Wann platzt die (Reichs-)münzenblase? - Künker Auktion 230

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Guten Morgen an alle!

Ich war letzten Freitag in Osnabrück bei Künker und möchte einmal meine "Markteindrücke" schildern. Ich habe das Thema dieses Threads bewußt etwas pointiert gewählt und verstehe es eher als Denkanstoß denn als feststehende Meinung.

Fazit vorweg: Für mich hat sich die etwa einstündige Fahrt ins Hotel Steigenberger in Osnabrück sowohl kulinarisch als auch numismatisch gelohnt. Der Service (das Catering) bei Künker kann sich wirklich sehen lassen. Die Frage ist, ob dies auch für die angebotenen Münzen gilt. Ich habe diesmal viel besichtigt, auch Stücke, die mich nicht interessiert haben, um ein Gefühl für den aktuellen Markt zu bekommen. Mein genereller Eindruck ist, dass die Erhaltungsangaben bei Künker mittlerweile -dem Zeitgeist folgend- nicht mehr das sind, was sie waren. Es gab einige echt schöne Stücke, aus dem Kaiserreich speziell Preußen, aber die Masse war "schön geschrieben". Wer den Katalog hat, kann ja jetzt mitblättern.

Ich hatte die Nr. 7803 (5 Mark Hamburg 1875) auf dem Schirm. Das Stück sieht auf dem bekanntermaßen geduldigen Papier toll aus, in natura war der Münzgrund doch schon arg mit Umlaufspuren übersäht. Ich hätte meinen Beitrag auch mit "Die Kunst, Münzen auf Fotos in einem besseren Licht erscheinen zu lassen" überschreiben können. Das Ergebnis waren € 800,-, was für ein m.E. optisch nicht sehr attraktives Stück rund € 1000,- an der Kasse bedeutet. Blase?

Oder die Nr. 7936 (5 Mark Württemberg 1876 in fast St). Das Stück war berieben, was nicht im Katalog steht. Der Fairness halber möchte ich erwähnen, dass dies allerdings den Saalbietern beim Aufruf gesagt wurde. Aber was ist mit den schriftlichen Bietern aus dem bayerischen Wald oder aus Norwegen :D? M.E. hat ein in eigenen Worten führendes Auktionhaus solche "Kleinigkeiten" im Katalog niederzulegen. Überhaupt war auffällig, dass viele hoch geschätzte und bewertete Stücke berieben waren oder zumindest deutliche, teils massive Haarlinien hatten, was unisono nicht angegeben war. Positiv hier wiederum, dass Künker gutes Licht im Besichtigungsraum hat und man von daher nur die Augen aufzumachen braucht.

Der absolute Tiefpunkt war die Nr. 7944, der letzte Württemberger. Das Stück war nie und nimmer vz-St, dazu hatte es viel zu deutliche Reinigungs- und Putzspuren. Jawohl: richtig fiesen Katzenglanz. Zuschlag by the way € 5.400,- plus Aufgeld und Steuer. Blase????

And now, Ladies and Gentlemen, Russia: Nur Händler mit Handy am Ohr und sehr ambitionierte Zuschläge bei z.T. richtig fragwürdiger Qualität. Ich hätte mir gerne noch einen gut erhaltenen Rubel Nikolaus II. zugelegt, aber die waren entweder bei guter Qualität unbezahlbar oder aber trotz vollmundiger Beschreibung grottig. So fing der Absturz des Marktes kurz vor Ausbruch der Finanzkrise an. Russland war völlig überhitzt, alles verkaufte sich ohne Rücksicht auf Qualität und dann brach der russische Markt ein, der Rest ging mit. Gut für Sammler, in der Zeit habe ich einen Bayern-Fünfer von 1913 in einem echten fast St für ca. € 35,- ersteigern können.

Und was ist mit China? Nachholpotenzial oder Blase???

Ich habe also -Ihr könnt es herauslesen- einen recht zwiespältigen Eindruck gewonnen. Ob sich ein Markt in einer Blase befindet, kann man frei nach Alan Greenspan, Ex-Chairman der FED, immer erst nach deren Platzen sagen. Ich versuche einmal, eine Analogie zur Börse zu ziehen. Dort sagt man, dass Anzeichen einer Blasenbildung dann vorliegen, wenn alle Aktien unterschiedslos steigen, ohne Rücksicht auf Qualität. Und genau dieses Phänomen meine ich zu erkennen. Ich habe kein Problem damit, wenn Reichsmünzen in Spitzenerhaltungen gute Zuschläge erbringen, außer dass ich mich vielleicht ärgere, weil ich nicht zum Zug gekommen bin. Aber im Moment scheint allerlei fragwürdiges Material um jeden Preis gekauft zu werden, und da sehe ich das Problem. Wenn der Markt irgendwann einmal dreht, werden diese Stücke den Handel überschwemmen. Ich möchte nicht behaupten, dass es in näherer Zukunft so kommt und ich möchte erst recht niemanden davon abhalten, auch heute noch in das spannende Thema der Reichsmünzen einzusteigen oder die Sammlung weiter zu pflegen. Ich stehe ja trotz meiner Skepsis auch nicht nur Gewehr bei Fuss und warte evtl. bis zum Sanktnimmerleinstag auf den Crash. Aber man sollte sich des wirtschaftlichen Risikos durchaus im Klaren sein und sehr selektiv vorgehen.

Bei Reichsgold ist vielleicht der Zenith schon erreicht oder überschritten. J. 245 Jahrgang 1878 B, geschätzt auf € 80.000,- in ss, ging für schlappe € 65.000,- weg. Wenn das kein Schnäppchen war...:lachtot::lachtot::lachtot:

Soll jeder selbst sehen, wie er damit umgeht und welche Meinung er hat. Ich würde mich jedenfalls nicht entmutigen lassen. Ein Händler hat mir vor etwa 3 Jahren angesichts einer angeregten Diskussion über die ständig teurer werdenden Reichsmünzen den Rat gegeben, es doch einmal mit Geprägen der Weimarer Republik zu versuchen, denn die seien viel seltener aber zurzeit nicht so gefragt, mithin "unterbewertet". Da ich diese Stücke künstlerisch auch für sehr gelungen halte, habe ich Weimar als "Seitenprojekt" für mich kennen und lieben gelernt und kann so gerade auf Auktionen auch einmal "fremdgehen". So habe ich die Nr. 7953, 3 RM Lübeck in PP minimal berührt, für 80% des niedrigen Schätzwertes bekommen. Also: Auch bei Künker kann man Schnäppchen machen und das Stück ist in meinen Augen wirklich schön. Wer jung und inhaltlich-thematisch flexibel ist, sollte ruhig einmal zu Künker gehen. Die Fahrkosten müssen sich mit dem Buffet die Waage halten und man braucht nur wie ein guter Stürmer à la Gerd Müller auf Abstauber zu warten.

Im Anhang meine Neuerwerbung, (C) für das Foto bei Künker. Ich werde versuchen, vom Auktionhaus noch eine bessere Auflösung zu erhalten, damit das Stück dann auch bei den gut erhaltenen Münzen eingestellt werden kann.

Einen schönen Sonntag, Thomas
 

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Hallo,

danke für deine interessanten Schilderungen und deinen Erfahrungsausstausch. Auch ich staune von Auktion zu Auktion und komme selbst ins Grübeln. Bei der Künker-Auktion sind mir vor allem auch die Teils extrem hohen Preise bei den Kolonialmünzen aufgefallen. Ich meine 10.000 Euro für eine 2 Rupien in PP sind fast kaum zu erklären, auch das Stück in PP berieben ist mit den 5.500 Euro der Hammer. Auch die 5 Mark Deutsch Neu-Guinea haben stark im Preis angezogen. Von den Goldmünzen will ich gar nicht sprechen, wenn man die Preise in den letzten ca. 5 Jahren vergleicht. Hier haben sich die Preise verdoppelt bis fast verdreifacht.

Dennoch kann ich keinen dramatischen Anstieg bei den durchschnittlichen Münzen erkennen. Standarderhaltungen und Massenware hat sich im Vergleich zu den Spitzenstücken preislich nicht so entwickelt. Sie korrelieren durchaus mit den erzielten Ergebnissen bei Ebay und anderen Auktionen und orientieren sich näher am Materialwert. Ebenso verhält es sich mit Stücken in der mittleren Preiskategorie. Nur bei sehr gut erhaltenen Stücken haben sich die Preise enorm gesteigert.

In der derzeitigen Situation kann ich die hohen Preise durchaus nachvollziehen. Ich meine, wo sollen die Leute ihr Geld investieren? Aufgrund der anhaltenden Finanzkrise in irgendwelche Bankprodukte zu investieren oder einfach das Geld auf den Konten lassen, ist wegen dem niedrigen Zinsniveau wenig attraktiv. Aktuell wird immer noch in Sachwerte aller Art investiert. Ich denke auch, dass sich das Sammelgebiet international etabliert hat und dadurch sehr gefragt ist. Wenn ich es mit den Emerging Markets vergleiche hat es durchaus noch Potential.

Aber letztlich kann man hier nur spekulieren, denn eine funktionierende Glaskugel gibt es leider nicht. Wichtig ist, dass das Sammeln Spaß macht und nicht das Invest den Hauptentscheid dazu liefert, welche Münzen man aktuell kaufen sollte.

Was das Sammelgebiet "Weimar" anbelangt bin ich deiner Meinung. Angesichts der verbliebenen Stücke sind die Preise zu gering.

mfg
 

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Ja, die Kolonialmünzen hatte ich vergessen zu erwähnen, das war der Hammer. Wobei ich nicht beurteilen kann, wie selten 2 Rupien in PP wirklich sind. Mit der Freude am Sammeln gebe ich Dir recht, wobei ich mich nicht so recht freuen kann, wenn nicht auch der Preis stimmt. Ich glaube, es sind viele "Investoren" am Markt, die das Ganze als Wertanlage (Flucht in Sachwerte) ansehen. Die meisten Sammler haben es gegen diese Kundschaft schon aus fnanziellen Gründen schwer. Ich glaube, die Privatsammler waren Freitag auch nicht sehr zahlreich vertreten, der Handel aber umso mehr.
 
Die Zuschläge bei den Zweirupienstücken fand ich ebenfalls erstaunlich, mit 10.000 für die PP hätte ich nicht gerechnet.
Hast Su zufälligerweise Los 8036 ( 2 Rupien, vz +, attraktives Exemplar ) näher gesehen ? So eine Beschreibung kann eine Rattenfalle sein. Entweder ist es wirklich gut oder in der Feldern geputzt.

Beim Reichsgold fiel mir besonders das für künker sehr kleine Angebot auch an besseren Erhaltungen auf.
Der Zuschlag für Los 7575 ( 10 Mk Hessen 1872 , f st/st ) fiel sogar etwas niedriger aus, als von mir erwartet, der für ein weiteres Reichsgoldstück, das ich beobachtet habe ( 10 Mk Sachsen, Los 7608 ) war so , wie erwartet, in diesen Sphären liegt dieser Typ. Allerdings war ich mir nicht ganz sicher, ob der backenbart vielleicht doch etwas abgenutzt war oder eine leichte rägeschwäche wie bei FooFighters Stück von neulich vorlag.
 
Für mich liest sich das so, als wenn sich in den letzen 10 Jahren an den Tendenzen nix getan hätte ;)
Muss auch mal wieder auf eine Saalauktion, leider nicht leicht für das arbeitende Volk.
Die sollten Samstags stattfinden, wie es Meister und Sonntag anfangs mal gemacht hat.
 
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Danke für deine Eindrücke von der Auktion. Ich habe diesesmal nicht bei Künker geboten, man gut.
Tja, Blase oder nicht??? Zunächst würde ich es eher wie Rambo sehen. Solange viele nicht wissen wohin mit dem Geld, könnte es bei Spitzenstücken so weitergehen. Eine Blase ist für mein verständnis erst dann erreicht, wenn Leute versuchen damit massiv Geld zu verdienen und anfangen das ganze Kreditfinanziert zu machen. Sind wir schon soweit? Dann besteht wirklich die Gefahr das es dann schnell abstürzt. Nun die Zeit wird es zeigen.
 
Die Zuschläge bei den Zweirupienstücken fand ich ebenfalls erstaunlich, mit 10.000 für die PP hätte ich nicht gerechnet.
Hast Su zufälligerweise Los 8036 ( 2 Rupien, vz +, attraktives Exemplar ) näher gesehen ? So eine Beschreibung kann eine Rattenfalle sein. Entweder ist es wirklich gut oder in der Feldern geputzt.

Beim Reichsgold fiel mir besonders das für künker sehr kleine Angebot auch an besseren Erhaltungen auf.
Der Zuschlag für Los 7575 ( 10 Mk Hessen 1872 , f st/st ) fiel sogar etwas niedriger aus, als von mir erwartet, der für ein weiteres Reichsgoldstück, das ich beobachtet habe ( 10 Mk Sachsen, Los 7608 ) war so , wie erwartet, in diesen Sphären liegt dieser Typ. Allerdings war ich mir nicht ganz sicher, ob der backenbart vielleicht doch etwas abgenutzt war oder eine leichte rägeschwäche wie bei FooFighters Stück von neulich vorlag.

Von DOA habe ich mir nichts angeschaut. So wie ich das Foto deute, wirst Du mit bearbeiteten Feldern wahrscheinlich Recht haben. Sehr viele Kaiserreichstücke, die ich nach Foto ausgesucht hatte, haben mich in natura enttäuscht (berieben, Polierspuren, teils extrem viele Haarlinien, die nur von Bearbeitungen herrühren können). Ich habe schon vor einiger Zeit angesichts schlechter Erfahrungen für mich entschieden, nur noch im Saal nach Besichtigung zu bieten. Es gibt ein Auktionshaus in Düsseldorf, da sind die Fotos megahochauflösend und nicht geschönt, da kannst Du es als Fernbieter versuchen.
 
Danke für deine Eindrücke von der Auktion. Ich habe diesesmal nicht bei Künker geboten, man gut.
Tja, Blase oder nicht??? Zunächst würde ich es eher wie Rambo sehen. Solange viele nicht wissen wohin mit dem Geld, könnte es bei Spitzenstücken so weitergehen. Eine Blase ist für mein verständnis erst dann erreicht, wenn Leute versuchen damit massiv Geld zu verdienen und anfangen das ganze Kreditfinanziert zu machen. Sind wir schon soweit? Dann besteht wirklich die Gefahr das es dann schnell abstürzt. Nun die Zeit wird es zeigen.

Interessant, Deine Gedanken. Man müsste einmal die "Umschlaghäufigkeit" bestimmter Stücke/Typen ermitteln können. Ich glaube, dass J. 253 1915 innerhalb von ca. 2 Jahren von € 2000,- auf € 4000,- hochgezogen wurde durch Leute, die den schnellen Euro machen wollten. Oder auch die Krönungsrubel von Alexander III. und Nikolaus II. wären da ein Beispiel. Aktuell vielleicht die Bayernhochzeit und 5 Mark Goethe aus der Weimarer Republik. Who knows, alles Spekulation...
 
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Interessant, Deine Gedanken. Man müsste einmal die "Umschlaghäufigkeit" bestimmter Stücke/Typen ermitteln können. Ich glaube, dass J. 253 1915 innerhalb von ca. 2 Jahren von € 2000,- auf € 4000,- hochgezogen wurde durch Leute, die den schnellen Euro machen wollten. Oder auch die Krönungsrubel von Alexander III. und Nikolaus II. wären da ein Beispiel. Aktuell vielleicht die Bayernhochzeit und 5 Mark Goethe aus der Weimarer Republik. Who knows, alles Spekulation...
5 Mark Goethe ist im Preis die letzen 5-7 Jahre im Durchschnitt nicht gestiegen
 
Von DOA habe ich mir nichts angeschaut. So wie ich das Foto deute, wirst Du mit bearbeiteten Feldern wahrscheinlich Recht haben. Sehr viele Kaiserreichstücke, die ich nach Foto ausgesucht hatte, haben mich in natura enttäuscht (berieben, Polierspuren, teils extrem viele Haarlinien, die nur von Bearbeitungen herrühren können). Ich habe schon vor einiger Zeit angesichts schlechter Erfahrungen für mich entschieden, nur noch im Saal nach Besichtigung zu bieten. Es gibt ein Auktionshaus in Düsseldorf, da sind die Fotos megahochauflösend und nicht geschönt, da kannst Du es als Fernbieter versuchen.


Stimmt, dort sind die Bilder gut, leider ist besagtes Auktionshaus nicht prominent genug, um wirklich interessante Stücke im Bereich Numismatik an sich zu ziehen. Bei den Briefmarken mag es anders sein.
 
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