Kipper und Wipper

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Kipper und Wipper

Ein Artikel aus der Ausgabe 12 / 1970 der Zeitschrift: Die Münze


Als eine der „unseligsten Perioden in der deutschen Münzgeschichte" bezeichnet Suhle die Zeit der Kipper und Wipper.

Mancher Sammler vermag sich darunter nichts vorzustellen, darum soll diese Zeit hier etwas näher betrachtet werden.

Zeitlich liegt die Periode der Kipper und Wipper von etwa 1590 bis 1622. Betrachten wir zunächst die währungspolitischen Verhältnisse. Es bestand zur damaligen Zeit das heilige römische Reich deutscher Nation, der Herrscher war — wenigstens dem Namen nach — der Kaiser. Ihm allein stand nach alten Gesetzen das Münzrecht zu, jedoch seit mehr als 7 Jahrhunderten schon waren die Münzrechte freigebig an Städte, kleinere Fürsten, Könige, Herzöge, geistliche Herren usw. vergeben verpachtet oder gar für „ewige Zeiten" verliehen worden, wobei die Münzberechtigten dem Kaiser dafür klingende Münze zahlten, um dessen leere Kasse aufzufüllen. Es liegt nahe, daß die nun Münzberechtigten ihrerseits versuchten, aus den Münzrechten Kapital zu schlagen. War das Prägen von Münzen an sich schon gewinnbringend, so konnte es noch mehr Gewinn einbringen, wenn die Münze verschlechtert wurde.

Seit ca. 1520 gab es als größere Silbermünzen die „Taler" genannten silbernen Guldengroschen, die landschaftlich zunächst verschieden benannt, aber bald allgemein Taler genannt wurden.

Offiziell war ein Taler, der gebietsweise nach verschiedenen Münzfüßen ausgeprägt wurde, 60 bzw. 80 Kreuzer wert. Wog man aber die Zahl der Kreuzer, die einen Taler werten sollten, ab, so kam selten das Gewicht eines vollen Talers dabei heraus. So wurde das Kleingeld bei der Bevölkerung unbeliebt; die Taler jedoch, zunächst vollwertig ausgeprägt, wurden teilweise gehortet. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts, als die Talerprägung begann, waren viele neue Silberbergwerke in Betrieb genommen worden, die aber, durch die vielen geprägten Taler, nach etwa 80 Jahren größtenteils erschöpft waren. Es setzte eine Silberknappheit ein. Dieser Silberknappheit zu begegnen, verfiel man auf den naheliegenden Trick, die Münzen einfach unterwertig auszuprägen. Die Münzberechtigten prägten schon längst nicht mehr die Münzen in eigener Regie, es waren vielmehr die Münzmeister, denen, die Prägung oblag und die dafür an den Münzherren mehr oder weniger hohe Beträge zu zahlen hatten. Nicht nur heute, sondern auch damals hatte jedermann das Bestreben, möglichst viel zu verdienen und wer an der Quelle saß, also der Münzer, nutzte dies weidlich aus.

Da die Münzverschlechterung, also die unterwertige Ausprägung, nicht überall das gleiche Ausmaß hatte, gab es besseres und schlechteres Geld. Allgemein war es im Handel üblich, jegliche Prägungen überall zur Zahlung zu verwenden. Um aber keinen Verlust zu erleiden, führten die Kaufleute Waagen mit sich, mit denen das Silbergeld abgewogen wurde. Dieser Gepflogenheit traten immer mehr die Münzherren entgegen, vermutlich dazu veranlaßt durch die Münzer. In fast allen deutschen Gebieten wurden nach und nach die „fremden" Münzen als nicht gültig erklärt und auswärtige Kaufleute mußten ihre Münze gegen die Währung umtauschen, die dort galt, wo sie ihre Geschäfte tätigten. Die Münzer nahmen die fremde Münze an, soweit sie besser war als die der eigenen Prägung und gaben dafür dann das im Orte gültige Geld aus. So gab man für einen „guten" Kreuzer nicht etwa das gleiche Silbergewicht an Kreuzern des eigenen Landes, sondern einen Kreuzer der eigenen Währung, der im Gehalt meist schlechter war. Das Beschneiden von guten Silbermünzen war gang und gäbe, jeder Münzer suchte soviel wie möglich fremdes Silber zu bekommen, das besser war als das eigene. Diese Verschlechterung der Münzen hatte ihren Höhepunkt in den ersten Jahren des 30-jährigen Krieges, also 1618—1622. In manchen Gegenden wurde jedes Jahr, manchmal auch mehrmals im Jahr, die alte Münze „verrufen", das heißt, alle kursierenden Münzen wurden für ungültig erklärt und mußten innerhalb einer bestimmten Zeitspanne bei der Münze gegen neues Geld umgetauscht werden. Das neue Geld war dann stets noch schlechter als das vorher um-

laufende. Das eingezogene Silbergeld wurde durch Hinzufügen von Kupfer verschlechtert, eingeschmolzen und verschlechtert neu geprägt. Die Münzer trugen eine Waage bei sich, die sog. Wippe, mit der wurde das gute, vollwertige Geld ausgewogen und ausgesondert, um dann, siehe oben, verschlechtert neu geprägt zu werden. Daher der Name Wipper. Es blieb natürlich der Bevölkerung nicht verborgen, daß das Geld immer unterwertiger, also schlechter wurde. In den genannten Jahren, als die Kipperzeit ihren Höhepunkt erreicht hatte, wurde durch diese Machenschaften eine regelrechte Inflation verursacht, denn kein Händler oder Handwerker wollte seine Ware für minderwertiges Geld hergeben. Selbst Kaiser Ferdinand II. beteiligte sich am Kippen, indem er unterwertige Taler ausgeben Meß. Außer in dem Gebiet von Köln und Jülich-Berg wurde überall „gekippt", lediglich dort wurde nach wie vor gleichwertiges Geld ausgegeben.

Die durch diese Inflation herbeigeführte Lähmung des Handels und der gesamten Wirtschaft hatte zur Folge, daß auch das Steueraufkommen sank und dem wollten die Fürsten etc. abhelfen. Es wurde das Kippen verboten und die Kippermünzen außer Kurs gesetzt. 1623 wurde das „schlechte Geld" abgewertet, der Taler auf 90 Kreuzer festgesetzt und dieser behielt von da an seine gute Qualität.

Obwohl die Münzherren selbst an guten Münzen interessiert sein sollten, wurden doch um des Gewinnes willen immer wieder die Scheidemünzen unterwertig ausgeprägt. Verschiedene Landesherren verabredeten untereinander besondere Scheidemünzfüße. So wurde 1667 im Münzabkommen von Forst Zinna (bei Berlin) verabredet, daß aus der Mark Silber 9 Taler geprägt werden sollten, aber für 10V2 Taler Kleinmünzen. Im Leipziger Münzvertrag von 1690 wurde sogar festgelegt, daß aus der feinen Mark für 12 Taler Kleinmünzen geprägt werden sollten. Die Taler blieben vollwertig, die Kleinmünzen wurden schlechter. In dieser Zeit war die wichtigste Münze der Silbergulden, der eigentlich 2/3 Taler sein sollte. Es wurden aber aus einer Mark 18 Gulden geprägt, so daß der Gulden in Wirklichkeit nur ein halber Taler war. Es entstand also bei der Prägung von Gulden und kleineren Münzen ein erheblicher Gewinn. Das ist vielleicht einer der Hauptgründe, warum in dieser Zeit bedeutend mehr Gulden als Taler geprägt worden sind.

Kupfermünzen gab es bis zum 16. Jahrhundert in Deutschland garnicht, in der Kipperzeit gab es vereinzelt die ersten Kupferprägungen, diese Prägungen gingen aber bald wieder zurück und erst am Beginn des 18. Jahrhunderts beginnt die Zeit der deutschen Kupfermünzen.

Interessant ist es, daß während dieser Periode die Goldmünzen in den meisten Gebieten vollwertig ausgeprägt worden sind und überall anerkannte Zahlungsmittel waren.

Hauptsächlich wurden die Kippermünzen im Gebiet der heutigen Mark Brandenburg und in der Lausitz geprägt, dort kamen die meisten Kippermünzen vor. Daran kann man erkennen, warum die Kippermünzen von z. B, Beeskow heute noch für wenig Geld zu haben sind, während die Kippermünzen anderer Gebiete heute recht selten vorkommen und dementsprechend teuer sind. Betrachtet man eine solche Kippermünze, so meint man, eine Zinnmünze in der Hand zu haben, so sehr waren die Münzen verschlechtert worden.

Ein Katalog für Kippermünzen ist nicht greifbar und nicht im Handel zu haben, so daß der Sammler solcher Gepräge eifrig Kataloge studieren muß, um zu erkennen, wo solche Stücke geprägt worden sind.
 
Guten Abend Alfons,

danke für den informativen Artikel.

Die Schwierigkeiten mit der Bestimmung von Kippermünzen kann ich nur bestätigen, denn ich besitze badische Exemplare aus dem frühen 17. Jahrhundert, die sich ordentlich gegen eine genaue Bestimmung gewehrt haben (allerdings umsonst).

Es sollte ja auch verschleiert werden, wer wann die Münzen geschlagen hat, um möglichen Sanktionen vorzubeugen. Die Münzen wurden ja oftmals auch nicht in den offiziellen Münzstätten hergestellt (Heckenmünzen). Zudem sollen sie teilweise mit Namen und zur Schädigung der benachbarten Herrschaften geschlagen worden sein, um deren Münzen in Verruf zu bringen.

Auch habe ich gelesen, dass sie zur Zahlung der Söldnerheere notwendig waren, und die Landsknechte nicht gerade erbaut waren, als Sold solche unterwertigen Münzen zu bekommen.
 
hegele schrieb:
Außer in dem Gebiet von Köln und Jülich-Berg wurde überall „gekippt", lediglich dort wurde nach wie vor gleichwertiges Geld ausgegeben.

Dieser Feststellung muss ich leider widersprechen. Gustav Freytag hat in den „Bildern aus der deutschen Vergangenheit" die Wirren der Kipper-und-Wipper-Zeit lebendig geschildert und unter anderem festgestellt:

"Damals wurde in Deutschland für sie die Volksbezeichnung Kipper und Wipper allgemein. Die Wörter kamen von den Niedersachsen: kippen sowohl auf der Geldwaage betrügerisch wiegen als auch Geld beschneiden, und wippen das schwere Geld von der Waagschale werfen. Man sang Spottlieder auf sie. In dem Rufe der Wachtel glaubte man ihren Namen zu hören, und der Pöbel schrie: ,kippediwipp' hinter ihnen her. . . . An vielen Orten rottete sich das Volk zusammen und stürmte ihre Wohnungen. . ." Wie in anderen brandenburgischen Städten nahm man auch in Berlin an der Prägung dieser unterwertigen Münzen teil, wenn auch nur kurze Zeit. Geprägt wurden zunächst die nachstehend abgebildeten einseitigen Pfennige und Scherfe (halbe Pfennige) aus reinem Kupfer.

Der Pfennig als Gemeinschaftsprägung von Berlin und Kölln gibt im Perlkreis zwei Wappen wieder, links den Berliner Bären (für Berlin), rechts den brandenburgischen Adler (für Kölln), darunter die Jahreszahl 1621. Die Berliner Scherfe zeigen in einem Perlkreis den Berliner Bären in einem ovalen mit zwei Henkeln versehenen Schilde, darunter die Jahreszahl 1621, hingegen steht bei den Köllner Scherfen die Jahreszahl 1621 über dem in einem Wappenschild befindlichen brandenburgischen Adler. 16 Kupferpfennige gingen auf 1 Groschen. Besonders unterwertig waren die in Kölln 1622 bis 1623 hergestellten Kippermünzen (ohne Jahreszahl und Münzmeisterzeichen) zu 1, 3 und 6 Groschen. Diese Groschen waren nur ein Drittel soviel wert, wie es der Reichsfuß vorschrieb.
Gruß
corrado26
 
Hallo Corrado,

hier muss ich wiederum Dir widersprechen:

Gemeint ist mit Kölln nicht Köln am Rhein, sondern eine Gemeinde in der Nähe von Berlin (also heutiges Bundesland Brandenburg).

Um es in Deinem Beitrag mal zu markieren:
"Der Pfennig als Gemeinschaftsprägung von Berlin und Kölln gibt im Perlkreis zwei Wappen wieder, links den Berliner Bären (für Berlin), rechts den brandenburgischen Adler (für Kölln), darunter die Jahreszahl 1621. Die Berliner Scherfe zeigen in einem Perlkreis den Berliner Bären in einem ovalen mit zwei Henkeln versehenen Schilde, darunter die Jahreszahl 1621, hingegen steht bei den Köllner Scherfen die Jahreszahl 1621 über dem in einem Wappenschild befindlichen brandenburgischen Adler."

Gruß Razorback
 
Aua, Mist, das nehm ich natürlich sofort zurück. Warum habe ich das "brandenburgisch" nicht gesehen? Tztztztz.
Kommt nicht mehr vor, Ehrenwort!:schaem: Das kommt halt davon, wenn man in unbekannten Revieren räubert.......
Gruß
corrado26
 
Hallo,

Kölln ist 1709 in Berlin aufgegangen, liegt also nicht im heutigen Brandenburg.

Gruß
Rugia
 
und spiegelt sich heute noch in dem Stadtbezirk "Neukölln" wieder, der im Süden der Stadt neben Tempelhof liegt.
 
Ob die Sachsen ehrlicher waren, oder einfach nur reicher, ist hier nicht zu erkennen. Die Münzen an sich sind ganz ordentlich (zwar etwas weniger Silber) nur die Nominale gehen hoch wie bei den Westfahlen 1923.
1. = 40 Groschen
2. = 60 Goschen
3. = 30 Groschen

Anhang anzeigen 13292
 
http://www.geldgeschichte.de/Aktuelle_Ausstellungen.aspx


Aktuelle Ausstellung im "Fenster" der Kreissparkasse Köln, Neumarkt


29. März bis 14. September 2006 als 168. Ausstellung im „Fenster“ der Kreissparkasse Köln:

Von feinem Silber

Der Versuch, mit gutem Geld schlechtes zu verdrängen.
In ihrem 168. Fenster präsentiert die Geldgeschichtliche Sammlung der Kreissparkasse Köln vom 30.3. bis 14.9.2006 die größte und umfassendste Sammlung zum Thema „Münzen aus Feinsilber“, die bisher zusammengetragen wurde. Die Großzahl der 650 ausgestellten Münzen und Medaillen stammt aus dem 17. und 18. Jh. Allen gemein ist das Material: reines, nicht mit Kupfer legiertes Silber.
Ursprünglich stellte jede Münze einen kleinen standardisierten Edelmetall-Barren dar, der Münzwert entsprach dabei dem Metallwert. Silber und Gold wurden so rein wie technisch möglich ausgeprägt. Bald erkannten die Herrscher, dass durch die Beimengung von Kupfer bei gleichem Gewicht und Aussehen viel Silber gespart werden konnte. Dem dadurch sinkenden Wert der Münze begegneten sie mit weiter sinkendem Silberanteil.
Anfang des 17. Jh. erreichte diese Spirale der Geldvermehrung mit den "Kippern und Wippern" einen vorläufigen Tiefpunkt. Als Reaktion auf die schamlose Münzverschlechterung führte 1623 Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel Münzen aus Feinsilber ein, die wegen der Weichheit des Materials auch von Laien geprüft werden konnten – tatsächlich finden sich unter den Feinsilbermünzen viele verbogene Exemplare. Andere Fürsten folgten dem guten Beispiel, Feinsilber konnte sich aber nicht allgemein durchsetzen. Meist waren diese Münzen durch die Bezeichnung wie „Von feinem Silber“ besonders gekennzeichnet. Aber es gab auch „schwarze Schafe“ unter den Münzherren, die sich nicht an diese Angabe hielten und dennoch Kupfer untermischten. Zu groß war die Versuchung, durch Kupferzusatz den Münzgewinn zu erhöhen.
Für Länder mit eigenen Silbervorkommen wie Braunschweig-Lüneburg, Stolberg oder auch das Herzogtum Berg war es billiger, Münzen aus Feinsilber in Umlauf zu geben, als dem Silber einen Kupferanteil zuzusetzen oder es als Barren zu verkaufen. Dennoch blieben Münzen aus reinem, unlegiertem Silber auch dort immer die Ausnahme.
Ein Abschnitt der Ausstellung in der Kreissparkasse widmet sich besonders schön gestalteten Feinsilbermünzen und Medaillen, die im 18. Jh. aus Prestigegründen geprägt wurden. Viele nennen den Namen der Grube, aus der das Silber stammt – Wildberg im Oberbergischen oder die Sauerländer Silberminen des Kölner Erzbischofs Clemens August – und zeigen prächtige Bergwerksmotive.
Heute hat Nickel und anderes unedles Metall überall auf der Welt das Silber aus den Geldbörsen verdrängt.
Auch zu dieser 168. „Fenster“-Ausstellung in der Hauptstelle der Kreissparkasse Köln erscheint eine reich illustrierte 28-seitige Broschüre, die wichtige Hintergrundinformationen liefert. Sie ist verfasst von dem bekannten Numismetallurgen und Chemiker Dr. Eberhard Auer und kostenlos bei der Kreissparkasse zu beziehen oder als PDF-Datei abrufbar (Download "Das Fenster 168" als PDF- Datei, 4 MB.) .

Die Ausstellung in der Kreissparkasse Köln ist während der Kassenstunden geöffnet:
Mo. - Fr. 9-18:30 Uhr, Sa. 10 -14 Uhr.

Von Oktober 2006 bis November 2007 wird die Ausstellung der Geldgeschichtlichen Sammlung der Kreissparkasse Köln vom Museum „Alte Münze“ in Stolberg/Harz übernommen.
 
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