Raider, Twix und 1/2 Mark

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Guten Abend allerseits! Ich lese jetzt schon seit längerem interessiert in diesem Forum mit, weil es hier eine menge Sachverstand zu geben scheint. Jetzt habe ich mich registriert, um auch mal eine Frage stellen zu können. Ich sammle u.a. Deutschland ab 1871 (nur Erschwingliches) und habe noch nirgendwo eine Erklärung dafür gefunden, warum eigentlich das 50-Pfennig-Stück ab 1905 auf einmal 1/2 Mark heißt. War das nach dem Motto "aus Raider wird Twix, sonst ändert sich nix" - Design, Maße, Gewicht und Feingehalt sind doch identisch geblieben - oder gab es dafür irgendeinen sachlichen Grund? Wäre nett, wenn mich jemand aufklären könnte.
 
Guten Abend allerseits! Ich lese jetzt schon seit längerem interessiert in diesem Forum mit, weil es hier eine menge Sachverstand zu geben scheint. Jetzt habe ich mich registriert, um auch mal eine Frage stellen zu können. Ich sammle u.a. Deutschland ab 1871 (nur Erschwingliches) und habe noch nirgendwo eine Erklärung dafür gefunden, warum eigentlich das 50-Pfennig-Stück ab 1905 auf einmal 1/2 Mark heißt. War das nach dem Motto "aus Raider wird Twix, sonst ändert sich nix" - Design, Maße, Gewicht und Feingehalt sind doch identisch geblieben - oder gab es dafür irgendeinen sachlichen Grund? Wäre nett, wenn mich jemand aufklären könnte.

Ich kann die Quelle auf Anhieb nicht nennen, aber der Grund war, wenn ich mich recht entsinne, dass das Fünfzigpfennigstück ab 1877 optisch der Mark stärker ähnelte, als den Werten von 1 bis 10 Pfennig. Dem sollte durch eine Änderung der Wertangabe rechnung getragen werden.

An dieser Stelle muss nun gefragt werden : und wie haben die Deutschen diese Münze dann genannt ? Weiterhin " fünfziger " oder " halbe Mark " ?
 
Das wäre natürlich möglich. An dei Ähnlichkeit des 50ers und des Markstücks habe ich noch gar nicht gedacht. Aber wenn den Verantwortlichen damals das auch erst nach 28 Jahren aufgefallen ist ... Vielen Dank schon mal für deine Antwort!
 
Mir soll es recht sein, dass sie es geändert haben. Ich finde, die Halbe Mark ist eine der schönsten Münzen. Aber nur meine ganz persönliche Meinung....;)
 
Das wäre natürlich möglich. An dei Ähnlichkeit des 50ers und des Markstücks habe ich noch gar nicht gedacht. Aber wenn den Verantwortlichen damals das auch erst nach 28 Jahren aufgefallen ist ... Vielen Dank schon mal für deine Antwort!

Eine plausible Erklärung für diese lange Reaktionszeit habe ich auch nicht, ausser, dass die Funktionalität durch die Bennenung des Nominals natürlich nicht beeinträchtigt wurde. Wichtig war es, die Verwechslungsgefahr zwischen Groschen und Fünfzigpfennigstück zu bannen, das geschah durch die Umgestaltung des Münzbildes. Allerdings kam es zu keiner Einziehung des ersten Fünfzigpfennigstückes. Vielleicht ganz gut so, denn sonst hätte es sicherlich diese hübsche Stelle bei Fontane nicht gegeben :

" Leopold Treibel, der im Geschäft seines älteren Bruders thätig war, während er im elterlichen Hause wohnte, hatte sein Jahr bei den Gardedragonern abdienen wollen, war aber, wegen zu flacher Brust, nicht angenommen worden, was die ganze Familie schwer gekränkt hatte. Treibel selbst kam schließlich drüber weg, weniger die Commerzienrätin, am wenigsten Leopold selbst, der – wie Helene bei jeder Gelegenheit und auch an diesem Morgen wieder zu betonen liebte – zur Auswetzung der Scharte wenigstens Reitstunde genommen hatte. Jeden Tag war er zwei Stunden im Sattel und machte dabei, weil er sich wirklich Mühe gab, eine ganz leidliche Figur.

Auch heute wieder, an demselben Morgen, an dem die alten und jungen Treibel's ihren Streit über dasselbe gefährliche Thema führten, hatte Leopold, ohne die geringste Ahnung davon, sowohl Veranlassung wie Mittelpunkt derartiger heikler Gespräche zu sein, seinen wie gewöhnlich auf Treptow zu gerichteten Morgenausflug angetreten und ritt, von der elterlichen Wohnung aus, die zu so früher Stunde noch wenig belebte Köpnickerstraße hinunter, erst an seines Bruders Villa, dann an der alten Pionierkaserne vorüber. Die Kasernenuhr schlug eben sieben, als er das Schlesische Thor passierte. Wenn ihn dies im Sattelsein ohnehin schon an jedem Morgen erfreute, so besonders heut, wo die Vorgänge des voraufgegangenen Abends, am meisten aber die zwischen Mr. Nelson und Corinna geführten Gespräche noch stark in ihm nachwirkten, so stark, daß er mit dem ihm sonst wenig verwandten Ritter Karl von Eichenhorst wohl den gemeinschaftlichen Wunsch des »Sich Ruhe-Reitens« in seinem Busen hegen durfte. Was ihm equestrisch dabei zur Verfügung stand, war freilich nichts weniger als ein Dänenroß voll Kraft und Feuer, sondern nur ein schon lange Zeit in der Manege gehender Graditzer, dem etwas Extravagantes nicht mehr zugemutet werden konnte. Leopold ritt denn auch Schritt, so sehr er sich wünschte, davonstürmen zu können. Erst ganz allmählich fiel er in einen leichten Trab und blieb darin, bis er den Schafgraben und gleich danach den in geringer Entfernung gelegenen »Schlesischen Busch« erreicht hatte, drin am Abend vorher, wie ihm Johann noch im Momente des Abreitens erzählt hatte, wieder zwei Frauenzimmer und ein Uhrmacher beraubt worden waren. »Daß dieser Unfug auch gar kein Ende nehmen will! Schwäche, Polizeiversäumnis.« Indessen bei hellem Tageslichte bedeutete das alles nicht allzu viel, weshalb Leopold in der angenehmen Lage war, sich der rings umher schlagenden Amseln und Finken unbehindert freuen zu können. Und kaum minder genoß er, als er aus dem »Schlesischen Busche« wieder heraus war, der freien Straße, zu deren Rechten sich Saat und Kornfelder dehnten, während zur Linken die Spree mit ihren neben her laufenden Parkanlagen den Weg begrenzte. Das alles war so schön, so morgenfrisch, daß er das Pferd wieder in Schritt fallen ließ. Aber freilich, so langsam er ritt, bald war er trotzdem an der Stelle, wo, vom andern Ufer her, das kleine Fährboot herüberkam, und als er anhielt, um dem Schauspiele besser zusehen zu können, trabten von der Stadt her auch schon einige Reiter auf der Chaussee heran, und ein Pferdebahnwagen glitt vorüber, drin, so viel er sehen konnte, keine Morgengäste für Treptow saßen. Das war so recht, was ihm paßte, denn sein Frühstück im Freien, was ihn dort regelmäßig erquickte, war nur noch die halbe Freude, wenn ein halb Dutzend echte Berliner um ihn herumsaßen und ihren mitgebrachten Affenpinscher über die Stühle springen oder vom Steg aus apportieren ließen. Das alles, wenn dieser leere Wagen nicht schon einen vollbesetzten Vorläufer gehabt hatte, war für heute nicht zu befürchten.

Gegen halb acht war er draußen, und einen halbwachsenen Jungen mit nur einem Arm und dem entsprechen den losen Ärmel (den er beständig in der Luft schwenkte) heranwinkend, stieg er jetzt ab und sagte, während er dem Einarmigen die Zügel gab: »Führ es unter die Linde, Fritz. Die Morgensonne sticht hier so.« Der Junge that auch, wie ihm geheißen, und Leopold seinerseits ging nun an einem von Liguster überwachsenen Staketenzaun auf den Eingang des Treptower Etablissements zu. Gott sei Dank, hier war alles wie gewünscht, sämtliche Tische leer, die Stühle umgekippt und auch von Kellnern niemand da, als sein Freund Mützell, ein auf sich haltender Mann von Mitte der Vierzig, der schon in den Vormittagsstunden einen beinahe fleckenlosen Frack trug und die Trinkgelderfrage mit einer erstaunlichen, übrigens von Leopold (der immer sehr splendid war) nie herausgeforderten Gentilezza behandelte. »Sehen Sie, Herr Treibel,« so waren, als das Gespräch einmal in dieser Richtung lief, seine Worte gewesen, »die meisten wollen nicht recht und streiten einem auch noch was ab, besonders die Damens, aber viele sind auch wieder gut und manche sogar sehr gut und wissen, daß man von einer Cigarre nicht leben kann und die Frau zu Hause mit ihren drei Kindern erst recht nicht. Und sehen Sie, Herr Treibel, die geben und besonders die kleinen Leute. Da war erst gestern wieder einer hier, der schob mir aus Versehen ein Fünfzig-Pfennigstück zu, weil er's für einen Zehner hielt, und als ich's ihm sagte, nahm er's nicht wieder und sagte blos: »Das hat so sein sollen, Freund und Kupferstecher; mitunter fällt Ostern und Pfingsten auf einen Dag.«

( aus Fontane : " Jenny Treibel " )
 
Wahnsinn, welche Arbeit du dir machst, Kronerogöre. Und zu allem Numismatikwissen dann auch noch Belesenheit. Jenny Treibel hab ich gelesen, bevor ich mit dem Sammeln anfing, aber selbst als Sammler wär mir diese Stelle bestimmt nicht aufgefallen. Respekt! Wirklich ein guter Beleg dafür, warum 1877 das Design der 50er geändert wurde. War halt auch erst erst mal wichtiger als die Namensänderung. Wo wir aber gerade bei den Klassikern sind, auch wenn's jetzt ein wenig off topic wird: Thomas Mann beschreibt in "Tobias Mindernickel", wie der Protagonist einen Hund für 10 Mark kauft und unter anderem mit einem Drei-Mark-Stück bezahlt. Die Erzählung ist allerdings von 1898, also ein paar Jahre älter als die Dreier. Wurden vielleicht die damals ja wohl noch gültigen Vereinstaler schon als "drei Mark" bezeichnet?
 
Wahnsinn, welche Arbeit du dir machst, Kronerogöre. Und zu allem Numismatikwissen dann auch noch Belesenheit. Jenny Treibel hab ich gelesen, bevor ich mit dem Sammeln anfing, aber selbst als Sammler wär mir diese Stelle bestimmt nicht aufgefallen. Respekt! Wirklich ein guter Beleg dafür, warum 1877 das Design der 50er geändert wurde. War halt auch erst erst mal wichtiger als die Namensänderung. Wo wir aber gerade bei den Klassikern sind, auch wenn's jetzt ein wenig off topic wird: Thomas Mann beschreibt in "Tobias Mindernickel", wie der Protagonist einen Hund für 10 Mark kauft und unter anderem mit einem Drei-Mark-Stück bezahlt. Die Erzählung ist allerdings von 1898, also ein paar Jahre älter als die Dreier. Wurden vielleicht die damals ja wohl noch gültigen Vereinstaler schon als "drei Mark" bezeichnet?

Oh vielen Dank . Durch das " Projekt Gutenberg " sind Literaturzitate glücklicherweise leicht anzubringen.
Mich freut es immer, solche Belege für die Verwendung von Geldstücken zu finden, zudem blieb ich an dem Passus auf grund der für unseren Sprachgebrauch ungewöhnlichen Gebrauch des Ausdruckes " Kupferstecher " hängen.
Die Stelle bei Thomas Mann finde ich auch interessant. Das ab 1908 geprägte Dreimarkstück wurde ja Taler genannt, dass andersrum auch die Taler " Dreimarkstück " genannt wurden, wusste ich noch nicht.
 
Ich kann die Quelle auf Anhieb nicht nennen, aber der Grund war, wenn ich mich recht entsinne, dass das Fünfzigpfennigstück ab 1877 optisch der Mark stärker ähnelte, als den Werten von 1 bis 10 Pfennig. Dem sollte durch eine Änderung der Wertangabe rechnung getragen werden.

An dieser Stelle muss nun gefragt werden : und wie haben die Deutschen diese Münze dann genannt ? Weiterhin " fünfziger " oder " halbe Mark " ?

1/2 Mark klingt irgendwie werthaltiger als 50 Pfennig. Vielleicht war auch eine Aufwertung dieser Münze, die angesichts der ausgeprägten Mengen eine herausragende Bedeutung im Zahlungsverkehr gehabt haben muss, bezweckt.
 
[...]und habe noch nirgendwo eine Erklärung dafür gefunden, warum eigentlich das 50-Pfennig-Stück ab 1905 auf einmal 1/2 Mark heißt. War das nach dem Motto "aus Raider wird Twix, sonst ändert sich nix" - Design, Maße, Gewicht und Feingehalt sind doch identisch geblieben - oder gab es dafür irgendeinen sachlichen Grund? Wäre nett, wenn mich jemand aufklären könnte.

Hallo issyr7 und herzlich Willkommen im Forum!

es ist in der Tat eine sehr interessante Fragestellung. Zum einen wurde ja gerade wegen der Verwechselungsgefahr mit den 10 Pfennig-Stücken das Design der 50 Pfennig-Stücke denen der 1 Mark-Stücke angepasst. Diese Anpassung wurde am 9. Mai 1877 vom Beschluß des Bundesrats beschlossen (Protokolle d. Bundesraths, S. 156, §271) [zitiert nach K-D Seidel, 1973, S. 35].

Jetzt hat der Bundesrat am 6. Oktober 1904 folgendes beschlossen (Protokolle d. B., S. 315, §559) [Seidel 1973, S. 44]:

"Es wurde beschlossen, den Anträgen in der Vorlage, betreffend die Gestaltung und Ausprägung der Fünfzigpfennigstücke - Nr. 111 der Drucksachen - zuzustimmen.
Drucksache 111 zu den Verhandlungen des Bundesraths des Deutschen Reichs, Jahrgang 1904:
[...]Hierbei wird sich zwar angesichts der auf den Münzstätten zu Berlin und zu München vorgenommenen zahlreichen Prägeversuche, die zu keinem befriedigendem Ergebnisse geführt haben [...], nur erübrigen, an der vom Bundesrate durch Beschluß vom 9. Mai 1877 (§271 der Protokolle) festgesetzten Form im allgemeinen festzuhalten. Jedoch wird sich empfehlen, die Wertbezeichnung "50 Pfennig" durch die Wertangabe "1/2 MARK" zu ersetzen, da letztere namentlich wenn ihr eine scharf hervortretendere Form gegeben wird, besonders geeignet sein dürfte, die Unterscheidung von dem Zehnpfennigstück zu erleichtern. Diesem Zwecke wird ferner eine schärfere Gestaltung der Riffelung des Randes dienlich sein[...]

Also gab es noch immer Probleme mit Verwechselungen. Zusätzlich wurde im selben beschluss noch erwähnt, dass die im Umlauf befindlichen 50-Pfennig-Stücke bereits stark abgenutzt seien und daher eine Umprägung nicht mehr aufzuschieben sei.

Beste Grüße,
JPN
 
Hallo,
ich gebe mal auch meinen "Senf" dazu, denn ich habe eine andere Theorie, die für mich sehr logisch klingt:

Der Annahmezwang von Scheidemünzen aus unedlen Metallen galt bis zum Betrag von 1 Mark. Silbermünzen mussten bis 20 Mark angenommen werden.

Mit der Einführung der 1/2 Mark Münze war nun die Situation geschaffen, dass...

  • alle im Umlauf befindlichen und auf "Pfennig" lautenden Münzwerte immer aus nicht-edlen Metallen waren*
  • alle auf "Mark" lautenden, silberfarbenen Münzen echte Silbermünzen waren
  • die "Halbe Mark" in Bezug auf Silbergehalt exakt die Hälfte von dem Silbergehalt der "ganzen" Mark hatte
  • und man immer dieselbe Menge an Feinsilber in der Hand hatte, egal ob man fünf Mark als großes Fünferstück oder fünf Mark in 1/2 Mark Stücken besaß.
Das sorgte für eine schöne Ordnung beim Kleingeld im Geldbeutel und man wusste gleich, was man da hatte. Pfennig=unedles Metall, Mark=immer Silber drin.


Ich sehe diesen Hintergrund auch als eine mögliche Erklärung für die Tatsache, dass man trotz Kriegszeiten nie ein unedles 1/2 Mark Stück in Umlauf brachte. Man prägte vielmehr bis 1919 noch diese Stücke aus Silber. Mark "drauf" - Silber "drin".



Ach ja, in den 1920er Jahren kam wieder ein 50-Pfennig-Stück. Obwohl die Leute an die 1/2 Mark ja mittlerweile gewöhnt waren. Aber es war ja auch nicht aus Silber, daher wieder eine "Pfennig"-Münze.


Nur eine Theorie von mir, aber sie klingt zumindest vernünftig ;-)


LG Julia


*Die Silber-20-Pfennige waren zu diesem Zeitpunkt längst ungültig, daher musste man in dieser Hinsicht nichts verändern.
 
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