Seinen Fritz wird Deutschland nicht vergessen

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Wie bereits im vorletzten und im vergangenen Jahr folgt hier eine Auswahl an Artikeln und Glossen aus dem mecklenburgischen Käseblatt ” Wöchentliche Anzeigen für das Fürsthentum Ratzeburg ”. Beim Durchstöbern des Sites nach Einträgen mit Bezug zu den Münzen des Kaiserreichs beeindruckte mich besonders, welches Interesse die Münzserie Kaiser Friedrichs, des 100 – Tage – Kaisers in der Tagespresse fand. Diese Münzen gehören für mich zu den gelungensten Stücken des Sammelgebietes. Überaschenderweise fand sich auch ein Artikel, der von einer “ Reichsmünze ” genannten Prägeanstalt handelt, in der , was irgendwie bekannt klingt, Kommerzprägungen angefertigt wurden.

19.04.1887
Wo stecken die 5 Milliarden Franks oder 4 Milliarden Mark, welche Deutschland von Frankreich als Kriegsentschädigung erhalten hat? Nahezu 1 Milliarde Mark besitzt das Deutsche Reich noch gegenwärtig in 5 Fonds, dem Invalidenfonds, welcher mit 561 Millionen Mark ausgestattet ist, dem Reichsfestungs= und dem Reichseisenbahn=Baufonds, dem bekannten Kriegsschatz von 120 Millionen im Juliusthurm in Spandau und dem Fonds für das Reichstagsgebäude (24 Millionen), wozu noch die Zinsen seit 1873 kommen. Die zweite Milliarde ist lediglich durch die Hände des Reiches gegangen, indem mit derselben sofort die drei Kriegsanleihen von 120 Millionen, 100 Millionen und 120 Millionen preußischer Thaler = 1020 Millionen Mark getilgt worden sind. Von den beiden letzten sind etwa 1 1/4 Milliarden verwandt zum Ersatz der direkt durch den Krieg erwachsenen Schäden; wir nennen nur die Hauptrubriken: für die Wiederherstellung der gesammten im Feldzug verschlissenen Heeresausrüstung (das sogen. Retablissement) 320 Millionen, die Vergütung sämmtlicher Kriegsschäden in Elsaß=Lothringen und Baden (Kehl), sämmtlicher Schäden der deutschen Rhederei durch die Kaperei, die Erstattung sämmtlicher Kriegskosten der deutschen Gemeinden (Einquartierung, Fuhren), die Transportkosten der Eisenbahnen für Beförderung sämmtlicher Truppen, Vorräthe, Gefangenen. Ueber die dann noch übrigen 3/4 Milliarden ist zu einem kleineren Theil für bestimmte große Reichszwecke verfügt, namentlich die Kosten der Einführung der Münzeinheit, also der Prägung der gesammten neuen Münzen; ferner die Reichsbeihilfe zur Gotthardbahn und die bekannten Dotationen des Fürsten Bismarck und der Generale (12 Millionen). Eine bescheidene halbe Milliarde endlich ist zur Austheilung an die einzelnen Staaten gelangt und in der mannigfachsten Weise verwandt zur Schuldentilgung, zu Steuererlässen, Verbesserung der Beamtengehälter, in Preußen speziell auch zur Dotation der Provinzialverbände.


06.05.1887
Die deutschen Goldausprägungen haben die 2. Milliarde überschritten. Uebersehen darf dabei nicht werden, daß ein guter Theil davon im Ausland in die Schmelztiegel gewandert ist. Man schätzt den Verbrauch Deutschlands an Gold für industrielle Zwecke auf jährlich 33 Millionen Mark, wovon ein erheblicher Theil durch Reichsmünzen gedeckt wird. Nicht milder verbraucht auch die Schweizerische Industrie (Uhren) alljährlich erhebliche Summen Reichsgold, während Auswanderer und Reisende unsere Münzen über die ganze Welt verschleppen und namentlich die Vereinigten Staaten fortdauernd Gold an sich ziehen. Nachweisen läßt sich die Umprägung von etwa 200 Millionen Mark deutscher Reichsgoldmünzen auf fremden Münzstätten.


03.01.1888
Ein ebenso reizendes als kostbares Geschenk machte am heiligen Abend ein Berliner Großkaufmann seiner Schwiegertochter. Das Geschenk bestand in einem kleinen Weihnachtsbaum, dessen Zweige mit 500 Mark in Gold, theils in Zehnmark=, theils in Fünfmarkstücken, behangen waren. Die Goldmünzen waren leicht mit Siegellack an grüne Seide befestigt.


13.04.1888
Ein Stempel für die neuen Münzen mit der Büste des Kaisers Friedrich ist von dem Modelleur Weigand angefertigt und dem Kaiser vorgelegt worden. Da er die volle Billigung gefunden haben soll, so dürfte die Ausprägung der neuen Münzen schon in nächster Zeit ihren Anfang nehmen


17.04.1888
Die ersten Münzen mit dem Bildnisse des Kaisers Friedrich werden Kronenstücke, (10 Mk. in Gold) sein, welche in etwa vier Wochen zur Ausgabe gelangen werden. Für Münzensammler dürfte die Notiz von Interesse sein, daß gelegentlich des Ablebens von Kaiser Wilhelm besondere Gedenkmünzen nicht geprägt werden.


24.04.1888
Die Vorbereitungen wegen Herstellung des neuen Prägestempels mit dem Bilde Kaiser Friedrichs sind so weit gefördert, daß in der übernächsten Woche mit der Prägung von Münzen, zunächst Zwanzigmarkstücken, begonnen werden kann.


11.05.1888
In München sind soeben neue Geldmünzen mit dem Bild des Königs Otto fertig gestellt worden. Dieselben zeigen auf ihrer Aversseite den sehr jugendlich gehaltenen Kopf des Königs Otto, darum die Schrift: "Otto, König von Bayern". Der Kopf mit linksseitig gescheiteltem Haar und kleinem Schnurrbärtchen erinnert an den Kopf des Großvaters, des Königs Ludwig I., wie er auf Münzen in den 30er Jahren vorkommt. Die Reversseite ist gleich den bisher verausgabten Zehn= und Zwanzigmarkstücken, in welchen Werthsorten auch die neuen bayerischen Goldmünzen in diesen Tagen in Verkehr gelangen werden


12.06.1888
Wo kommen denn die neuen 20=Markstücke hin? Der Münzdirektor Conrad in Berlin, der die Meldung, die neuen Goldmünzen mit dem Bildniß würden eines Schönheitsfehlers wegen wieder eingezogen, kurz und bündig für falsch erklärt, theilt nebenher gleichzeitig mit, daß bereits 20 Millionen der neuen Doppelkronen und eine noch größere Summe von einfachen Kronen mit dem Bildniß Kaiser Friedrichs in Cours gesetzt seien. Wir hier haben noch keine, weder einfache noch doppelte, gesehen.


22.06.1888
Goldmünzen, 10= und 20=Markstücke, die das Bildniß Kaiser Friedrichs tragen, werden bereits wieder mit hohem Aufschlag gekauft, da sie bereits zu den seltenen Münzen gehören. Das Gleiche gilt von den Goldstücken, die die Jahreszahl 1888 und das Bildniß Kaiser Wilhelms I. tragen.


10.07.1888
In Berlin sind die ersten Zwei=Markstücke mit dem Bilde des Kaisers Friedrich zur Ausprägung gelangt; dieselbe wird in dieser Woche rasch fortgesetzt werden. Die Münzen sind vortrefflich gelungen. Von der blanken Silberfläche der Zwei=Markstücke heben sich die Züge des verstorbenen Kaisers noch wirksamer ab, als auf den Kronen und Doppelkronen. Trotzdem ein erhebliches Quantum dieser Münzen zur Ausprägung gelangt, wird von denselben in den Verkehr als Scheidemünze wohl nur wenig übergehen. Wer in den Besitz eines derartigen Zweimarkstücks gelangt, wird dasselbe gern als eine Erinnerung an den Entschlafenen zurückhalten.


07.08.1888
Der Handel mit Münzen mit dem Bilde Kaiser Friedrichs gewinnt in Berlin immer größere Dimensionen und immer eingehendere Ausbeutung. So werden jetzt sämmtliche Münzen dieser Art nicht nur in Form von Schmucksachen, als Broches, Brelorques, Gehänge an Armbändern etc. ausgeboten, sondern vielfach auch in eleganten Futteralen verkauft, die mit Seide oder Sammet ausgelegt sind und die Gold=Inschrift tragen: "Erinnerung an Kaiser Friedrich III." Vier Münzen der erwähnten Art, ein 20=Markstück, ein 10=, ein 5= und ein 2=Markstück kosten in einem Futteral zusammen 52 Mark.


10.08.1888
Die Reichsbank in Berlin theilt mit, daß ihr Bestand an Silbermünzen mit dem Bilde Kaiser Friedrichs vollständig erschöpft ist. Gesuche um Ueberlassung von solchen Münzen sind also vergebens.


14.08.1888
Nachdem dem Reichsbankdirektorium in Berlin zur Kenntniß gekommen war, daß spekulative Banquiers einen sehr großen Theil von Münzen mit dem Bildniß Kaiser Friedrichs an sich gebracht hätten und daß Unterhändler mit solchen Münzen dicht vor der Reichsbank ihren Handel trieben, ist auf Befehl des Kaisers eine große Summe von dem neuen Geld zurückbehalten worden, damit die Reichsbank in der Lage sei, Personen, welche schriftlich um Verabfolgung derartiger Münzstücke einkommen und nicht in dem Verdacht stehen, mit denselben Handel zu treiben, zu berücksichtigen. Ferner ist angeordnet worden, daß an Gehalt= oder Pensionempfängern einzelner Behörden ein Theil des zu zahlenden Betrages in Münzstücken mit dem Bildniß Kaisers Friedrichs gezahlt werden solle, und so ist es gekommen, daß eine große Zahl von Gehaltsempfängern wenigstens 4 Silbermünzen neuester Prägung erhalten haben. Da die zurückgehaltenen Geldstücke aber nicht genügen, um allen diese Berücksichtigung zu Theil werden zu lassen und Tausende von Gesuchen Privater noch vorliegen, werden jetzt, wie die "Nordd. Allg. Ztg." bekannt giebt, die Prägungen von 5= und 2=Markstücken noch fortgesetzt


17.08.1888
An Friedrichsmünzen, wie man die neuen Münzen mit dem Bildniß Kaiser Friedrichs zu nennen beginnt, sind, nach der amtlichen Uebersicht im vorigen Monat geprägt worden: 401 760 Doppelkronen. 177 428 Kronen, 81 820 Fünfmarkstücke und 500 000 Zweimarkstücke. Wie verlautet, ist man bereits der Frage näher getreten, von den vielbegehrten Fünf= und Zweimarkstücken eine erheblich größere Anzahl auszuprägen, als zuerst beabsichtigt wurde. Dadurch hofft man dem geschäftsmäßigen Handel mit diesen Münzen entgegen zu treten.


04.09.1888
Neue Münzen mit dem Bild Kaiser Wilhelm II. werden noch in diesem Jahr geprägt werden. Das Modell zu einem Stempel mit dem Kopf Kaiser Wilhelms ist bereits in Angriff genommen worden.


14.09.1888
- Dreikaiser=Nickel werden vom Volksmunde die Zehnpfennigstücke mit der verhängnißvollen Jahreszahl 1888 genannt. Auch für diese Münzen finden sich Sammler.


15.02.1889
Silberne Fünfmarkstücke mit dem Bildniß Kaiser Wilhelms II. und der Jahreszahl 1888 sind soeben zur Ausgabe gelangt. Die Prägung der Münzen ist eine vorzügliche und namentlich zeichnet sich das Portrait des Kaisers durch seine Naturtreue aus. Ausgeprägt ist nur eine geringe Zahl von Münzen dieser Art. Die weiter zur Ausgabe gelangenden Münzen erhalten sämtlich die Jahreszahl 1889.


08.11.1889
- Die "Reichsmünze" soll eine interessante Denkmünze in Form eines Zweimarkstückes auf Kaiser Friedrich geprägt haben. Die Münze zeigt den Kopf des verewigten Kaisers mit der Umschrift: "Seinen Fritz wird Deutschland nie vergessen." Unter dem Kopf, auf der Reversseite, befindet sich das Datum des Todestages, 15. Juli 1888. Auf dem Avers steht der Denkspruch: "Lerne leiden, ohne zu klagen." Diese Münzen sind nur in wenigen Exemplaren ausgegeben, desgleichen eine Denkmünze mit dem Bildniß Kaiser Wilhelms auf der einen und des Königs von Italien auf der anderen Seite, und eine andere mit dem Bildniß des Kaisers und des Schahs von Persien. Wir haben die Reichsmünze mit Gänsefüßchen zu schmücken geglaubt, weil es eine Reichsmünz=Anstalt überhaupt nicht giebt; die Berliner ist königlich.
 

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Wie immer hochinteressant und genau nach meinen Geschmack. Ein schöner Beitrag der sicher eine Menge Zeit für Recherchen gefordert hat. Vielen Dank für Deine Arbeit.

Gruß epareiner
 
Wieder sehr informativ und spannend zu lesen - versetzt mich doch so richtig als Betrachter in die Zeit :)
Vielen Dank dafür :)
 
Danke für den sehr interessanten Bericht.

Gegen das "vergoldete Weihnachtsbäumchen" als festliche Überraschung hätte ich auch nichts einzuwenden. :D
 
Vielen Dank für diesen sehr informativen Beitrag. Besonders interessant fand ich, das damals schon erheblich auf die Numismatiker eingegangen wurde.
 
Vielen Dank für diesen sehr informativen Beitrag. Besonders interessant fand ich, das damals schon erheblich auf die Numismatiker eingegangen wurde.
Das Jahr 1888 stellt wohl einen Scheidepunkt in der Wahrnehmung der neuen Reichsmünzen durch das damalige Publikum da. 1901 wurde dann endlich auch die extrem rigide Münzgesetzgebung von 1871/73 dahingehend abgeändert, daß die Prägung von Sondermünzen wieder gestattet wurde.
Interessant finde ich auch die Notiz vom 7. August 1888, die besagt, die Etuis würden für 52 Mk verkauft werden, also mit einem Aufpreis von 14 Mark für die Pappschachtel. 52 Mk waren damals ein durchschnittlicher Monatslohn für viele. Der Sammler würde also auch damals schon zur Kasse gebeten.
 
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