Guten Morgen an alle!
Ich war letzten Freitag in Osnabrück bei Künker und möchte einmal meine "Markteindrücke" schildern. Ich habe das Thema dieses Threads bewußt etwas pointiert gewählt und verstehe es eher als Denkanstoß denn als feststehende Meinung.
Fazit vorweg: Für mich hat sich die etwa einstündige Fahrt ins Hotel Steigenberger in Osnabrück sowohl kulinarisch als auch numismatisch gelohnt. Der Service (das Catering) bei Künker kann sich wirklich sehen lassen. Die Frage ist, ob dies auch für die angebotenen Münzen gilt. Ich habe diesmal viel besichtigt, auch Stücke, die mich nicht interessiert haben, um ein Gefühl für den aktuellen Markt zu bekommen. Mein genereller Eindruck ist, dass die Erhaltungsangaben bei Künker mittlerweile -dem Zeitgeist folgend- nicht mehr das sind, was sie waren. Es gab einige echt schöne Stücke, aus dem Kaiserreich speziell Preußen, aber die Masse war "schön geschrieben". Wer den Katalog hat, kann ja jetzt mitblättern.
Ich hatte die Nr. 7803 (5 Mark Hamburg 1875) auf dem Schirm. Das Stück sieht auf dem bekanntermaßen geduldigen Papier toll aus, in natura war der Münzgrund doch schon arg mit Umlaufspuren übersäht. Ich hätte meinen Beitrag auch mit "Die Kunst, Münzen auf Fotos in einem besseren Licht erscheinen zu lassen" überschreiben können. Das Ergebnis waren € 800,-, was für ein m.E. optisch nicht sehr attraktives Stück rund € 1000,- an der Kasse bedeutet. Blase?
Oder die Nr. 7936 (5 Mark Württemberg 1876 in fast St). Das Stück war berieben, was nicht im Katalog steht. Der Fairness halber möchte ich erwähnen, dass dies allerdings den Saalbietern beim Aufruf gesagt wurde. Aber was ist mit den schriftlichen Bietern aus dem bayerischen Wald oder aus Norwegen ? M.E. hat ein in eigenen Worten führendes Auktionhaus solche "Kleinigkeiten" im Katalog niederzulegen. Überhaupt war auffällig, dass viele hoch geschätzte und bewertete Stücke berieben waren oder zumindest deutliche, teils massive Haarlinien hatten, was unisono nicht angegeben war. Positiv hier wiederum, dass Künker gutes Licht im Besichtigungsraum hat und man von daher nur die Augen aufzumachen braucht.
Der absolute Tiefpunkt war die Nr. 7944, der letzte Württemberger. Das Stück war nie und nimmer vz-St, dazu hatte es viel zu deutliche Reinigungs- und Putzspuren. Jawohl: richtig fiesen Katzenglanz. Zuschlag by the way € 5.400,- plus Aufgeld und Steuer. Blase????
And now, Ladies and Gentlemen, Russia: Nur Händler mit Handy am Ohr und sehr ambitionierte Zuschläge bei z.T. richtig fragwürdiger Qualität. Ich hätte mir gerne noch einen gut erhaltenen Rubel Nikolaus II. zugelegt, aber die waren entweder bei guter Qualität unbezahlbar oder aber trotz vollmundiger Beschreibung grottig. So fing der Absturz des Marktes kurz vor Ausbruch der Finanzkrise an. Russland war völlig überhitzt, alles verkaufte sich ohne Rücksicht auf Qualität und dann brach der russische Markt ein, der Rest ging mit. Gut für Sammler, in der Zeit habe ich einen Bayern-Fünfer von 1913 in einem echten fast St für ca. € 35,- ersteigern können.
Und was ist mit China? Nachholpotenzial oder Blase???
Ich habe also -Ihr könnt es herauslesen- einen recht zwiespältigen Eindruck gewonnen. Ob sich ein Markt in einer Blase befindet, kann man frei nach Alan Greenspan, Ex-Chairman der FED, immer erst nach deren Platzen sagen. Ich versuche einmal, eine Analogie zur Börse zu ziehen. Dort sagt man, dass Anzeichen einer Blasenbildung dann vorliegen, wenn alle Aktien unterschiedslos steigen, ohne Rücksicht auf Qualität. Und genau dieses Phänomen meine ich zu erkennen. Ich habe kein Problem damit, wenn Reichsmünzen in Spitzenerhaltungen gute Zuschläge erbringen, außer dass ich mich vielleicht ärgere, weil ich nicht zum Zug gekommen bin. Aber im Moment scheint allerlei fragwürdiges Material um jeden Preis gekauft zu werden, und da sehe ich das Problem. Wenn der Markt irgendwann einmal dreht, werden diese Stücke den Handel überschwemmen. Ich möchte nicht behaupten, dass es in näherer Zukunft so kommt und ich möchte erst recht niemanden davon abhalten, auch heute noch in das spannende Thema der Reichsmünzen einzusteigen oder die Sammlung weiter zu pflegen. Ich stehe ja trotz meiner Skepsis auch nicht nur Gewehr bei Fuss und warte evtl. bis zum Sanktnimmerleinstag auf den Crash. Aber man sollte sich des wirtschaftlichen Risikos durchaus im Klaren sein und sehr selektiv vorgehen.
Bei Reichsgold ist vielleicht der Zenith schon erreicht oder überschritten. J. 245 Jahrgang 1878 B, geschätzt auf € 80.000,- in ss, ging für schlappe € 65.000,- weg. Wenn das kein Schnäppchen war...
Soll jeder selbst sehen, wie er damit umgeht und welche Meinung er hat. Ich würde mich jedenfalls nicht entmutigen lassen. Ein Händler hat mir vor etwa 3 Jahren angesichts einer angeregten Diskussion über die ständig teurer werdenden Reichsmünzen den Rat gegeben, es doch einmal mit Geprägen der Weimarer Republik zu versuchen, denn die seien viel seltener aber zurzeit nicht so gefragt, mithin "unterbewertet". Da ich diese Stücke künstlerisch auch für sehr gelungen halte, habe ich Weimar als "Seitenprojekt" für mich kennen und lieben gelernt und kann so gerade auf Auktionen auch einmal "fremdgehen". So habe ich die Nr. 7953, 3 RM Lübeck in PP minimal berührt, für 80% des niedrigen Schätzwertes bekommen. Also: Auch bei Künker kann man Schnäppchen machen und das Stück ist in meinen Augen wirklich schön. Wer jung und inhaltlich-thematisch flexibel ist, sollte ruhig einmal zu Künker gehen. Die Fahrkosten müssen sich mit dem Buffet die Waage halten und man braucht nur wie ein guter Stürmer à la Gerd Müller auf Abstauber zu warten.
Im Anhang meine Neuerwerbung, (C) für das Foto bei Künker. Ich werde versuchen, vom Auktionhaus noch eine bessere Auflösung zu erhalten, damit das Stück dann auch bei den gut erhaltenen Münzen eingestellt werden kann.
Einen schönen Sonntag, Thomas
Ich war letzten Freitag in Osnabrück bei Künker und möchte einmal meine "Markteindrücke" schildern. Ich habe das Thema dieses Threads bewußt etwas pointiert gewählt und verstehe es eher als Denkanstoß denn als feststehende Meinung.
Fazit vorweg: Für mich hat sich die etwa einstündige Fahrt ins Hotel Steigenberger in Osnabrück sowohl kulinarisch als auch numismatisch gelohnt. Der Service (das Catering) bei Künker kann sich wirklich sehen lassen. Die Frage ist, ob dies auch für die angebotenen Münzen gilt. Ich habe diesmal viel besichtigt, auch Stücke, die mich nicht interessiert haben, um ein Gefühl für den aktuellen Markt zu bekommen. Mein genereller Eindruck ist, dass die Erhaltungsangaben bei Künker mittlerweile -dem Zeitgeist folgend- nicht mehr das sind, was sie waren. Es gab einige echt schöne Stücke, aus dem Kaiserreich speziell Preußen, aber die Masse war "schön geschrieben". Wer den Katalog hat, kann ja jetzt mitblättern.
Ich hatte die Nr. 7803 (5 Mark Hamburg 1875) auf dem Schirm. Das Stück sieht auf dem bekanntermaßen geduldigen Papier toll aus, in natura war der Münzgrund doch schon arg mit Umlaufspuren übersäht. Ich hätte meinen Beitrag auch mit "Die Kunst, Münzen auf Fotos in einem besseren Licht erscheinen zu lassen" überschreiben können. Das Ergebnis waren € 800,-, was für ein m.E. optisch nicht sehr attraktives Stück rund € 1000,- an der Kasse bedeutet. Blase?
Oder die Nr. 7936 (5 Mark Württemberg 1876 in fast St). Das Stück war berieben, was nicht im Katalog steht. Der Fairness halber möchte ich erwähnen, dass dies allerdings den Saalbietern beim Aufruf gesagt wurde. Aber was ist mit den schriftlichen Bietern aus dem bayerischen Wald oder aus Norwegen ? M.E. hat ein in eigenen Worten führendes Auktionhaus solche "Kleinigkeiten" im Katalog niederzulegen. Überhaupt war auffällig, dass viele hoch geschätzte und bewertete Stücke berieben waren oder zumindest deutliche, teils massive Haarlinien hatten, was unisono nicht angegeben war. Positiv hier wiederum, dass Künker gutes Licht im Besichtigungsraum hat und man von daher nur die Augen aufzumachen braucht.
Der absolute Tiefpunkt war die Nr. 7944, der letzte Württemberger. Das Stück war nie und nimmer vz-St, dazu hatte es viel zu deutliche Reinigungs- und Putzspuren. Jawohl: richtig fiesen Katzenglanz. Zuschlag by the way € 5.400,- plus Aufgeld und Steuer. Blase????
And now, Ladies and Gentlemen, Russia: Nur Händler mit Handy am Ohr und sehr ambitionierte Zuschläge bei z.T. richtig fragwürdiger Qualität. Ich hätte mir gerne noch einen gut erhaltenen Rubel Nikolaus II. zugelegt, aber die waren entweder bei guter Qualität unbezahlbar oder aber trotz vollmundiger Beschreibung grottig. So fing der Absturz des Marktes kurz vor Ausbruch der Finanzkrise an. Russland war völlig überhitzt, alles verkaufte sich ohne Rücksicht auf Qualität und dann brach der russische Markt ein, der Rest ging mit. Gut für Sammler, in der Zeit habe ich einen Bayern-Fünfer von 1913 in einem echten fast St für ca. € 35,- ersteigern können.
Und was ist mit China? Nachholpotenzial oder Blase???
Ich habe also -Ihr könnt es herauslesen- einen recht zwiespältigen Eindruck gewonnen. Ob sich ein Markt in einer Blase befindet, kann man frei nach Alan Greenspan, Ex-Chairman der FED, immer erst nach deren Platzen sagen. Ich versuche einmal, eine Analogie zur Börse zu ziehen. Dort sagt man, dass Anzeichen einer Blasenbildung dann vorliegen, wenn alle Aktien unterschiedslos steigen, ohne Rücksicht auf Qualität. Und genau dieses Phänomen meine ich zu erkennen. Ich habe kein Problem damit, wenn Reichsmünzen in Spitzenerhaltungen gute Zuschläge erbringen, außer dass ich mich vielleicht ärgere, weil ich nicht zum Zug gekommen bin. Aber im Moment scheint allerlei fragwürdiges Material um jeden Preis gekauft zu werden, und da sehe ich das Problem. Wenn der Markt irgendwann einmal dreht, werden diese Stücke den Handel überschwemmen. Ich möchte nicht behaupten, dass es in näherer Zukunft so kommt und ich möchte erst recht niemanden davon abhalten, auch heute noch in das spannende Thema der Reichsmünzen einzusteigen oder die Sammlung weiter zu pflegen. Ich stehe ja trotz meiner Skepsis auch nicht nur Gewehr bei Fuss und warte evtl. bis zum Sanktnimmerleinstag auf den Crash. Aber man sollte sich des wirtschaftlichen Risikos durchaus im Klaren sein und sehr selektiv vorgehen.
Bei Reichsgold ist vielleicht der Zenith schon erreicht oder überschritten. J. 245 Jahrgang 1878 B, geschätzt auf € 80.000,- in ss, ging für schlappe € 65.000,- weg. Wenn das kein Schnäppchen war...
Soll jeder selbst sehen, wie er damit umgeht und welche Meinung er hat. Ich würde mich jedenfalls nicht entmutigen lassen. Ein Händler hat mir vor etwa 3 Jahren angesichts einer angeregten Diskussion über die ständig teurer werdenden Reichsmünzen den Rat gegeben, es doch einmal mit Geprägen der Weimarer Republik zu versuchen, denn die seien viel seltener aber zurzeit nicht so gefragt, mithin "unterbewertet". Da ich diese Stücke künstlerisch auch für sehr gelungen halte, habe ich Weimar als "Seitenprojekt" für mich kennen und lieben gelernt und kann so gerade auf Auktionen auch einmal "fremdgehen". So habe ich die Nr. 7953, 3 RM Lübeck in PP minimal berührt, für 80% des niedrigen Schätzwertes bekommen. Also: Auch bei Künker kann man Schnäppchen machen und das Stück ist in meinen Augen wirklich schön. Wer jung und inhaltlich-thematisch flexibel ist, sollte ruhig einmal zu Künker gehen. Die Fahrkosten müssen sich mit dem Buffet die Waage halten und man braucht nur wie ein guter Stürmer à la Gerd Müller auf Abstauber zu warten.
Im Anhang meine Neuerwerbung, (C) für das Foto bei Künker. Ich werde versuchen, vom Auktionhaus noch eine bessere Auflösung zu erhalten, damit das Stück dann auch bei den gut erhaltenen Münzen eingestellt werden kann.
Einen schönen Sonntag, Thomas
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