den Anblick des zerstörten Hamburgs wie folgt in seinem Epos " Deutschland - ein Wintermärchen " :
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CAPUT XXI<O:p</O:p
Die Stadt, zur Hälfte abgebrannt,
Wird aufgebaut allmählich;
Wie 'n Pudel, der halb geschoren ist,
Sieht Hamburg aus, trübselig.
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Gar manche Gassen fehlen mir,
Die ich nur ungern vermisse -
Wo ist das Haus, wo ich geküßt
Der Liebe erste Küsse?
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Wo ist die Druckerei, wo ich
Die »Reisebilder« druckte?
Wo ist der Austerkeller, wo ich
Die ersten Austern schluckte?
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Und der Dreckwall, wo ist der Dreckwall hin?
Ich kann ihn vergeblich suchen!
Wo ist der Pavillon, wo ich
Gegessen so manchen Kuchen?
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Wo ist das Rathaus, worin der Senat
Und die Bürgerschaft gethronet?
Ein Raub der Flammen! Die Flamme hat
Das Heiligste nicht verschonet.
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Die Leute seufzten noch vor Angst,
Und mit wehmüt'gem Gesichte
Erzählten sie mir vom großen Brand
Die schreckliche Geschichte:
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»Es brannte an allen Ecken zugleich,
Man sah nur Rauch und Flammen!
Die Kirchentürme loderten auf
Und stürzten krachend zusammen.
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... "<O:p</O:p
Der Wikipedia - Artikel erwähnt, dass aus der Bronze der geschmolzenen Kirchenglocken auf geheiss des Senates Gedenkmedaillen geprägt wurden. Könnte meine Medaille aus diesem Prägegut stammen ? Hier möchte ich die Medaillenkenner unter Euch um Hilfe bitten, vielleicht hat jemand den Gaedechen und kann nachschlagen.
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Der Stadtbrand hat auch einscheidene Folgen für die Hamburger Münzproduktion. Zwar hatten die Franzosen 1813 die alte hamburgische Münze geschlossen, doch prägte ab 1815 der letzte Hamburgische Münzmeisters Hans Schierven Knoph in seinen Privathäusern. Knoph ( 24.5.1766 – 29.2.1849 ) war gebürtiger Norweger und entstammte einem Münzbeamtengeschlecht, ein Verwandter gleichen Namens war in den 1780er Jahren Münzmeister in Kopenhagen. <O:p</O:p
Die in Knophs Amtszeit geprägten Münzen sind mit dem Kürzel HSK gekennzeichnet, abgesehen von einer mit CAIG gekennzeichneten und auf 1809 rückdatierten 32 – Schillingmünze,die entstand, als Hambourg ein Departement im Grossreich des kleinen Korsens war.
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Nach dem Stadtbrand wurden Hamburger Ritterdukateen, Schillinge, Sechslinge und Dreilinge ohne Münzzeichen in Altona, Berlin und Hannover geprägt.
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Dort, in Hannover entstanden nach der Reichseinigung auch die ersten Hamburger Reichsmünzen, noch bevor Hamburg als einer der letzten deutschen Bundesstaaten dem gemeinsaman Währungsgebiet beitrat .<O:p</O:p
Das Zehnmarkstück von 1874 ( J 207 ) ist hier gesondert zu erwähnen, war es doch die erste mit der 1873 beschlossenen neuen Rückseite geprägte Reichsmünze, geprägt auf ausdrückliche Sondergenehmigung bereits Ende 1873.
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1874 beschloss der Hamburger Senat dann die Errichtung einer eigenen Prägeanstalt. Fast scheiterte das Vorhaben noch in letzter Sekunde, als den Pfeffersäcken auf einmal klar wurde, das sie und nicht das Reich für die Kosten aufzukommen hatten. 1891 wird die Sparsamkeit der Stadtväter der Stadt zum Verhängnis. Da das Hamburger Trinkwasser ungeklärt ist, kommt es zur Choleraepeidemie, der über 60.000 Hamburger zum Opfer fallen.
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Nach einer Probeprägung in Form eines Jetons in Groschengrösse am 16. September 1874 konnte die neunte deutsche Prägeanstalt Anfang 1875 mit der Ausprägung von Kronen ihre Tätigkeit aufnehmen. Am 1. Januar führte Hamburg auch offiziell die Reichswährung ein und verabschiedete sich von der Mark Banco. In der Kaiserzeit tat die Hamburger Münze sich besonders durch die Ausprägung von Münzen für Ostafrika hervor, sowie durch die Doppelkronen mit dem Portrait des Kaisers ( J 252 J ). Den Sammlern von Münzen des Kaiserreichs beschehrt Hamburg mit 20 Mark 1908 J eines der grössten numismatischen Rätsel des Sammelgebietes. Wie sah die Münze aus und warum wurde sie überhaupt geprägt ?
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Nach den Zerstörungen des zweiten Weltkrieges als dessen Folge Hamburg den Prägebetrieb 1943 einstellt, forcieren die Briten den Wiederaufbau, verfügen doch alle anderen Besatzungszonen über eine eigene Münze, so dass mit Einführung der neuen Währung 1948 auch wieder Münzen mit dem Buchstaben J vom Prägestock springen.<O:p</O:p
 

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Schöner Beitrag Matthias,
und die Hamburger Gepräge, gefallen mir besonderst wegen der filigranen Details avers. Da hätte man später nicht unbedingt Wilhelm darauf prägen sollen. Warum wurde 1913 bei der Doppelkrone aus Hamburg eigentlich wieder das Stadtwappen geprägt?
grüße Matthias
 
Warum wurde 1913 bei der Doppelkrone aus Hamburg eigentlich wieder das Stadtwappen geprägt?
grüße Matthias

Das ist, finde ich, eine hochinteressante Frage. Die Aufnhame der Prägungen mit Willis Portrait ist sehr gut dokumentiert, ich glaube, auch hier im Forum gibt es einen Beitrag, in dem er " Allerhöchste Erlass " zitiert wird.
Aber warum ist man schlagartig von 1912 auf 1913 zum alten Typ zurückgekehrt ? Mir ist nichts davon bekannt, dass es zu einem Zerwürfnis zwischen Berlin und Hamburg gekommen sei. Hat etwa Hamburg von sich aus auf dieses Privieleg verzichtet ? Das wäre meinem Verständnis nach Majestätsbeleidigung.
Und dann die mysteriösen Doppelkronen von 1908, von denen niemand so richtig weiss, wie sie aussahen. Laut Ernst Rudolph könnte es sogar so aussehen, als seien 2 x 14 Exemplare geprägt worden, für jedes Mitglied des Reichsbankdirektorium ein Paar ?????
 
Warum wurde 1913 bei der Doppelkrone aus Hamburg eigentlich wieder das Stadtwappen geprägt?

Hallo!
Da ist man mangels Quellen wohl auf Vermutungen angewiesen. Eine solche Vermutung könnte z. B. lauten, dass das alte Porträt, das seit 1888 verwendet wurde, ein "Auslaufmodell" war und es Zeit wurde, es durch ein aktuelles zu ersetzen. Dafür spricht, dass nach 1913 das alte Porträt nicht mehr verwendet wurde, sondern nur die Büste mit Uniform.

Wenn nun in Berlin die Umstellung im Jahr 1913 in Arbeit war, hat sich natürlich die dortige Münzstätte selbst zuerst mit Werkzeugen versorgt, so dass an Hamburg noch keine Werkzeuge geliefert werden konnten. Wenn also Hamburg 1913 Doppelkronen prägen wollte, mussten sie auf ihr eigenes Wappen zurückgreifen.

Wie gesagt, eine Hypothese.

Grüße
collettore
 
Medaille auf Hamburger Brand von 1842

Hallo zusammen!

Nach inzwischen mehreren Jahren als stiller Leser dieses Forums hier ein bescheidener Beitrag zur Medaille vom Großen Brand.
Informationen zu der Medaille gibt es im
Gaedechens I, S. 113,
sowie von Ralf Wiechmann "Die Medaillen zum Hamburger Brand von 1842", im Ausstellungskatalog vom Museum für Hamburgische Geschichte: Claudia Horbas und Ortwin Pelc (Hrsg.): "Es brannte an allen Ecken zugleich – Hamburg 1842", S. 33.

Die Medaille von Kronerogøre ist wahrscheinlich weder aus der Bronze der geschmolzenen Kirchenglocken, noch aus der Bronze der herabgestürzten Turmdächer gefertigt. Jedenfalls findet kenne ich keinen Hinweis, der darauf schließen lässt. Es gab aber einige andere Medaillen aus den recycelten Materialien:

Ein Variante der Medaille "Auf die durch den Brand zerstörte St. Petri Kirche" ist aus dem Kupfer des Turmdachs von St. Petri geprägt. Diese Variante hat eine entsprechende Randschrift "GEPRÄGT AUS DEM KUPFER DES ST. PETRI THURMS ZU HAMBURG".

Ebenso gibt es eine Variante der Medaille "Auf die durch den Brand zerstörte Nikolai-Kirche" aus dem Kupfer des Turmdachs dieser Kirche.

Aus der Bronze der Glocken wurden wahrscheinlich nur wenige Dankmedaillons hergestellt.

Die von Kronerogøre gezeigte Medaille auf den großen Brand von 1842 mit dem Grundriss der Stadt und dem aufsteigenden Phönix wurde von Gottfried Bernhard Loos in Berlin herausgegeben. Der Ertrag kam den Notleidenden im abgebrannten Teil Hamburgs zugute. Die bronzenen Exemplare kosteten einen halben Thaler preußisch Courant. Der reine Erlös aus diese Medaille soll 694 Mark banco und 9 Schilling betragen haben (Gaedechens).

Apropos "Großer Brand von Hamburg": Informatives und auch unterhaltsames Primär-Material zu dem Thema stelle ich auf meiner Website zum Download zur Verfügung: Vollständige Zeitungen, die unmittelbar nach dem Brand erschienen sind. Leider habe ich aus zeitlichen Gründen noch nicht alle eingescannt. Zeitungen nach dem Hamburger Brand 1842

Grüße, Christian
 
Hallo Quevedo und Collettore,

vielen Dank für Eure Antworten.

@Quevedo : Also eine Medaille für wohltätige Zwecke. Dann kann ich sie besser einordnen.

@Collettore : Die geplante Umstellung auf den Typ Uniform ist ein Aspekt, den ich noch nie bedacht hatte. Das klingt zunächst mal plausibel. Wann wohl die Planungen begannen. 1908 vielleicht ?
 
Wenn denn die Umstellung auf die Uniform der Grund sein sollte, dass Hamburg wieder das Stadtwappen eingeführt hat, müsste man herausbekommen ab wann (Monat) in Berlin die Uniform geprägt wurde, sowie ab wann die Planungen dafür losgingen. Und natürlich auch ab wann in Hamburg 1913 Doppelkronen geprägt wurden. Aber ich befürchte das wird wohl im Nebel der Geschichte verborgen bleiben. Es sind ja noch nicht mal die Höhen der Prägungen Wilhelm im Portrait und mit Uniform bekannt. Oder doch? Meine Quellen sprechen immer nur von der gesamt Auflage.
grüße Matthias

Wie immer, mit mehr Fragen, als Ideen!
 
Wenn denn die Umstellung auf die Uniform der Grund sein sollte, dass Hamburg wieder das Stadtwappen eingeführt hat, müsste man herausbekommen ab wann (Monat) in Berlin die Uniform geprägt wurde, sowie ab wann die Planungen dafür losgingen. Und natürlich auch ab wann in Hamburg 1913 Doppelkronen geprägt wurden. Aber ich befürchte das wird wohl im Nebel der Geschichte verborgen bleiben. Es sind ja noch nicht mal die Höhen der Prägungen Wilhelm im Portrait und mit Uniform bekannt. Oder doch? Meine Quellen sprechen immer nur von der gesamt Auflage.
grüße Matthias

Wie immer, mit mehr Fragen, als Ideen!

Ich habe leider auch nur bis 1911 autentische Unterlagen. Hammerich bis 1905 /06 , Rudolph bis 1911, hin und wieder gucke ich auf archive.org und beim zvab, aber bisher habe ich noch nichts Neueres gefunden.
 
Das war ein Zufallsfund, sozusagen aus dem Muspot wie man sagt.
Hamburg ist auch eine meiner Lieblingsstädte und die beschriebenen Plätze sind mir geläufig -> aber zu den Medaillen:

Brand-in-Hamburg.jpg

die obere trägt die Randschrift: GEFERTIGT AUS DEM KUPFER DES PETRI THURMS ZU HAMBURG 1842
die zweite ist eine Gedenkprägung auf den Brand von vor 200 Jahren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Diese Dankmedaille soll aus den Glocken unter Zusatz von Kupfer der Turmspitze der St. Petri-Kirche geprägt worden sein.
Medaille für Hilfeleistung beim Stadtbrand 1842 VS.jpg
Medaille für Hilfeleistung beim Stadtbrand 1842 RS.jpg
 
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