Es musste also Stempelglanz dran stehen, um es möglichst optimal vermarkten zu können.
Deshalb wurde auch diesem Begriff ( und auch allen anderen) im laufe der Zeit ein immer größerer Definitionsspielraum eingeräumt.
In der Bewertungstabelle zum Jaeger-Katalog von 1968 (also noch zu Lebzeiten Jaegers, der 1975 verstarb) steht folgendes (das Fettgeschriebene steht auch so im Katalog, ich habe das so übernommen und es hat nichts damit zu tun, dass ich diese Stellen jetzt hervorheben wollte):
"...Da die Erhaltungsgrade oft sehr verschieden beurteilt werden, und ein Sammler sich z. B. beim Durcharbeiten von Auktionskatalogen oder Preislisten oft kaum
ein zuverlässiges Bild von der Erhaltung der angebotenen Stücke machen kann, soll hier versucht werden, die
Erhaltungsgrade so klar wie möglich zu definieren, und zwar in dieser scharfen und präzisen Form, trotz aller Einsprüche:
1 = polierte Platte: tiefglänzender Ton des Feldes und matte Reliefpartien, die sich vom Grund stark abheben. Es ist selbstverständlich, daß als ''polierte Platte'' nur eine Münze bezeichnet werden kann, die
nicht die geringste Beschädigung aufweist..."
"...2 = Stempelglanz: im Gegensatz zu ''polierte Platte'' sind hier Feld und Relief vom gleichen Ton; stempelglänzende Stücke dürfen auch
nicht die geringste Beschädigung aufweisen."
Und in diesem Sinne verstehe ich auch noch die heutige Definition, die nur zusätzlich klarstellt, dass zur Feststellung von Beschädigungen keine x-fachen Vergrößerungen benutzt werden sollen, sondern diese "mit bloßem Auge" erkennbar sein müssen. Volle Sehkraft natürlich vorausgesetzt, ansonsten eben mit Brille. Aber ohne Lupe.
Und deshalb ist für mich eine Münze in "Stempelglanz" eine absolute Ausnahmeerscheinung, die selbst in großen und sehr guten Sammlungen nur in Einzelstücken vorkommt. Bei maschineller Herstellung ist mehr als "f.St" definitionsgemäß kaum möglich.
Außerdem erlaube ich mir dazu noch, einen Auszug aus dem Vorwort des Auktionskatalogs des Auktionshauses Grün in Heidelberg zur 16. Auktion im April 1996 zu zitieren. Hier wurde die Sammlung Erich Paproths versteigert. Die Sammlung von Herrn Paproth umfasste eine enorme Anzahl an außergewöhnlichen Erhaltungen, die er mit großer "Verbissenheit" über einen langen Zeitraum zusammengetragen hat und war in ihrer Qualität und Vollständigkeit außergewöhnlich. Das Auktionhaus schreibt dazu im Vorwort des Auktionskataloges:
"...Sicher werden Sie beim Studium des Kataloges feststellen, daß die Erhaltungsangabe ''St'' sehr selten, dafür aber ''f.St.'' um so häufiger vorkommt. Münzen in absolutem ''St.'' sind, allein prägebedingt, von außerordentlicher Seltenheit, auch wenn viele Angebote in anderen Katalogen und Preislisten diesen Eindruck nicht entstehen lassen. ''f.St.'' bedeutet in diesem Katalog, daß die Stücke keinerlei Abnutzungen, aber prägebedingte Unzulänglichkeiten wie winzige Kratzer und Randunebenheiten aufweisen."
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Leider gibt es nur wenige, die sich auch daran halten.