Ich habe mich hier angemeldet, da ich den ECU-Faden so spannend fand, dass ich nun selber eine „kleine aber feine Sammlung der Euro-Vorläufer“ aufbaue. Es kommt mir dabei nicht alleine auf die Münzen/Medaillen an, sondern ebenso auf die zugrundeliegenden Geschichten und Fakten. Ich habe versucht, das Tohuwabohu etwas zu systematisieren. Lokalwährungen habe ich in die „klein, aber fein“-Liste nicht aufgenommen, da sie sonst zu umfangreich geworden wäre. Bitte beachten, dass es sich um meine sehr persönliche Sichtweise handelt, Kommentare sind sehr willkommen!
1. Abteilung des kleinen Münzkabinetts der Euro-Vorläufer: die Lateinische Münzunion
Mindestens je eine Münze von den vier Gründungsmitgliedern der Lateinischen Münzunion.
Die LMU zeigt, dass der Euro nicht der erste, sondern bereits der zweite Anlauf zu einer gemeinsamen Währung in Europa ist.
2. Abteilung: weitere Münzen nach dem Standard der LMU
Die Abteilung enthält eine Übersicht von Rene Finn über die Münzen der LMU, nach der etwa 60 Länder jeweils mindestens eine Münze nach den Standards geprägt haben, meist ohne selbst Mitglied zu sein. Davon einige Belegexemplare.
Damals also eine sehr erfolgreiche Union, die sich über weite Teile der Welt erstreckte.
3. Abteilung: ECU-Münzen
Mindestens je ein Exemplar aus den vier Ländern, in denen ECU-Münzen gesetzliches Zahlungsmittel waren (Belgien, Bosnien-Herzegowina, Gibraltar, Isle of Man). Unabdingbar die 5 und/oder 50 ECU Belgien 1987 Karl der V., die ersten ECU unserer Zeit. Erster Kernpunkt der Sammlung.
„Der“ ECU war selbst zunächst keine Währung, sondern ein Währungskorb, in dem Konten geführt und festverzinsliche Anleihen begeben wurden. Hier aber passt nun die Frage von Richard David Precht „Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?). Die vier Länder haben nämlich den ECU als eine Art Zweitwährung eingeführt. Da sie aber nur jeweils die eigenen Münzen als gesetzliche Zahlungsmittel akzeptiert haben, und auch sonst kein Vertragswerk über eine gemeinsame Währung aufgesetzt hatten, interpretiere ich das nicht als gemeinsame (Zweit-) Währung, sondern eben als vier nationale Parallelwährungen, es gab also einen Belgien-ECU, den Bosnien-ECU etc.; aber diese waren wohl alle 1:1 an „den“ ECU gebunden. Im Ergebnis gab es also „den“ ECU als Währungskorb und als vier Währungen. Hat da jemand Belege bezüglich der genauen Regelungen?
Besonders gut dokumentiert ist Belgien: Die ECU waren gesetzliche Zahlungsmittel gemäß Zusatz vom 5. Februar 1987 zum Münzgesetz vom 12. Juni 1930. Die Gold-ECU beispielsweise wurden mit 7% Aufpreis auf den Tageskurs ausgegeben und zum jeweiligen Tageskurs mit 3% Abschlag wieder eingelöst. Die wenigen bei Nationalbank und Postregie einlangenden Münzen wurden dort in eine Schublade gelegt und später eingeschmolzen (Zitate nach Schön ECU-Katalog 94/95 sowie seiner Forenkommentare). Die ECU wurden mit Euro-Einführung am 1. Januar 1999 außer Kurs gesetzt, danach gab es – wie für die Belgischen Francs – noch eine Umtauschfrist, seit deren Ablauf werden sie allenfalls noch unter Sammlern und Anlegern gehandelt.
Besonders geschickt ging Gibraltar vor: Mit dem Gibraltar Coinage Act 1990-45 waren die ECU-Münzen gesetzliche Zahlungsmittel für Beträge ab 2.000 Pfund, Händler mussten sich also bei Zahlungen für Produkte des täglichen Bedarfs nicht mit der Umrechnung herumschlagen, in der Praxis dürfte auch kaum ein Umlauf stattgefunden haben, und dennoch zählen die Prägungen eindeutig als Münzen.
Für mich sind daher diese ECU-Münzen aus den vier Ländern die ersten und absolut wesentlichen Euro-Vorgänger.
4. Abteilung: Münzen mit doppelter Wertangabe (Nationale Währung plus näherungsweiser Umrechnung in ECU)
Jeweils mindestens eine Münze aus den vier ausgebenden Ländern (Frankreich, nochmals Gibraltar, Malta, Sao Tome & Principe). Auch die Exilregierung der Westsahara hat eine Prägung autorisiert. Diese haben Münzen mit doppelter Wertangabe herausgebracht (Landeswährung plus näherungsweisen ECU-Wert).
Nur die jeweiligen nationalen Währungen waren maßgeblich als Zahlungsmittel, von daher waren die Verhältnisse ähnlich wie im Kino, neben dem Hauptfilm gab es eine Vorschau „demnächst in diesem Lichttheater“. Für mich sind diese Münzen zwar eher eine Sympathiebekundung denn ein ernsthafter Anlauf zum Euro, dennoch verdienen sie eine Dokumentation in der Sammlung.
Als Kuriosum eine Werbung auf der rückwärtigen Umschlagseite des Schön ECU-Katalog 94/95 für Gibraltar-ECUs, insbesondere für eine Goldmünze aus 1991. Die Pobjoy Mint und der deutsche Distributor Emporium bewerben die 70 Ecu / 50 Pfund als „erste Goldmünze der Welt (nach 58 Jahren) für den Zahlungsverkehr“, so als hätte es in der Zwischenzeit keine Sovereigns, 2 Rand, Atatürks, Pahlavis usw. gegeben. So kann man 500er Gold auch schönreden.
5. Abteilung: Münzen mit bloßer Erwähnung des ECU
Ein oder zwei Exemplare nach Gusto, verschiedene Länder haben die Inschrift „ECU“ lediglich als eine Art Verzierung auf Münzen untergebracht (Andorra, Bulgarien, …). Spätere Ausgaben beinhalten in gleicher Weise die Inschrift „Euro“. Ich sehe sie eher als Randgebiet der Sammlung.
6. Abteilung: „Offizielle Prägungen“ von ECU ohne Zahlungsmitteleigenschaft
Wenigstens ein Belegexemplar aus Irland oder Spanien, das die staatlichen Prägeanstalten als „offizielle Prägung“ herausgegeben haben, aber ohne Zahlungsmitteleigenschaft.
Interessant z.B. die spanischen Originalzertifikate der staatlichen Münzprägenanstalt, die diese Prägungen als „Münzen“ tituliert. Stoff für die Diskussion „Münze oder Medaille“?
7. Abteilung: die ersten Euro-Münzen
Tusch, Schampus, Feuerwerk: die ersten Euro-Münzen sind da. Schon 1996! Diese Glanzlichter bilden für mich den Höhepunkt der Sammlung.
Nein, nein, es sind keine Exemplare unserer Gemeinschaftswährung, die existiert offiziell erst seit 1999 und auch erst dann wurden Euro-Münzen in einigen Ländern geprägt und ab 2002 ausgegeben. Aber hey, wer sind wir denn, dass wir anderen Ländern untersagen könnten, eigene zu prägen? Isle of Man und Bosnien-Herzegowina haben ab 1996 erste Euro-Münzen als gesetzliche Zahlungsmittel verankert. Wichtig einige Originalzertifikate, z.B. die von Pobjoy Mint und dem Chief Financial Officer der ausgebenden Behörde der Isle of Man gemeinsam herausgegebenen, sonst glaubt einem das kaum jemand (Euro als „legal tender“). Diese beiden Hase-und-Igel-Euros „Ick bün all hier“ waren somit „nur“ zwei nationale Zweitwährungen (sie wurden nicht gegenseitig akzeptiert), der Euroland-Euro wird später dann der dritte Euro werden. Es ist nach meinem Verständnis ähnlich wie beim Dollar, auch diesen gibt es ja in mehreren Ländern und in mehr als einer Währung. Diese National-Euros waren wohl 1:1 an den ECU gekoppelt, dessen Wert später 1:1 in den Euro überging. Weiß jemand Näheres zu den einschlägigen Bestimmungen? Welch Schelmenstreich der Währungsgeschichte, dass beide der Gemeinschaftswährung 1999 gar nicht beigetreten sind, aber die ersten Euro-Münzen geprägt haben.
Somit war von 1996 bis 1998 anstelle einer Gemeinschaftswährung ein vogelwildes Multikulti angesagt: es gab den ECU als Währungskorb, vier nationale ECU-Zweitwährungen, und zwei Euro-Zweitwährungen, wobei es sich letztlich nur um Umbenennungen der ECUs handelte. Der Blick in die jeweiligen Gesetze sollte auch hier die Rechtsfindung erleichtern (man muss sie nur noch finden).
8. Abteilung: Münzen mit doppelter Wertangabe, nunmehr in nationaler Währung und Euro
Einige Belegexemplare, insbesondere aus Frankreich und der Isle of MAN.
Nachdem man sich auf Vorschlag von Theo Waigel auf den Namen „Euro“ als Name der Gemeinschaftswährung geeinigt hatte, stellten Frankreich, Isle of Man sowie Soa Tome und Principe die zweite Wertangabe von ECU auf Euro um, Frankreich sogar bei der laufenden Münzserie berühmter europäischer Bauwerke. Für den Umlauf waren aber nach wie vor ausschließlich die nationalen Währungen maßgeblich.
Zu klären: wurden diese Münzen alle bei der Euro-Einführung genau wie die Münzen mit nur nationaler Währungsangabe schnöde außer Kurs gesetzt oder galten sie, nunmehr mit dem Euro-Nominal, weiter als kursgültige Münzen? Letzteres würde sie Münzen ohne Zweifel deutlich aufwerten und sie hätten dann aus meiner Sicht eine außerordentlich hohe Sammelwürdigkeit.
9. Abteilung: Kommerzielle Medaillen mit Pseudo-Werten in ECU und Euro
Wenige Belegexemplare genügen mir, Ästheten mögen dieses Abteil vielleicht nur mit Naserümpfen betreten. Wer mag, kann heute natürlich dennoch die Medaillen nahe am Schmelzwert einsammeln, auch sie gehören ja letztlich zur Zeitgeschichte dazu.
Ein Tsunami an Phantasiemedaillen aus vielen Ländern überschwemmte damals den Markt und macht seither die Unterscheidung zwischen kursgültigen Münzen und geringwertigen Medaillen für Interessenten schwer, zumal Handelshäuser einen bunten Mix aus Münzen und Medaillen als „erste Euros“ vermarktet und mit eigenen Zertifikaten „bereichert“ haben. Der sonst oft hilfreiche Online-Katalog Numista führt die ECUs sowie die Euromünzen der Isle of Man als „fantasy items“ und nicht als Münzen, während Ucoin gar manche Medaille als Sammlermünze aufführt.
Wie weiter?
Vorschlag: wenn es zu diesem Thema noch keine allgemein verfügbare Publikation gibt, dann schreiben wir halt eine (inklusive Angabe/Dokumentation von Primärquellen), mit Schwerpunkt auf den o.g. Kapiteln 3, 7 und 8.
Was ich noch suche: Infos darüber, wie es nach der Euro-Umstellung mit den ECU- und Euro-Münzen weitergegangen ist (außer Kurs gesetzt oder nicht, und falls ja, wann?).