@lightning
Was passiert aber, wenn Du ob Deiner Weigerung vom "Altsprech" abzulassen, stigmatisiert (wie im SZ-Faksimile im Beitrag #39 geschehen), denunziert oder einer Inquisition unterzogen wirst, McCarthy läßt grüßen? Wie würdest Du urteilen, wenn Verlage gezwungen würden, bei der Neuauflage von Schriftwerken vorher "durchzugendern"? Ich stelle mir gerade folgenden Titel vor: "Johann Wolfgang von Goethe - Römische Elegien - geschlechterredigiert und feministisch überarbeitet" - gruselig. Würdest Du sowas noch lesen wollen (wer es nicht kennt, das ist der "Porno" des späten 18.Jahrhunderts)? Wie würdest Du reagieren wenn Kinder schlechtere Noten für ihren Aufsatz erhalten, weil sie "Genderfehler" machen, auch wenn es mit dem eigentlichen Aufsatzthema gar nichts zu tun hätte? Was , wenn Lehrer (generisches Maskulinum!) aus dem Schuldienst entfernt würden, wenn sie sich solchen Entwicklungen verweigern. Was sagst Du, wenn öffentliche Bibliotheken gezwungen werden, "nichtgegenderte" Bücher aus den Regalen zu entfernen? Was, wenn diese Bücher irgendwann brennen? Ein sehr guter Film dazu - "Pleasentville - zu schön um wahr zu sein" (zu schade, kam letzten Sonntag 20:15 auf SIXX).
Ich habe von einem Vertragsentwurf eines Industrieunternehmens für eine Lieferung an eine Kommune gehört. 10 Prozent der kommunalen Änderungswünsche bezogen sich auf technische oder kaufmännische Details, 90 Prozent (!) waren Änderungsforderungen wegen Verstößen gegen irgendeine Genderrichtlinie, die überhaupt nichts mit dem Vertragsziel oder der Vertragserfüllung zu tun hatten. Wenn Unternehmen zukünftig solchen Zusatzaufwand einpreisen mag ich mir die volkswirtschaftlichen Auswirkungen gar nicht ausmalen.
Natürlich verändert und entwickelt sich Sprache. Als wir in der Schule "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" behandelt haben, kann ich mich an ein Druckexemplar erinnern, welches in einer Spalte die Originalrechtschreibung und in der anderen Spalte eine Überarbeitung für den geneigten Leser (generisches Maskulinum!) des 20. Jahrhunderts enthielt, zudem noch zahlreiche Fußnoten, um außer Gebrauch gefallene oder bedeutungsgewandelte Wörter seit Erscheinen 1668 zu erläutern. Unsere Enkel werden sich in zig Jahren immer wieder wundern, wenn Omma und Oppa diesen komischen Genitiv in der Alltagssprache verwenden und die "alten" Bücher sind auch noch voll davon. Aber das ist nicht vergleichbar mit dem, was hier gerade passiert.
Übrigens gibt es im Deutschen, wenn auch erheblich seltener, ein generisches Femininum (Bsp: Hebamme, Leiche) und ein generisches Neutrum (Bsp: Kind, Mitglied). Darüber habe ich einen Genderwahnsinnigen (generisches Maskulinum!) noch nie schwadronieren hören.