Heutiges Vorkommen seltener Reichsmünzen - Diskussions- und Infobeitrag

Rambo

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Hallo zusammen,

möchte hier gerne wieder eine Diskussion starten und freue mich auf zahlreiche Beiträge.

In der Rubrik "Deutschland vor 1948" wird immer mal wieder das Thema angeschnitten und aktuell auch etws diskutiert. Die Frage, ist dabei, wie viele Stücke existieren heute noch von den Kaiserreichsmünzen"

Besonders interessant finde ich dazu folgende Themengebiete:

- Stücke aus dem Juliusturm

- Eingeschmolzene Stückzahlen:
a) im Kaiserreich
b) in der Weimarer Republik
c) im 3. Reich

- Zerstörte Exemplare, z.B. durch Kriegswirren, Brände etc.

- 3 Mark Gedenkprägungen am Ende des Kaiserreichs:
a) Friedrich der Weise 1917
b) Goldene Hochzeit Bayern 1918
c) Regierungsjubiläum Hessen 1917
d) Regierungsjubiläum Württemberg 1916

- Kolonien und Nebengebiete: Eine Besonderheit stellt hier z.B. das 25 Gulden Stück 1930 aus Danzig dar. Es gibt immer mal wieder Hinweise auf einen Hortfund. Handelt es sich hier um Originale oder um Nachprägungen? Gibt es nähere Informationen?

Vielleicht lassen sich wieder interessante Zitate, Quellen, Berichte etc. finden.

mfg
 
Mein Jaeger-Katalog (8. Auflage) beinhaltet folgende Informationen:

Zitat: "5 Mark Goldmünzen:
- Gesamtprägung Stück: 5.593.985
- Ende 1909 nicht eingelöst: 744.014
Außer Kurs seit: 1.10.1900"

Somit waren Ende 1909 nur noch 13,3% der Gesamtauflage übrig.

Zitat: "Die silbernen 2 Mark Stücke mit Ausnahme der als Denkmünzen geprägten Stücke wurden 1918 aufgerufen, und von den insgesamt geprägten 160 Mio. Stück waren Ende 1919 immerhin 70 Mio. eingezogen.
Als Folge dieser Verfügung sind heute gerade die gewöhnlichen 2 Mark Stücke des Kaiserreichs im Verhältnis zur Prägezahl nicht mehr so häufig wie die 3 und 5 Mark Stücke, da die 2er noch bei gutem Geldwert außer Kurs kamen, während bei der späteren Außerkurssetzung der übrigen Silbermünzen der Materialwert den Nennwert überstieg, diese also gehortet wurden. Ende 1920 wurden die Silbermünzen außer Kurs gesetzt."

Jaeger schrieb in der 8. Auflage zum Thema "Heute überhaupt verhandene Münzen":

Zitat: "Es ist als Erfahrung zu beachten, dass Silbermünzen offenbar in weit höherem Maße durch Einschmelzen und dgl. in Verlust geraten sind als Goldmünzen."

Er schätzt das heutige Vorkommen auf:

Zitat: "15-20% der gewöhnlichen Silbermünzen zu 2, 3 und 5 Mark
30 - 50% der Jubiläumsmünzen
70-80% der Goldmünzen."

Zitat: "Dass die Münzen des Kaiserreichs und die des 3. Reiches im allgemeinen weit häufiger vorkommen als die Münzen der Weimarer Republik rührt daher, dass die Weimarer Münzen bei vollem Wert außer Kurs gesetzt, also viel zahlreicher zurückgegeben wurden, als die in den Weltkriegen und in der Inflation gehorteten Prägungen des Kaiserreiches und des 3. Reiches."

Zu den Weimarer Prägungen habe ich einen Auszug angehängt (Quelle leider unbekannt, vermutlich aber aus einem Jaeger-Katalog).

_________________________________________

In meinem AKS 20. Auflage werden die eingezogenen Stücke aus DNG genannt:

5 Mark: 3906 eingezogen, entspricht 17,0% der Auflage
2 Mark: 1596 eingezogen, entspricht 10,6% der Auflage
1 Mark: 11669 eingezogen, entspricht 25,9% der Auflage
1/2 Mark: 3834 eingezogen, entspricht 19,2% der Auflage
10 Pf.: 76070 eingezogen, entspricht 76,1% der Auflage
2 Pf.: 233232 eingezogen, entspricht 93,3& der Auflage
1 Pf.: 467215 eingezogen, entspricht 93,4% der Auflage

Zu den Goldmünzen steht nichts näheres im Katalog. Vielleicht gibt es hier auch noch Zahlen?
 

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In diesem Zusammhang auch zu beachten:

1923 wurde eine Ablieferungspflicht für Gold- und Silbermünzen erlassen (in Kraft bis 1931)

1936 wurde erneut eine Ablieferungspflicht für Goldmünzen erlassen, für 10 + 20 Mark Goldmünzen erst 1938 (bis dahin gesetzliches Zahlungsmittel, durfte allerdings ab 1936 von Banken nicht mehr an Kunden abgegeben werden sondern mußte von den Banken zur Gutschrift an die Reichsbank weitegeleitet werden.

1945 erneut eine Ablieferungspflicht für alle Gold- und Silbermünzen. (In Kraft bis 1955)

Auch wenn die Ablieferungspflichten oft mißachtet wurden, vielleicht gibt es ja auch irgendwo Zahlen über die damals jeweils eingezogenen Münzen. Bei der deutschen Bürokratie würde mich das nicht wundern.
 
Interessant ist das schon. Wer war denn damals alles von der Ablieferungsplicht betroffen? Galt das auch für das Museum? Wurden dort die Bestände auch geschliffen?

Hast Du einen genauen Wortlaut von solchen Ablieferungspflichten?
 
Es gab verschiedene Ausnahmeregelungen.
1923 galt eine Freigrenze von 10 Mark (Reichsmark oder Rentenmark weiß ich jetzt nicht) pro Person.
Historische oder wissenschaftlich wertvolle Münzen konnten eigentlich bei allen Verboten, soweit mir bekannt, auf Antrag von der Ablieferung ausgenommen werden. Das dürfte vorwiegend für Museen gedacht gewesen sein. Im übrigen betraf die Ablieferung nie den Staat selbst, sodaß staatliche Sammlungen prinzipiel davon nicht betroffen waren.

Die Ablieferungspflicht beruhte auf Gesetzen. Diese müßen in Reichsgesetzblatt veröffentlich worden sein. Die dazugehörigen Durchführungsbestimmungen finden sich auch in den entsprechenden Amtsblättern. Auch die von den Alliierten festgesetzte Ablieferungspflicht wurde öffentlich bekanntgemacht. Das müßte sich alles problemlos mit etwas Zeitaufwand zusammenstellen lassen. Leider sind die entsprechenden Amtsblätter nicht über das Internet abrufbar.
Muß mal schauen, wann ich wieder ins juristische Seminar komme. Dann mache ich ein paar Kopien.
 
Also die Reichtagsprotokolle sind im Internet verfügbar. Leider habe ich da noch nichts genaues darüber gefunden, dass interessiert mich schon sehr.

Meinst Du mit den Alliierten auch die SBZ? Oder galt das nur im Westen? Sorry, aber da frage ich wohl etwas blöd, denn 1945 müssten die sich ja alle noch gut verstanden haben. Also, ich versuche da auch etwas mehr herauszubekommen, ist anscheinend wirklich nicht viel bekannt darüber. Naja, die Leute hatten auch damals andere Sorgen, wem interessierten denn Goldmünzen, da ging es mehr um das satt werden.

epareiner
 
Zuletzt bearbeitet:
Also zur Goldablieferungspflicht 1923 habe ich was greifbar.

Es gab 1923 verschiedene Ablieferungsbestimmungen, die teilweise nur bestimmte Personengruppen (z.B. Firmen) betrafen oder Freigrenzen enthielten.
Die zeitlich letzte und am weitestgehende Bestimmung waren die
"Durchführungsbestimmungen zu Verordnung des Reichspräsidenten über Devisenerfassung" vom 7. September 1923.
Zitat hieraus:
§ 1 Abs.1: "Wer ... Edelmetalle besitzt, hat sie auf Anordnung des Kommissars für Devisenerfassung ... an das Reich abzuliefern. ...
§1 Abs.6: "Die Ablieferung von Edelmetallen kann nicht gefordert werden, soweit sie zur Fortführung eines inländischen Unternehmens für jeweils zwei Monate notwendig sind."
§2 Abs.5: "Edelmetalle im Sinne dieser Durchführungsverordnung sind Gold, Silber, Platin, Platinmetalle in den im Handel mit solchen Metallen üblichen Formen."
§3 beinhaltet eine Verpflichtung zur Deklaration von Edelmetallen u.a..
(Abgedruckt im RGBl. I 1923, S.865.)
 
@epareiner
Reichtagsprotokolle bringen da nichts. Das Reichsgesetzblatt ist das richtige Veröffentlichungsorgan.

Also das Verbot von 1945 müßte eigentlich vom Aliierten Kontrollrat ausgesprochen worden sein, und galt damit in ganz Deutschland.
 
Die in Posting 2 angehängte Tabelle zu den Einlösungszahlen der Weimar - Münzen stammt aus dem Jaeger.

Interessant ist, dass im Jaeger die Schätzungen über das heutige Vorkommen der Münzen des Kaiserreichs irgendwann nach der 8. Auflage, aus der Rambo zitiert, gändert wird. In der 20. Auflage ( 2007 ) gibt der Jaeger an, dass vor 1914 vermutlich bereits 20 % der Reichsgoldmünzen eingeschmolzen waren ( Passiergewicht, Abfluss ins Ausland, Schmuckindustrie ) und dass heute schätzungsweise noch 40 - 50 % existieren würden.
Frage : ab welcher Auflage werden diese neuen Zahlen verwendet ?

Generell möchte ich gern die Frage aufwerfen, wie wir den Begriff " selten " verstehen und ob es möglich oder sinnvoll ist, zu einem einheitlichen Gebrauch zu gelangen.
Aus der Literatur sind mir vier Systeme bekannt ( Sheldon, URS , Scholten ): Coin grading - Wikipedia, the free encyclopedia

und aus dem Sieg - Katalog :
Unik = nur 1 Ex bekannt
RRR 2 - 3 Ex bekannt
RR 4 -6 Ex bekannt
R 7 - 10 Ex bekannt
S selten im Handel, mehr als 10 Ex bekannt oder Unsicherheit betreffs der exakten Menge

Dieses letztere System ist wohl für ältere Münzen gedacht, bis auf die Doppelkrone 1908 J fallen alle Stücke, die wir hier diskutieren wollen unter " S ".

Persönlich verwende ich folgendes Raster, wenn ich mir über die Seltenheit einer Münze Gedanken mache :

1 = 1 x pro Jahr oder seltener angeboten

2 = 1 x pro Quartal angeboten

3 = 1 x pro Monat angeboten

4 = wöchentlich angeboten
 
Eingeschmolzene Stückzahlen im Kaiserreich

Die Verluste durch Einzug in der Umlaufzeit der Münzen des Kaisereichs ist im Hammerich per Ultimo 1904 ausführlich dokumentiert :

Nominal /Stk geprägt/Stk eingezogen

Gold

20 M 168.894.601 /677.840

10 M 68.487.555/ 2.868.426

5 M 5.593.985 /4.849.971

Silber

5 M 40.587.947/ 17.651

2 M 112.247.170/ 74.851

1 M 228.796.633 / 79.751

Die Tabelle ist bis zum Pfennig komplett. Auffällig ist, dass im Verhältnis zur Prägemenge weitaus mehr Kronen als Doppelkronen und kaum Silber eingezzogen wurde. Das lässt sich aus dem Umstand erklären, dass man der Doppelkrone eine Lebensdauer von 50 Jahren, der Krone eine von 25 Jahren gab, bevor man davon aussing, dass der Abrieb im Umlauf sie unter das passiergewicht fallen liess ( die Frage, ob dies tatsächlich so war und komsequent praktiziert wurde, soll in diesem Zusammenhang unbeachtet bleiben ). Für Silber galt, da blosse Scheidemünze keinerlei gesetzlich festgelegte Begrenzung, allerdings war es üblich, davon auszugehen, dass eine grosse Silbermünze 100 Jahre durchhalten würde.

Ich gehe davon aus, dass man diese Zahlen bis 1914 in dieser Form hochrechnen kann.

Der Verlust durch Export usw. ( siehe Posting 9 ) kommt hinzu.
 
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