Warum gibt es eigentlich so viele Münzen aus Antike und Mittelalter?

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Eigentlich ist es doch sinnvoll, Münzen - zumindest diejenigen aus Edelmetall - einzuschmelzen, sobald sie nicht mehr kursgülitg sind. Und dann das Material entweder zu neuen Münzen zu prägen oder für ganz andere Zwecke zu verwenden. Nun sind aber aus Antike und Mittelalter doch insgesamt erstaunlich viele Edelmetallmünzen erhalten, wenn ich mir so die einschlägigen Verkaufsportale und Auktionen anschaue.
Wie kommt das nun eigentlich? Sind das alles Exemplare aus Hortfunden, die erst in der Neuzeit wiederentdeckt wurden, als man bereits den numismatischen Wert höher als den Materialwert ansetzte und deshalb nicht mehr einschmolz? Oder auf welchem anderen Weg haben diese Münzen bis heute "überlebt"? Kennt jemand von euch dazu eine Theorie oder eine Statistik?
 
Gerade im Fall der silbernen mittelalterlichen Pfennige war es üblich, diese jährlich mit einem veränderten Motiv auszugeben. Die Pfennige waren zwar Kurantmünzen und ihr Wert durch den Edelmetallgehalt gedeckt, aber trotzdem wurden die alten Münzen jedes Jahr wiederrufen und außer Kurs gesetzt oder durften nur noch mit hohen Abschlägen zum Wert weiter im Umlauf genutzt werden. Grund dafür war, dass die Münzherren hier eine Steuer erheben konnten, da in der Regel bei Tausch für vier alte Pfennige nur drei neue Pfennige ausgezahlt wurden. Dies war für die jeweiligen Münzherren oft die wichtigste, wenn nicht sogar die einzige Abgabe, die bar und nicht in Naturalien entrichtet werden musste.
Zwar war es oft bei Strafe verboten, altes Geld zu horten statt es zu den genannten Konditionen regelmäßig mit Abschlägen in neues Geld zu tauschen, doch darüber setzten sich die vermögenden Leute damals häufig hinweg. Der Wert der Münzen war schließlich durch das enthaltene Silber gedeckt, und im Zweifelsfall konnte man die gehorteten Münzen ja einschmelzen, um das Silber wieder in Zahlung geben zu können.
Die unterschiedlichen Motive sollen es also möglich machen, die alten, wiederrufenen und eintauschpflichtigen Münzen klar von den aktuellen, vollwertigen Münzen unterscheiden zu können.
Der Faktor, dass viele mittelalterliche Münzen ein auf der Längsachse gespiegeltes Motiv haben, sollte das Teilen der Münze in zwei Hälblinge erleichtern, die dann aufgrund der identischen Motive wiederum einfacher von den Serien der Vorjahre unterschieden werden konnte.
 
Danke, @bayreuth und @Muppetshow! Das verstehe ich dahingehend, dass die heute gehandelten Münzen alles in allem also tatsächlich größtenteils aus Hortfunden stammen, die absichtlich versteckt wurden, plus den zufällig verlorenen Exemplaren, die dann auf irgendeinem Acker wieder auftauchen, wenn der Bauer sein Feld umpflügt... und außerdem gilt es natürlich zu bedenken, dass wir in den allermeisten Fällen wohl keine Informationen darüber haben, wie viele Münzen eines Typs ursprünglich geprägt wurden, so dass wir auch nciht abschätzen können, wieviel Prozent oder Promille davon heute noch erhalten sein mögen. Gibt es denn irgendwo so etwas wie eine Gesamt-Übersicht aller wesentlichen Hortfunde?
 
Gibt es denn irgendwo so etwas wie eine Gesamt-Übersicht aller wesentlichen Hortfunde?
In den skandinavischen Ländern gibt es tatsächlich vergleichbare Übersichten, im deutschsprachigen Raum allerdings leider überhaupt nichts in diese Richtung.
 
In den skandinavischen Ländern gibt es tatsächlich vergleichbare Übersichten, im deutschsprachigen Raum allerdings leider überhaupt nichts in diese Richtung.
Gut für die Skandinavier! Aber in derlei Randgebieten dürfte das ja auch relativ überschaubar sein ... Schade für uns und andere südlicher gelegene Gegenden eigentlich. Fände ich sehr interessant. Man liest ja immer wieder mal von einzelnen aktuellen Funden, aber so ein Überblick für ein bestimmtes Land oder zumindest für eine wie auch immer begrenzte Region wäre schon schön.
 
Eigentlich ist es doch sinnvoll, Münzen - zumindest diejenigen aus Edelmetall - einzuschmelzen, sobald sie nicht mehr kursgülitg sind. Und dann das Material entweder zu neuen Münzen zu prägen oder für ganz andere Zwecke zu verwenden. Nun sind aber aus Antike und Mittelalter doch insgesamt erstaunlich viele Edelmetallmünzen erhalten, wenn ich mir so die einschlägigen Verkaufsportale und Auktionen anschaue.
Wie kommt das nun eigentlich? Sind das alles Exemplare aus Hortfunden, die erst in der Neuzeit wiederentdeckt wurden, als man bereits den numismatischen Wert höher als den Materialwert ansetzte und deshalb nicht mehr einschmolz? Oder auf welchem anderen Weg haben diese Münzen bis heute "überlebt"? Kennt jemand von euch dazu eine Theorie oder eine Statistik?
Notgroschen, die nicht mehr abgeholt wurden, ist wohl die plausibelste Erklärung. Was sich am Markt tummelt, wird bloß ein Bruchteil dessen sein, was jemals geprägt wurde. Münzumprägungen sind bereits aus der Antike bekannt. Unter Nero wurde das Gewicht von Denar und Aureus verringert, alte Münzen waren also auf einmal mehr wert. Unter Trajan wurden alte, abgenutzte Münzen eingeschmolzen, dennoch sind Münzen aus der Zeit vor Nero,bzw Trajan alles andere als selten, manche Typen kann man sogar als regelrechte Massenware bezeichnen. Die ursprüngliche Auflage muß enorm gewesen sein.

Zahlen sind uns aus der alten Welt natürlich nicht bekannt, doch dank Jaeger wissen wir, daß die Silbermünzen der Weimarer Republik zu weit über 90 % eingezogen wurden, dennoch ist Weimar Massenware und innerhalb eines Tages kann man eine Komplettsammlung zusammenkaufen. Hohe Verluste und hohes Marktvorkommen sind also kein Widerspruch.
 
Zuletzt bearbeitet:
In den skandinavischen Ländern gibt es tatsächlich vergleichbare Übersichten, im deutschsprachigen Raum allerdings leider überhaupt nichts in diese Richtung.
Gibt es so etwas nicht für Römermünzen aus dem deutschsprachigen Raum, geordnet nach Regionen ?
 
@Kronerogøre: Vielen Dank für den Link! Genau das wollte ich wissen! Zumindest für die Römerzeit ist Mitteleuropa also doch anscheinend schon ganz gut dokumentiert.
 
Anbei zwei Grafiken die den Münzbestand 42 akademischer Münzkabinette (universitären Münzsammlungen) aus ganz Deutschland zeigen, insgesamt 29,128 Münzen:

Was man anhand der Abbildungen sehen kann, ist der riesige Anteil an grieschicher und römischer Münzen, die schlagartig im 4.Jahrhundert endet. Bei dem darauf folgenden Münzhaufen (ca.500-700 n.Chr.) handelt es sich fast ausschließlich um byzantinsche Münzen. Darauf folgt um ca. 1000n.Chr. ein großer Haufen Münzen aus Buyiden.

Münzen1.jpg


Münzen2.jpg
 
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